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Bevor die autoritären Kipppunkte Konturen annehmen und identifiziert werden können - ob sie dann aufgehalten werden können, steht wiederum auf einem ganz anderen Blatt -, können wir schon lange den Weg in die illiberale Gesellschaft erkennen.
Diese Entwicklung ist u.a. durch eine “Verengung” gesellschaftlicher Diskurse gekennzeichnet, sprich durch die Unfähigkeit, einander noch zuzuhören, Gegenargumente ernst zu nehmen bzw. sich damit auf rationaler Ebene auseinandersetzen, die “Absolutsetzung” der eigenen Position. Am Ende steht die Stigmatisierung und Dämonisierung des politischen Gegners. Politische Eliten - v.a. diejenigen, die die gesellschaftliche Dominanz und Kontrolle zu erreichen versuchen - machen sich diesen Umstand zunutze, besonders die, die nach autoritärer Herrschaft streben.
Das Fatale: ob ich a) nur “aus der Not” heraus bestimmten Ansichten zuneige und entsprechend handele, b) mich als “Menschheitsretter” inszeniere und möglicherweise selbst daran glaube, dass meine Haltung (und die meiner Mitstreiter) der einzige verbleibende Weg aus der Krise sei) oder c) gleich antidemokratische, autoritäre Absichten verfolge … es läuft aufs Gleiche raus.
Meine Altvorderen beispielsweise - sofern ich Ihnen glauben kann - wählten 1933 die NSDAP “aus der Not” heraus (Arbeiterfamilie, vorher SPD oder KPD, Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit, Armut). Die Folgen nahmen sie dabei billigend in Kauf, konnten sie nicht erkennen oder es war ihnen schlicht gleichgültig, weil einem das eigene Hemd immer näher ist als das der anderen.
Zustimmung - aber, es wäre besser gewesen, es in einfacheren Worten aus zu drücken.
Möchten Sie auch weniger gebildete Menschen erreichen?
Das wäre gut, denn die große Mehrheit der Menschen hat nicht studiert.
Dann bitte kürzere Sätze schreiben.
Fremdwörter vermeiden.
Passiv vermeiden.
Auch wenn es sich dann für Akademiker plump anhören mag, es hilft der Sache.
@Diogeno Fiel mir auch auf. Auch Wissenschaftlern, die einen Artikel für eine Zeitung (und nicht für eine Fachzeitschrift) schreiben täte es gut, die Grundregeln journalistischer Stilistik wenigstens grob zu kennen.
„Law and Order“-Politik hat Konjunktur.
Die aktuelle Politik wird von jenen bestimmt, die in den Regierungen sitzen.
Im Bundestag haben Grüne, SPD und die FDP die Macht. In vielen Bundesländern ebenfalls, ob ohne die CDU oder in einer Koalition.
Der Artikel beschreibt aber null, wo die diese Parteien in der aktuellen Politik Law and Order betreiben, Es werden keine Namen genannt, keine Ministerien und keine Parteien.
Stattdessen arbeitet sich man an dem Framing ab, dass die Opposition für die aktuelle Politik verantwortlich sei.
Man kann ja schon von einer Mitverantwortung auch der Opposition ausgehen, aber den Schwanz mit dem Hund wedeln zu lassen verdreht die Wirklichkeit.
Meine Güte, was ist denn das bitte? Hat Björn Höcke das Kanzleramt übernommen?
Über das Anwachsen der AfD und die zunehmende Demokrativerdrossenheit speziell in den ostdeutschen Bundesländern sowie das vielfache Abdriften in Querdenker- und Schwurblerszenen sollte und muß man sich ernsthafte Gedanken machen.
Von einer ernsthaften Analyse aber ist dieser wahlweise im weinerlichen oder hysterischen Duktus gehalten Durchhalteappell meilenweit entfernt. Den etwas gereifteren Jahrgängen wird er ohnehin bekannt vorkommen. Es ist die xte Neuauflage der im linken Diskurs seit Jahrzehnten in Dauerschleife abgenudelten Warnung vor dem "Rechtsruck". Zu den einzelnen Punkten ließe sich ja viel sagen, aber der Traktat offenbar unterschwellig vor allem das Unbehagen seiner Verfasser, dass in einer offenen Gesellschaft eben auch kontrovers diskutiert wird und, leider, leider, nicht alle Leute die gleiche Meinung haben wie man selber.
