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Grundsatzpapier des FInanzministersLindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik

Der FDP-Chef fordert eine Auflösung des Klimafonds und übt Druck auf den Arbeitsminister aus. Sparen will er bei Bürgergeld, Rente und Geflüchteten.

Wird er durch diese Türe gehen? Christian Lindner am Dienstag im Bundestag Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Finanzminister Christian Linder (FDP) hat einen Generalangriff auf die Politik der Ampel gestartet. In einem am Freitagnachmittag bekannt gewordenen 18-seitigen Dokument distanziert sich der FDP-Chef von der Regierungsarbeit und fordert eine radikale Abkehr von der deutschen Klimapolitik sowie starke Kürzungen im sozialen Bereich.

In dem Papier aus dem Finanzministerium, das der taz vorliegt, spricht sich Lindner für die Auflösung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) aus, mit dem die Bundesregierung nachhaltige Technologien unterstützt – etwa in der Wasserstoffwirtschaft. Das deutsche Klimaziel soll nach hinten verschoben, das Datum für den Kohleausstieg aufgehoben werden. Der Finanzminister fordert eine „Wirtschaftswende mit einer teilweise grundlegenden Revision politischer Leitentscheidungen, um Schaden vom Standort Deutschland abzuwenden“.

Lindner verlangt, die „Bürokratiekosten“ in Deutschland zu senken, auch über die reguläre Amtszeit der Bundesregierung hinaus. „Für die nächsten drei Jahre sollte ein striktes Moratorium dafür sorgen, dass keine neuen Regulierungen und keine neue Bürokratie in Deutschland beschlossen werden“, heißt es in seinem Papier. Dabei nimmt der FDP-Chef vor allem SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil, ins Visier. „Das gilt insbesondere für die vom Bundesminister für Arbeit und Soziales vorgelegte Fassung des Tariftreuegesetzes, für das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und das Entgelttransparenzgesetz“, heißt es.

Nach dem Bekanntwerden des Papiers bezeichnete es der FDP-Chef in einer E-Mail an Parteifreunde als „Indiskretion“, dass seine Forderungen an die Öffentlichkeit gelangt seien. Das Konzept hätte zunächst nur im engsten Kreis der Bundesregierung beraten werden sollen. In der Mail, aus der verschiedene Medien zitieren, schreibt Lindner, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) habe ebenfalls Vorschläge zur Bewältigung der wirtschaftspolitischen Herausforderungen gemacht und dabei ein kreditfinanziertes Sondervermögen ins Spiel gebracht. Er wolle mit seinem Papier „eine alternative Richtungsentscheidung“ vorschlagen. „Wir werden im Gesamtkontext nun in Regierung und Koalition beraten.“

Habeck hatte vor kurzem ein Papier zur Wirtschaftspolitik vorgelegt, Olaf Scholz (SPD) und die FDP-Fraktion luden zu jeweils getrennten Wirtschaftsgipfeln ins Kanzleramt und in den Bundestag – beide Seiten wollen an diesen separierten Gesprächsrunden festhalten.

Der Finanzminister will die Einnahmen senken

Lindner heizt die wirtschaftspolitischen Konflikte in der Ampel mit seinem Papier enorm an. Vor allem für die Grünen müssen die Forderungen des Finanzministers wie ein Affront wirken. „Es hilft dem Klimaschutz nicht, wenn Deutschland als vermeintlicher globaler Vorreiter möglichst schnell und folglich mit vermeidbaren wirtschaftlichen Schäden und politischen Verwerfungen versucht, seine Volkswirtschaft klimaneutral aufzustellen“, schreibt Lindner.

Er fordert, die Klimapolitik künftig rein europäisch zu regeln und dafür ausschließlich auf das Werkzeug der CO2-Bepreisung zu setzen. Zusätzliche Maßgaben, wie sektorbezogene Regelungen für die Verkehrs- oder die Baubranche hält Lindner für überflüssig. „Ebenso ist ein gesetzlich festgelegter Zeitpunkt für den Kohleausstieg nicht notwendig“, so Lindner. Zudem solle Deutschland gegenüber der EU-Kommission die Abschaffung der Berichts- und Nachweispflichten aus dem „Green Deal“ bewirken.

Lindner macht in seinem Papier Vorschläge, von denen er sich schnelle Impulse für die Wirtschaft erhofft. „Als Sofortmaßnahme sollte der Solidaritätszuschlag, der überwiegend von Unternehmen, Selbständigen, Freiberuflern sowie Hochqualifizierten gezahlt wird, entfallen“, fordert er. Den Zuschlag müssen derzeit nur noch Hochverdienende zahlen. Außerdem möchte er die Körperschaftssteuer von 15 Prozent, die etwa Kapitalgesellschaften zahlen, im Jahr 2025 um zwei Prozentpunkte reduzieren und in den Folgejahren zusätzlich senken.

