Union gegen Wachstumschancengesetz: Sie wollen die Ampel scheitern sehen
Die Union hat dem Wachstumschancengesetz nicht zugestimmt, auch um den Preis einer stagnierenden Wirtschaft. Diese Totalverweigerung hat Tradition.
S chon mal was von der Sonthofen-Strategie gehört? Nein, da geht’s nicht um eine ausgefeilte Skisprungtechnik, sondern um ein Verhalten, das der damalige CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß den Unionsparteien 1974 bei einer Tagung in Sonthofen empfahl: Alle politischen Anliegen der damaligen sozialliberalen Koalition zu blockieren, damit sich die Union bei den Wahlen 1976 als Retterin präsentieren könne. Tja, das wiederum kommt einem dann doch sehr bekannt vor, erinnert es doch stark an das Gebaren, das die Union derzeit an den Tag legt: Totale Verweigerung.
So wie im Vermittlungsausschuss am Mittwochabend. Die Unionsländer stimmten dem verwässerten Wachstumschancengesetz nicht zu, obwohl sie von Wirtschaftsverbänden zuvor brieflich bekniet wurden. Der vorgeschobene Grund der Union: Die Ampel müsse erst die Kürzungen beim Agrardiesel zurücknehmen. Aber dieses Gesetz stand im Vermittlungsausschuss am Mittwoch gar nicht zur Debatte. Mit dem Nein der Union zum Wachstumschancengesetz steht nun auch die erneute Abstimmung im Bundesrat auf der Kippe und es ist unklar, ob es dort am 22. März verabschiedet wird.
Und das, obwohl die hiesige Wirtschaft gerade jeden noch so kleinen Impuls brauchen könnte, damit sie wieder in Fahrt kommt. Die Zahlen sehen nicht gut aus, das Wirtschaftswachstum stagniert, Großunternehmen wie Bayer bauen Tausende Stellen ab oder investieren lieber im Ausland. Selbst Wachstumskritiker:innen dürfte es nicht ganz geheuer sein, wenn die drittgrößte Volkswirtschaft in Zeiten geopolitischer Verwerfungen wirtschaftlich und politisch ins Schlingern gerät. Das Wachstumschancengesetz, so mickrig es auch ausfällt – nicht einmal die Hälfte der geplanten Steuererleichterungen kommt –, hätte zumindest gezeigt, dass die Politik handlungsfähig ist.
Aber das will die Union ja gerade verhindern. Sie will die Ampel scheitern sehen. Eine riskante Strategie. Die 1976 übrigens misslang – nach der Wahl regierte die sozialliberale Koalition weiter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind