WDR und El-Hassan gehen getrennte Wege: Keine weitere Zusammenarbeit
In einem Gastbeitrag in der „Berliner Zeitung“ kritisierte die Journalistin Nemi El-Hassan den Umgang des WDR mit ihr. Der Sender trennt sich von ihr.
In den letzten Wochen gab es vermehrt Diskussionen über die Journalistin. El-Hassan war in den sozialen Netzwerken und unter anderem in den Zeitungen des Springer-Verlags Extremismus und Antisemitismus vorgeworfen worden, weil sie 2014 am antisemitischen Al-Quds-Marsch in Berlin teilgenommen hatte.
Die Springer-Zeitungen bezogen sich dabei auch auf ein Video der Bundeszentrale für politische Bildung von 2015, in dem El-Hassan eine friedliche Auslegung des Wortes „Dschihad“ vorträgt. El-Hassan hatte sich daraufhin bei Instagram von den Al-Quds-Demos distanziert. Ihre Teilnahme sei ein „Fehler“ gewesen. Sie verurteile jegliche antisemitischen Äußerungen und Aktionen, sämtliche Arten von Gewalt und „insbesondere die Gewalt, die auf diesen Demos stattgefunden hat“.
Der WDR hatte Mitte September dennoch entschieden, dass die 28-Jährige zunächst nicht als Moderatorin der WDR-Wissenschaftssendung „Quarks“ eingesetzt werde, und angekündigt, den Fall zu prüfen. Ende September teilte WDR-Intendant Tom Buhrow nach anhaltender Debatte mit, dass der Sender entschieden habe, dass El-Hassan „Quarks“ nicht moderieren werde. Die Auseinandersetzung über ihre Person habe zu einer unangebrachten Politisierung der Sendung geführt, lautete die Begründung. Man erwäge aber, El-Hassan als Autorin zu beschäftigen.
„Deal with it“
Am Dienstag nun, nachdem El-Hassan ihren Gastbeitrag veröffentlicht hatte, teilte der Sender nach wochenlanger Prüfung und zwei Diskussionen im Rundfunkrat mit, endgültig auf eine Zusammenarbeit zu verzichten. „Das Vertrauen für eine künftige Zusammenarbeit ist nicht mehr vorhanden“, so die Begründung des Senders.
In ihrem Gastbeitrag „Ich bin Palästinenserin – deal with it!“ kritisiert El-Hassan, dass der WDR sich beim Umgang mit ihr von einer Kampagne von Rechtsextremen und der Bild-Zeitung habe leiten lassen: „Der WDR hat sich – in der Hoffnung, sich selbst aus der Schusslinie zu ziehen – allen Argumenten der Bild-Zeitung angeschlossen und somit auch zukünftigen Kampagnen Tür und Tor geöffnet.“ Antisemitismusvorwürfe würden „im Kampf gegen Muslime“ instrumentalisiert. Es gehe darum, Menschen muslimischen Glaubens aus der Öffentlichkeit hinauszudrängen.
„Der Vorwurf, dass der WDR die Moderatorinnen-Auswahl von einer Bild-Kampagne abhängig mache, ist unsinnig“, antwortete der WDR in seiner Erklärung darauf. Der Sender habe „unabhängig von der medialen Berichterstattung und dem öffentlichen Druck“ sowie „sorgfältig und umfangreich“ beraten. Ausschlaggebend sei El-Hassans Aktivität in den sozialen Medien gewesen: „Relevante Informationen – wie zum Beispiel das Löschen von Likes – erfuhr der WDR erst aus den Medien, obwohl er mit Nemi El-Hassan im intensiven Austausch war.“
Bei den kritisierten Likes handelt es sich um Reaktionen auf Beiträge von Jewish Voice for Peace. El-Hassan rechtfertigt diese in ihrem Gastbeitrag damit, dass es sich hierbei um „eine der größten links-jüdischen Organisationen in den USA, die sich antizionistisch positioniert“, handele, die wiederum die Initiative Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) unterstütze.
BDS, eine transnationale Boykottkampagne gegen Israel, ist in Deutschland selbst immer wieder Gegenstand von Debatten. Im Mai 2019 hat der Deutsche Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und großen Teilen der Grünen-Fraktion die Resolution „Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“ beschlossen. Darin heißt es, die Argumentationsmuster und Methoden der BDS-Bewegung seien antisemitisch. Kritiker:innen werfen der Initiative vor, das Existenzrecht des Staates Israel infrage zu stellen.
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