An der Stimmungs- und Gefühlslage von geschätzt 90% der Bevölkerung schreibt der Artikel ohnehin komplett vorbei. Damit offenbart er aber vor allem ein zentrales Problem des linken Lagers, nämlich die komplette Diskursunfähigkeit jenseits des eigenen Milieus. Eine argumentative Auseinandersetzung wird ja nicht einmal versucht. Damit ist aber auch schon alles über seine Wirkung gesagt. Um AfD und Konsorten dahin zu drücken, wo sie in einer Demokratie gehören, nämlich unter 5%, werden derlei Fahnenappelle, für die sich ohnehin nur die true believers begeistern mögen, exakt nichts beitragen.
Es wäre wirklich hilfreich gewesen, die Kernaussage deutlicher hervorzuheben: AfD und andere Rechte bekommt man nur klein, wenn die Demokraten ihnen öffentlich und deutlich Paroli bieten! Ihre Themen zu übernehmen, „ihnen zuzuhören“ ist falsch, denn was die Rechten denken und sagen, ist zum Schreien (Kästner, „Denn ihr seid dumm“).
Stattdessen wird das Modewort „Kipppunkt“ in einen sozialwissenschaftlichen Text eingebaut und sogar noch dem „liberalen Humanismus“ eine Mitschuld am Erstarken der (offenen oder versteckten) Neonazis gegeben. Das ist das Problem: Die Linken ergötzen sich an verschrobenen Diskursen, die Rechten reden laut und deutlich, so dass man sie zumindest versteht.
Deshalb: Auf Druck von AfD, CDSU und einigen anderen Rechtsauslegern bis in die Linke hinein hat unsere Regierung gerade beschlossen, dass es okay ist, Menschen zu inhaftieren und ggf. in den fast sicheren Tod zu schicken, wenn halt ihre Haut nur dunkel oder ihr Deutsch nur schlecht genug sind! Das ist rassistische Politik und da erwarte ich von Frau Lang oder Frau Esken mal deutliche Worte, wenn es Scholz und Baerbock schon nicht hinbekommen!
"Obwohl die Bewegung vor allem mit zivilem Ungehorsam agiert, wird sie als terroristisch diffamiert und einer erheblichen Kriminalisierung ausgesetzt."
Der Begriff Klima-RAF wird vor allem in der taz verwendet. Führt man eine site bezogene Suche bei google von ["Klima-RAF" site:bild.de] vs. ["Klima-RAF" site:taz.de] durch, so findet sich der Begriff bei BLÖD 7. mal und bei der taz 90 mal.
Das Bild von der "terroristischen Diffamierung" hängt ziemlich schräg.
Bei aller begründeter Ablehnung einer AFD und bestimmter politischer Entscheidungen ist der Text dann doch wohle eher eine in Teilen etwas wirre und widersprüchliche Aneinanderreihung von Vorurteilen.
"Autoritäre Kippunkte" mit ner SPD/FDP/Grünen - Regierung? Kritik wird kriminalisiert? Schmerzgriff der Polizei als Folter? Wie kommt man auf sowas?
Der letzte Absatz verrät es: Wer "politische Begriffe neu imaginiert" verkennt das eigene Abdriften als Bewegung der anderen.
Nach den Vorkommnissen in der Nacht auf Samstag in Essen wird sich die im Artikel beschriebene Tendenz verstärken.
