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Talkshowgast Alice WeidelRhetorisches Rollkommando

Mit Rechten reden? Gar nicht so einfach – drei Erkenntnisse, die der Auftritt der AfD-Kanzlerinnenkandidatin bei Caren Miosga nahelegt.

In der Regel beherrscht Weidel ihre Mimik bis zum Maskenhaften – hier bei Caren Miosga Foto: Uwe Koch/dpa

Berlin taz | Gäste, die man eingeladen hat, lässt man ausreden. Dies ist eine allgemein anerkannte, nützliche Konvention. Im diskursiven Kunstraum von Polit-Talkshows wird diese Tugend allerdings fragwürdig, wenn AfD-PolitikerInnen eingeladen sind. Denn die ignorieren das Rede-Regelwerk. Sie verhalten sich in öffentlich-rechtlichen Talkshows so, als wären sie im Feindesland unterwegs, in dem es gilt, möglichst viele gegnerische Stellungen zu sprengen.

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Alice Weidel, Kanzlerkandidatin der AfD, redete bei „Caren Miosga“ am Sonntagabend also einfach immer weiter und ranzte rüde die Gastgeberin an („Das verstehen Sie nicht“). Mios­ga wirkt angesichts dieses ebenso gepanzerten wie erwartbaren Auftritts mitunter ratlos. Sie kam gegen Weidels Lautstärke schlicht nicht an. Weidel garnierte ihr rhetorisches Rollkommando mit dem originellen Vorwurf, sie dürfe nie ausreden.

Die endlose Debatte, wie man AfD-PolitikerInnen in Talkshows und Interviews begegnet, ist um eine Erkenntnis reicher: Wer sich wie Miosga an die üblichen diskursiven Regeln hält, wirkt angesichts des dröhnenden Propaganda-Feuerwerks schnell überfordert und überrumpelt.

Jenseits dieses misslichen Eindrucks diente die Sendung durchaus der Aufklärung. Miosga bohrte beim Verhältnis der AfD zur Nazi-Vergangenheit beharrlich nach – bis die AfD-Chefin gereizt erklärte, dass „diese ganze Holocaust-Anheftung nervtötend“ sei. In der Regel beherrscht Weidel ihre Mimik bis zum Maskenhaften. Konfrontiert mit dem rechtsextremen Begriff „Schuld-Kult“, den sie auch mal benutzt hatte, gerieten die vereisten Gesichtszüge der AfD-Chefin leicht in Bewegung.

Affektgesteuertes Abrissprogramm

Weidel sei, so noch immer das Bild in manchen Medien, das bürgerliche, halbwegs akzeptable Antlitz der Rechtsextremen. Die AfD-Chefin sei keine völkische Ideologin, sondern eine Neoliberale, die wirtschaftspolitisch anschlussfähig an den Mainstream sein könnte. Wenn der Moment gekommen ist, der AfD den Weg in die Mitte und zur Macht zu leuchten, dann werde Weidel die Fackel tragen, glauben manche.

Der zweite Erkenntniswert am Sonntagabend war: Das ist eher ein Irrtum. Weidel ist eine ideologisch ausgehärtete Mixtur von Javier Mileis Kettensägen-Rabulistik und Ultranationalismus. Es war klug, Hildegard Müller, Lobbyistin der Automobilindustrie, einzuladen. Sanft im Ton, hart in der Sache, machte sie deutlich, was AfD-Wirtschaftspolitik bedeuten würde: Sie ist ein von Affekten gesteuertes Abrissprogramm, das Pleiten und Arbeitslosigkeit hinterlassen würde. Windparks niederreißen, Austritt aus dem Euro, Rückkehr zur Atomkraft, Verbrenner statt E-Autos bauen – all das wäre ökonomisch fatal.

Weidel drehte angesichts von Müllers mittlerer Vernünftigkeit vor allem ihre Lautstärke hoch – und wirkte zusehends überdreht. Der Euro, so Weidels Ansage, werde bald zusammenbrechen. Das „versteht nicht jeder“, erklärte Weidel. Nur Erleuchtete wie sie begreifen, dass der quasi naturgesetzliche Euro-Crash unaufhaltsam vor der Tür steht. Es ist erstaunlich, dass viele diese Mischung von biestiger Arroganz und Neigung zu wohligem Katastrophismus für attraktiv halten.

Wenn nicht originell, so doch klug war es, den Welt-Journalisten Robin Alexander einzuladen. Der sagte nicht viel, aber das Richtige. Er wies knapp auf den inneren Widerspruch der AfD hin, die sich gleichermaßen an Trump wie an Putin anschmiegen will, die USA und Russland seien aber geopolitische Gegner. Dass die AfD-Chefin Deutschland für einen „Sklavenstaat der USA“ hält, dürfte die Sympathien rechtskonservativer WählerInnen für die AfD auch nicht in die Höhe jagen.

Die dritte Erkenntnis: Weidels Rhetorik, die AfD-typische Mixtur aus Beleidigtsein und Aggression, funktioniert gegen Miosga, die die verachteten Öffentlich-Rechtlichen verkörpert. Die Frage „Darf man das?“ prallt am gefestigten AfD-Wutbürgertum ab. Hektisch hingegen wirkte Weidel, wenn sie sich nicht gegen einen klaren Gegner in Stellung bringen kann, sondern sagen muss, was sie will. Denn dann wird deutlich, dass die AfD nicht ist, was sie vorgibt zu sein: Anwältin deutscher Interessen.

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8 Kommentare

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  • Für mich unverständlich das der öffentliche Rundfunk Rechtsextremen eine Plattform anbietet in der sie ihre wirren Ansichten unters Volk bringen können. Unter einem öffentlichen Auftrag verstehte ich jedenfalls etwas anderes.

    Aber mein Eindruck ist generell, dass die Medienlandschaft noch kein rechtes Gespür für einen Umgang mit rechtsextremen Gesprächspartnern entwickelt hat. Vielleicht sollten die Sender es lieber ganz bleiben lassen. Denn der Informationswert derartiger Talkshows oder Interviews tendiert eh gegen Null.

    In diesem Sinne bin ich ganz bei Wiglaf Droste: Mit Nazis reden. Warum?

    Unten von lowandorder zitiert. Vielen Dank dafür.

  • Man muss sich ja um eines gut gebildeten Überblicks willen nach allen Seiten hin informieren. Trotzdem habe ich zwischendurch immer wieder mal umgeschaltet, weil ich die selbstgefällige, hybride Art der Kommunikation Frau Weidels selbst im Rahmen einer politischen Debatte teilweise schwer erträglich fand.

    Immerhin kann die AfD nicht mehr behaupten, in den Mainstream-Medien (wie ihre Anhänger*innen es gerne abwertend bezeichnen) keine Bühne bzw. Chance der Repräsentation zu bekommen.

  • Fass mal z‘samm & Dank an Caren Miosga!

    Bitte Herr Droste - mit nazis reden -



    www.youtube.com/re...nazis+reden+droste



    “…Alle Welt sucht das Gespräch mit Rechtsradikalen. Warum? Haben sie einem etwas zu sagen? Ist nicht hinlänglich bekannt. was sie denken. fordern und propagieren?



    Muß man an jeder Mülltonne schnuppern? Niemand wählt Nazis oder wird einer. weil er sich über deren Ziele täuscht. - das Gegenteil ist der Fall: Nazis sind Nazis, weil sie welche sein wollen. Eine der unangenehmsten deutschen Eigenschaften, das triefende Mitleid mit sich selbst und den eigenen Landsleuten, aber macht aus solchen Irrläufern der Evolution arme Verführte, ihrem Wesen nach gut. nur eben ein bißchen labil etc.. "Menschen" jedenfalls, so Heinz Eggert. "um die wir kämpfen müssen"



    Warum? Das Schicksal von Nazis ist mir komplett gleichgültig: ob sie hungern. frieren, bettnässen. schlecht träumen usw. geht mich nichts an. Was mich an ihnen interessiert. ist nur eins: daß man sie hindert, das zu tun, was sie eben tun, wenn man sie nicht hindert: die bedrohen und nach Möglichkeit umbringen, die nicht in ihre Zigarettenschachtelwelt passen.…“

    …anschließe mich

  • immer wieder erstaunlich wie mimosenhaft empfindlich afd`ler sind, wenn man ihnen nicht zu Munde redet.



    Der absolute Lacher war Weidels Reaktion, das Publikum sei ausgewählt, natürlich, um ihr zu widersprechen. Welch Egozentrik und Empfindsamkeit... vielleicht liegt da der Kern dieser Menschen, ein unterirdisch ausgeprägtes Selbstbewußtsein, quasi ein pathologischer Minderwertigkeitskomplex.

  • Zustimmung!



    Aber eins sollte man nicht tun: Frau Weidel intellektuell auch nur in der Nähe von Javier Milei einzuordnen. Das ist falsch. Javier Milei ist Frau Weidel an ökonomischem und sonstigem Verstand haushoch überlegen. Wenn Milei redet, hat man durchaus den Eindruck, dass das, was er sagt, durchdacht ist, auch wenn es einem vielleicht nicht gefällt und er uns fast so unsympathisch erscheint wie Frau Weidel. Von Wirtschaft hat er jedenfalls wesentlich mehr Ahnung als Frau Weidel oder sonst jemand aus der AfD.

    • @Aurego:

      na, wo hat Milei denn Ahnung von Wirtschaft? Da kommt Floskel an Floskel, ganz genauso wie bei Weidel. vielleicht kann milei seine Platitüden eleganter zusammenbringen und dadurch einen Anschein von konsistenter Logik erzeugen, etwas das Weidel nicht kann, aber wirtschaftlicher Verstand das ist bei Milei doch zu hoch gegriffen.

      • @nutzer:

        Haben Sie sich das Interview von Lex Fridman auf Youtube einmal angesehen und -gehört und Mileis Lebenslauf noch im Gedächtnis?

        • @Aurego:

          Ja. Und wo ist da jetzt die Wirtschaftskompetenz? Den Staat zu schrumpfen ist keine Wirtschaftskompetenz. Kompetenz wäre Regelkreise zu benennen und die Auswirkungen von Veränderungen von Kenngrößen dieser Regelkreise zu erkennen und durchzuspielen.



          Das tut er nicht und nebenbei eine Lebenslauf ist kein Ausdruck von Qualifikation, es ist lediglich die Auflistung von Lebensstationen, wie gut diese gemeistert wurden, ist eine ganz andere Sache.