Gleichzeitig möchte der Finanzminister bei den Staatsausgaben mehr sparen. Bei den Ausgaben für das Bürgergeld und dem dazugehörigen Wohngeld sieht der Finanzminister etwa ein Sparpotenzial von drei Milliarden Euro. Lindner fordert zudem eine weitere „Flexibilisierung“ des Renteneintrittsalters durch höhere Abschlägen bei einem frühzeitigen Renteneintritt sowie Zuschlägen bei späterem Renteneintritt. Hier sieht der Finanzminister weitere 4,5 Milliarden Euro an Einsparmöglichkeiten im Vergleich zum bereits verabschiedeten Haushaltsentwurf der Regierung, über den der Bundestag zurzeit bereit.

CDU-Politiker fühlt sich an Lambsdorff-Papier erinnert

Bei der Asylgesetzgebung fordert Lindner, einen „gesonderten Rechtskreis“ für subsidiär Schutzberechtigte zu schaffen, damit sie nach ihrer Anerkennung in Deutschland kein Bürgergeld erhalten, sondern weiterhin ein „abgesenktes Leistungsniveau ähnlich dem Asylbewerberleistungsgesetz“. Dadurch könne der Staat 800 Millionen Euro einsparen.

SPD-Generalsekretär Matthias Miersch forderte die Koalitionspartner auf, für die Stabilisierung der Wirtschaft zusammenzuarbeiten. „Nach dem Wirtschaftsminister bringt nun auch der Finanzminister seine Vorschläge in die Debatte ein. Wichtig ist jetzt, dass der Prozess konstruktiv und lösungsorientiert von allen Beteiligten begleitet wird“, sagte Miersch den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Unions-Vizefraktionschef Mathias Middelberg sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, das Papier lese sich wie ein Kündigungsschreiben Linders. „Es erinnert an das Lambsdorff-Papier von 1982, das zum Bruch der damaligen Regierungskoalition führte.“ Wenn es Lindner jetzt nicht gelinge, die wesentlichen Punkte seines Papiers durchzusetzen, müsse er die Ampel-Regierung verlassen.

Christian Lindner wollen offensichtlich endgültig das Ampel-Aus provozieren, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Linken im Bundestag Christian Görke. „Die Vorschläge sind eine Luftnummer ohne Gegenfinanzierung und eines Finanzministers unwürdig“, sagte er. Lindner wollen Steuersenungen für Superreiche und Wohhabende, die von den Ländern und Kommunen finanziert werden sollen.

Die Grünen blieben bislang auffällig zurückhaltend. „Das Papier ist eine Nebelkerze. Wichtiger wäre es, dass sich der Finanzminister um den Haushalt kümmert“, sagte Grünenfraktionsvize Andreas Auretsch.

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2 Kommentare

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  • Grüne und SPD haben seit Beginn der Ampelkoalition den Fehler gemacht, die stets ultimativen FDP-Forderungen für deren kleine wohlhabende bis superreiche Klientel (die mit fossilen Energien reich wurden) die Dividenden auf Kosten des Klimas und der großen Mehrheit der Gesellschaft auszuweiten, wie bisher. Die Grünen stehen in der Wählergunst nun am Schlechtesten da, obwohl sie die wichtigste Weiche auch für die Wirtschaft in Deutschland gestellt haben und die Erneuerbaren drastisch ausbauen konnten. Dafür sind Grüne und SPD aber bei allen weiteren sozialen Forderungen und Klimaschutzplänen eingeknickt (Klimageld, Übergewinn- und Vermögenssteuer, Klimafonds) und haben dazu beigetragen, dass Klimaschutz für die Mehrheit der Gesellschaft als zu große finanzielle Hürde abgelehnt wird. De fakto sind es ja Dank FDP auch tatsächlich Geringverdienende bis obere Mittelschicht, welche die meisten staatlichen Abgaben tragen. Hinzu kommt noch, dass alle demokratische Parteien rechtsextremem Populismus übernahmen und selbst verschuldete soziale Probleme Geflüchteten anlasten. Mit rassistischer Sprache und Politik schreckt man dann auch noch dringend benötige Fachkräfte ab.

  • Weniger Bürokratie, wer möchte das nicht? Aber sonst? Die FDP ist bei 3,7 Prozent oder so und durch solche Äußerungen wird es nicht besser. An das Gesundsparen des Staates, trickle down Effekt usw glaubt keiner mehr..