Über viele einzelne Befunde kann man natürlich streiten, meines Erachtens denkt der Beitrag aber ganz grundsätzlich in die falsche Richtung. Wir haben nicht zu viel "law and order" sondern zu wenig. Die AFD und alle rechten und neoliberalen Bewegungen dieser Art sind in Wirklichkeit einfach antisolidarische Bewegungen, die eine asoziale Freiheit postulieren. Diese sogenannte Freiheit richtet sich gegen Umweltschutz, gegen den Schutz von Schwachen, gegen Verzicht und im Ergebnis richtet sich dieses Denken eben gegen den Staat, gegen die vermeintliche Diktatur. Denn der Staat ist in Wirklichkeit die Lösung für unsere Probleme und das wissen die Braunen und Gelben auch ganz genau. Der Staat ist das einzig denkbare Instrument Solidarität zu erzwingen, daran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Staat auch oft das Instrument der Repression gegen linke und grüne Bewegungen ist. Grundsätzliche linke Staatsfeindlichkeit ist aber ganz falsch.
@STRAY
Weil dieser Zirkus mittlerweile international geworden ist.
Schauen Sie doch, wo sich Steve Bannon so alles herumtreibt [1]. Meinen Sie, der will nur Urlaub in der Toskana machen? Was für eine Regierung hat Italien heute?
Das ist natürlich nur ein Beispiel unter vielen. Die Mercer-Familie ist US-amerikanisch, Cambridge Analytica britisch. Von Storch pilgert zu Bolsonaro, Andi Scheuer zu DeSantis. Und so weiter.
Das ganze "national" oder auch nur "europäisch" zu betrachten ist Kurzsicht in Reinform.
"...werden gesellschaftliche Konflikte von rechts bewusst forciert."
Wofür ihnen Möchtegern-Linke und -Klimaschützer auch reichlich geeignete Vorlagen liefern. So sehr ich das Erstarken der AfD bedauere - wundern tut es mich nicht.
Es werden durch den Text leider keine Vorschläge für eine praktische Umsetzung gemacht, wie Kipppunkte nicht überschritten werden könnten. Ich denke gute Vorschläge werden unangenehm sein, müssen aber kommen und vor allem umgesetzt werden,
Ich sehe da v.a. eine Gruppendynamik, die die rechten Agitatoren wie Tichys Einblick und Kettner-Edelmetalle in eine Gruppenstimmung zu bringen scheint mit "dem Volk", das nach "Härte" verlangt.
Ich sehe diese Ereignisse bzw. Angriffe der letzten Monate auch in einer Linie - das "passt zusammen."
Aber es kann auch sein, dass sich die Gruppendynamik wieder dreht und neu zusammensetzt.
Es hängt alles von der eigenen Initiative und Gegenwehr ab, und wie sich die Oppositionen formulieren - eben nicht als Freunde der Stasi,KGB,RAF, sondern neu und hartnäckig und nicht als Anhängsel von Grünen-Partei-Inszenierungen oder Tiktok-Flicker, sondern im Zusammenkommen aus allen Teilen der Welt. Nicht entweder osteuropäisch oder zapatistisch. bin also pro-israelisch-pro-iranisch.
eigenes Plenum statt Promis.
Warum muss man eigentlich immer diese unsinnige Parallele mit den USA bei diesem Thema ziehen?
Ja, hier wie dort ist zunehmender Rassismus und ein Schwenk ins Autoritäre ein Problem, aber die Gesellschaften unterscheiden sich teilweise dennoch stark. Ein Teil des Problems, warum die Linke hier kaum noch die Menschen erreicht, liegt meiner Meinung nach eben auch darin, dass ständig Begriffe und Diskurselemente aus den USA (die dort völlig zutreffend sind) unreflektiert übernommen und dann in den hiesigen Diskurs gezwängt werden. Dass z.B. mit dem Begriff POC keine Osteuropäer abgedeckt werden, diese in Deutschland aber definitiv auch zu den Diskriminierten gehören, geht in solchen Analogien einfach unter.
Abgesehen davon, dass im US-Diskurs gerne auch mal in guter antikommunistischer Tradition die wirtschaftssoziale Komponente und die diskriminierenden Elemente des kapitalistischen Systems ausgeklammert werden - solcherart Kritik ist dort selbst vielen "liberals" nicht ganz geheuer.
@80410 (Profil gelöscht) Die Schwäche der politischen Linken erklärt sich wesentlich aus einer analytischen Kritik an Begriffen wie POC? Und das obwohl im linken Diskurs bereits seit Jahrzehnten auch Konzepte wie Intersektionalität fest etabliert sind, die eben genau dazu gemacht sind unterschiedlichste Formen von Diskriminierung zu erfassen?
