Proteste gegen Lützerath-Räumung: Jarasch kann nix dafür
Wer als Berliner Öko am 12. Februar wegen Lützerath nicht für die hiesigen Grünen stimmt, handelt unlogisch – und schadet der eigenen Sache.
A ls Nicht-Grüner ist es manchmal schwer, die Grünen und ihre Anhängerschaft zu verstehen, etwa in dieser Woche. Wer Kohleabbau grundsätzlich ablehnt und auch eine abschließende richterliche Entscheidung nicht akzeptiert, der oder die mag es zwar nicht sonderlich toll finden, wenn in Nordrhein-Westfalen der Kohle wegen ein Dorf abgerissen wird. Warum das aber, rund 570 Kilometer von Rotem Rathaus und Abgeordnetenhaus entfernt, Auswirkungen auf das Stimmverhalten bei der hiesigen Wahlwiederholung am 12. Februar haben soll, lässt sich vernunftmäßig nicht erklären.
Vernunft spielt auch offenbar nicht die größte Rolle, sonst würde das Wahlkampfteam der grünen Spitzenkandidatin Bettina Jarasch nicht fühlbare Stimmverluste wegen der Lützerath-Räumung befürchten. Tatsächlich ist unter Menschen, die Öko-Themen nahe stehen, zu hören, sie würden nun aus Protest bei der Abgeordnetenhauswahl lieber die Klimaliste, eine andere Kleinstpartei oder gar nicht wählen.
Das aber ist mit verantwortlichem Handeln, das nicht von momentanem Frust, sondern von einem Ziel geleitet ist, kaum zu vereinbaren. Zum einen hat Jarasch nichts, aber auch gar nichts mit der Lützerath-Räumung zu tun – dafür waren Gerichte und die seit 2022 schwarz-grüne NRW-Landesregierung zuständig. Zum anderen: Was wäre denn die Folge davon, die Grünen für ihr vermeintliches Fehlverhalten in Nordrhein-Westfalen wenige Wochen später bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin zu bestrafen?
Man muss Bettina Jarasch nicht als Regierende Bürgermeisterin haben wollen, und das soll hier auch nicht in eine Werbeveranstaltung für die grüne Spitzenkandidatin ausarten. Aber für wen Klimaschutz das absolute Top-Thema ist, der schadet sich selbst, wenn er oder sie am 12. Februar nicht für die Berliner Grünen stimmt. Denn Lützerath hin oder her – kaum jemand wird bestreiten, dass unter den Parteien mit Chance auf Regierungsbeteiligung keine dem Klima- und Umweltschutz näher steht als Jaraschs Partei.
Natürlich ist es grundsätzlich legitim, der präferierten Partei per Stimmentzug zu verdeutlichen, dass der aktuelle Kurs womöglich der falsche sein könnte. Das gilt aber nicht in einer Situation, in der die Grünen in Umfragen mit SPD und CDU auf Augenhöhe liegen – und damit die Chance haben, in den nächsten Jahren die Richtlinien der Politik und so auch der Klimapolitik in Berlin zu bestimmen. Ein Zehntel Prozent – bei der Wahl 2021 waren das weniger als 2.000 Stimmen – könnte am Ende über darüber entscheiden, wer künftig im Roten Rathaus sitzt.
Jedes Nichtwählen, jede Stimme für eine Partei, die höchstwahrscheinlich an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, mindert die Chance, dass die Grünen dort einziehen. So zu handeln ist zwar eine freie Entscheidung – die Wahlfreiheit beinhaltet auch die Freiheit, nicht zu wählen oder die Stimmabgabe vorher zuhause auszuwürfeln. Bloß darf sich dann keiner, der das so handhabt, später darüber beschweren, dass SPD oder CDU vorne liegen und das 1,5-Grad-Klimaziel dann weniger im Blick haben, als es bei einer grünen Regierungschefin mutmaßlich der Fall gewesen wäre.
Georg W. Bush als mahnendes Beispiel
Letztlich geht es um Prioritätensetzung und die Frage, was jenseits von momentanen Enttäuschungen entscheidend ist. Ein mahnendes Beispiel dafür ist die US-Präsidentenwahl im Jahr 2000: Hätten im meist umkämpften Staat Florida nur ein paar hundert Menschen nicht für den chancenlosen Grünen-Kandidaten Ralph Nader gestimmt (was mehr als 97.000 taten), sondern für den kaum weniger umweltbewussten Al Gore, hätte es nie einen Präsidenten George W. Bush gegeben.
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