@80410 (Profil gelöscht) Was sich aber nicht unterscheidet, ist die Zersetzungsstrategie eines Trump oder De Santis einerseits, und eines Merz, Söder oder Höcke andererseits.
Vor 100 Jahren machte sich der Faschismus auch in jederlei System und Gesellschaft breit.
@80410 (Profil gelöscht) USA; Kapitalismus, Diskriminierung ist ja alles auch relevant. Aber.
Die DDR hatte ein autoritäres System und das ist nach der "Wende" nicht verschwunden. Die Mitarbeiter mit ihren „Kompetenzen“ wurden oft übernommen.
Leute wie Seehofer, Herrmann oder Beuth haben sicher gerne so manche Erfahrungen aus den Unterdrückungselementen des real existierenden Sozialismus übernommen.
Wäre vielleicht ein schönes Thema für eine soziologische Doktorarbeit.
Guter Text. Nur -- woher kommt gerade dieser weltweite Siegeszug des Autoritären?
Wird das vom wohlhabenderen Perzentils (direkt oder indirekt) befeuert, weil sie am Ende des Wachstums ihren Anteil trotzdem weiterwachsen sehen wollen?
Ist das ein Ergebnis der wiedererwachten neoliberalen Austerität? Thatcher, Clinton, Schröder und Macron gebären Johnson, Trump, Höcke und Le Pen (oder gar Zemmour)?
Und vor allem: was können wir gegen diesen Mist machen?
Monbiot hat hier [1] eine eindrückliche Analyse dieses fatalen autoritär-faschistischen Perpetuum Mobile.
Nicht vergessen:
Kapitalismus entstand in Zeiten des Absolutismus. Hier bitte selbständig weiterdenken.
@Theseus Kapitalismus ist libertär betreute Wirtschaftsautokratie.
Es reicht nicht aus, mit dem kannibalistischen Wirtschaftssystem einfach weiterzumachen und zu hoffen, dass es irgendwie gut ausgehen wird. Wir muessen den autoritaeren Vorstellungen einer Wiederherstellung der angeblich guten Vergangenheit klare emanzipatorische Alternativen gegenueberstellen. Wir benoetigen eine direkte und partizipatorische Demokratie anstatt einer repraesentativen Demokratie mit BerufspolitikerInnen, die oft nur den Finanzeliten dienen. Wir benoetigen eine Doughnut- und Gemeinwohloekonomie anstatt einer Wirtschaft, die nur am parasitaeren privaten Profit orientiert ist.
@Reinhard Huss Naja, auch die repräsentative Demokratie wäre noch rettbar.
Voraussetzung ist aber, dass die, die diesen Planeten abfackeln und Hunderte Millionen Menschen ums Leben bringen wollen, zumindest das passive Wahlrecht, wenn nicht sogar einen Großteil ihrer Bürgerrechte entzogen kriegen - wie es im Übrigen das geltende deutsche Recht ohnehin vorsieht für jeden, der der Planung eines Massenmord überführt wurde.
Das ist demokratietheoretisch sehr gut zu begründen, abere eben nur in einer *repräsentativen* Demokratie: Demokrat*innen von Menschheitsvernichtern "repräsentieren" zu lassen, ist per Definition antidemokratisch. Sonst wäre auch der NS-Staat (zumindest anfangs) auch eine Demokratie gewesen - die Verfassung von 1919 wurde (in der BRD) erst am 23.5.1948 ungültig[*] -, und die Nürnberger Gesetze (und alles was danach kam) eine demokratisch legitimierte Politik.
[*] Ganz formaljuristisch besteht die Weimarer Verfassung *bis heute* weiter, aber das ist natürlich Millimeterfickerei, denn ein Staat kann nur 1 Verfassung oder verfassungsähnliche Rechtsnorm gleichzeitig haben. Insofern wurde die Verfassung von 1919 zwar nie formell aufgehoben, sondern schlicht und einfach obsolet - ein Leergesetz, das zwar nominell weiterhin gültig war, aber nicht anwendbar, da das BRD-Grundgesetz (bzw die DDR-Verfassung) Vorrang hatten.
Die linken Parteien können ihre Versprechen nicht einhalten. Grüne bedienen die Befindlichkeiten und Interessen von Gutverdienenden, die SPD hat sich von wirtschaftsnahen Einflüsterern vereinnahmen lassen.
Das bleibt viel Platz für rechtes Gedankengut.
Ein wichtiger Beitrag zu den heutigen Chancen sowie Risiken, die fatal an den Verfassungsjuristen Carl Schmitt erinnern.
Danke - anschließe mich
Man findet im DLF und DLF Kultur zwei nachlesbare Beiträge zu Carl Schmitt, einem Verfassungsjuristen, die zeigen, was sich da tat und tut (?)
Die Rechte macht klimafeindliche Politik, heizt damit Flüchtlingsströme an, und hetzt dann gegen die Flüchtlinge.
Grüne und SPD tragen dazu bei diesen faschistischen Erdrutsch zu normalisieren.
Das Lügen der CDU und FDP um Wachstum und Macht finde ich auch grausig. Aber was ist nachdem kipppunkt nicht mehr unumkehrbar?
@A.S. Man kann Anti-Demokraten demokratisch an die Macht befördern, ob man sie von dort auch auf demokratischem Wege wieder entfernen kann ist dann allerdings nicht mehr so sicher und zwar auch in vermeintlich gefestigten Demokratien. Der 'Sturm auf das Kapitol' etwa hätte durchaus auch ein anderes Ende nehmen können und auch das Ende der Weimarer Republik kann man als das Resultat solcher anit-demokratischer Kipppunkte begreifen.
@Ingo Bernable Joah, das ist wohl leider so.
Demokratie erfordert von allen Beteiligten die Einhaltung eines Verhaltenskonmsens, den Figuren wie Merz, Söder oder Lindner nunmehr permanent brechen.
Innerlich haben sich die Rechtsparteien längst von der Demokratie verabschiedet. Denen geht es nur noch um Projekt Machtergreifung, und wie schon vor 90 Jahren sehen sie in den Faschisten ihre Brechstange: würden sie es nicht tun, würden sie nicht tiefbraune Rhetorik 1:1 kopieren.
Danke für diesen aufrüttelnden und gleichsam motivierenden Artikel. Thematisiert und kritisiert werden insbesondere Maßnahmen gegen gesellschaftliche Initiativen, welche dem linkspolitischen Spektrum zugeordnet werden. Das ist gut und richtig. Insbesondere die Diffamierung von Aktionen der Letzten Generation sehe ich persönlich mit Sorge. Zu oft habe ich in den letzten Tagen und Wochen aus dem Mund gebildeter Menschen gehört, die Aktivisten seien zu überfahren, kleben bleiben zu lassen oder mit Urin bedacht zu werden. Keine dieser Aussagen wurde mit konkreter Absicht zur Tat geäußert. Aber eine solche Verrohung der Sprache im bürgerlichen Spektrum hat mich schon in den Diskussionen zum Hambacher Forst erschrocken. Gleichzeitig ist auch das linke Spektrum vielseitig. Auch dort gibt es durchaus autoritäre Tendenzen und Diskurse, welche ich mit Skepsis betrachte. Die aus dem konservativen Spektrum geäußerten diesbezüglichen Sorgen sind meines Erachtens nicht einfach als Pauschalangriff auf eine freie und demokratische Gesellschaft von der Hand zu weisen. Was es meines Erachtens braucht ist eine gesellschaftliche Reaktion aus der linken und konservativen Mitte der Gesellschaft. Eine gemeinsame Initiative der Bürgerinnen und Bürger, die auch in Zukunft in einer liberalen Gesellschaft leben und dafür eintreten wollen. Einer Gesellschaft, in der Meinungsäußerungen als solche verstanden und respektiert werden, und als Einladung zu einem gegebenenfalls kontroversen aber stets respektvollen und demokratischen Diskurs genutzt werden können. Diesbezüglich lag und liegt meine Hoffnung bei den aktuellen Regierungsparteien, deren politische Vielfalt hierfür eigentlich prädestiniert wäre.
@LiberaleMitte Die aktuellen Regierungsparteien haben eben gerade erst den europäischen Beschluss zu Internierungslagern für Geflüchtete an den Außengrenzen mitgetragen und beteiligen sich damit dann doch selbst recht aktiv an der Schleifung von Grund- und Menschenrechten.
@LiberaleMitte Ihnen ist aber schon bewusst,das gerade die Regierungsparteien der Vergangenheit und Gegenwart in Bund und Ländern es sind,die diesen reaktionären Autoritarismus forcieren. Sei es in der Rethorik oder in der Gesetzgebung ( Polizeigesetze als Beispiel)
Hier auf Regierungsparteien zu hoffen ist den Bock zum Gärtner zu machen.
Ein Kommentar der gekürzt und zusammengefasst das wiederspiegelt was auf indimedia auch zu lesen ist. Gut so
Doch allein mir fehlt der Glaube an ernsthaften Interesse seitens einer kaum noch wahrzunehmenden Linken Bewegung.
Dafür ist der Glauben in das Parlament und die Macht der Veränderung durch Wahlen zu groß.
Die außerparlamentarische Opposition zu verpönt.
@fmraaynk Zeigen Sie mir doch eine erfolgreiche Demokratie mit guter Wirtschaft und einer Linken Politik.
@Stoffel So ziemlich ganz Skandinavien während des Kalten Kriegs.
@Stoffel Zeigen Sie mir doch eine Demokratie,die im In und Ausland nicht für viele den Tod bedeutet.
Wegen der angeblichen Demokratie,die es zulässt das Obdachlose in Deutschland erfrieren,Städte ihre Möblierung so gestalten dass die Obdachlosen keinen Platz mehr finden. So gesehen doppelt abgeschoben.
Na wo ist die humane demokratische Regierung?
@fmraaynk Schlimmer :
"Dafür ist der Glauben in das Parlament und die Macht der Veränderung durch Wahlen zu groß."
Dieser Glauben existiert nicht. Anstatt dessen regiert das große EGAL, das zusammen zusammen mit dem ICHICHICH koaliert.
Und genau das wird es vermutlich verunmöglichen, genügend Power gegen dieses rechte Gesocks, wo auch immer es sich verkriecht, anzusammeln.
Die CDU mit ihrem großen Vorsitzenden argumentiert faktisch konstant der AFD zugute. Dabei wäre doch die Klimakatastrophe die Raison für alle echten Demokraten, zusammen zu arbeiten. Die CDU als ehemalige Volkspartei verläßt in ihrem Wirken den Boden des Grundgesetzes. Man bedenke, daß die Wahlprozente dieser CDU, kombiniert mit den 20 der AFD aktuell mehr als 50 % der Wählerstimmen ausmachen. Ich meine, wenn sich die CDU darüber bewußt wäre, sollte sie eine ganz andere Politik machen ... und nicht noch der AFD argumentativ zuarbeiten.
Wenn sich die CDU nicht deutlich argumentativ und schwörend gegen eine solche Kombi verwahrt, gehen wir auch politisch ganz üblen Zeiten entgegen.
Zeiten, in denen es doch auf jeden Monat ankommt, gegen die Klimakatastrophe zu handeln.
Klimaleugner an der Macht ? Dann war es das.
@Zebulon Wie oft soll die CDU sich denn eigentlich noch von einer Zusammenarbeit mit der AFD distanzieren? Ich mag die auch nicht, aber irgendwo muss man auch mal einen Punkt machen und keine Kombi konstruieren, welche sich nicht ansatzweise abzeichnet.
Für eine Zusammenarbeit müsste erstmal eine 2/3 Mehrheit auf einem Parteitag das Verbot der Zusammenarbeit mit der AFD kippen, bevor irgendwas in der Richtung zu befürchten ist.
Man kann der CDU aber auch nicht vorwerfen, wenn die AFD die Positionen teilt.
Soll die CDU jetzt extra eine andere Position einnehmen, wenn eine ungeliebte Partei dies unterstützt?
Gefahr antidemokratischer Tendenzen: Am autoritären Kipppunkt
In Deutschland werden autoritäre Ereignisse mehr, politische Räume enger. „Law and Order“-Politik hat Konjunktur.
Leipzig, 2.6.2023: Polizeieinsatz am Abend vor der „Tag X“-Demonstration Foto: Moritz Schlenk/imago
Europa schottet sich mehr und mehr ab. In Deutschland brennen wieder Flüchtlingsunterkünfte und fast jede*r Fünfte gibt an, mit der AfD eine rechtsextreme Partei wählen zu wollen.
Genderpolitiken, Rassismuskritik und Grundrechte werden zunehmend in Frage gestellt und ausgehöhlt. Gleichzeitig beschleunigt sich die Klimakatastrophe. Statt konsequent zu handeln, werden gesellschaftliche Konflikte von rechts bewusst forciert. Stets geht es darum, europäische Privilegien, imperiale Lebensweisen und etablierte Machtstrukturen zu erhalten.
Wir machen uns Sorgen. Gesellschaftlich steht viel auf dem Spiel. Wir sehen Anzeichen dafür, dass in Deutschland die Situation immer mehr der ähnelt, die wir seit einiger Zeit zum Beispiel in Ungarn, den USA, Indien oder Italien beobachten können. Dass also autoritäre Kipppunkte überschritten werden.
In der Klimaforschung ist ein Kipppunkt ein Moment, an dem – laut Weltklimarat – „eine kritische Grenze“ erreicht wird, „jenseits derer sich ein System umorganisiert“, neue Prozesse sich verfestigen und negative Dynamiken sich beschleunigen.
Dies lässt sich auch auf gesellschaftliche Kipppunkte übertragen. Kipppunkte entstehen nicht zufällig, sie sind das Ergebnis länger zurückliegender destruktiver Prozesse. Doch im Gegensatz zum Klima sind gesellschaftliche Prozesse nie unumkehrbar. Allerdings sind etablierte Diskurse, Strukturen und Normen oft nicht rückgängig zu machen. Sind autoritäre Kipppunkte überschritten, wird der Boden brüchig, auf dem plurale und demokratische Gesellschaften stehen.
Autoritäre Beschleunigung
Die autoritären Ereignisse überschlagen sich in einer derart rasanten Geschwindigkeit, dass es kaum möglich ist, Schritt zu halten. Antidemokratische Tendenzen sind auf dem Vormarsch. Die AfD erreicht in Umfragen Spitzenwerte.
Die Europäische Union treibt, trotz scharfer wissenschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Kritik, die Abschottung an den Grenzen voran. Zuletzt hat die Ampelregierung auf europäischer Ebene den gravierendsten Asylrechtsverschärfungen der letzten 30 Jahre zugestimmt. Dabei ist bekannt, dass Menschen an den EU-Grenzen seit Jahren systematisch entrechtet und brutal zurückgewiesen werden. Wenn die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention offen in Frage gestellt werden, haben sich autoritäre Mechanismen gefährlich normalisiert.
Rassismus hat in Deutschland Tradition und tödliche Folgen. Jahrelang konnte der NSU ungehindert morden. Der Rechtsterror von Hanau mit neun Toten steht in dieser Kontinuität. Anders als zuvor wurde Rassismus 2020 klar geächtet, auch aus den Reihen der Bundesregierung. Dies war von kurzer Dauer und allenfalls symbolisch.
Untersuchungen zeigen, dass Opfer von Polizeigewalt kaum eine Chance haben, die Täter*innen strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Schwarze Menschen, Migrant*innen und People of Colour, besonders arme und geflüchtete Personen, sind einer mitunter tödlichen Polizeipraxis, wie zuletzt Mouhamed Dramé in Dortmund, ausgesetzt, die nur unzureichend aufgearbeitet wird. Der liberale Anti-Rassismus ‚von oben‘ befördert in Deutschland höchstens die Diversifizierung des Bestehenden.
Hochkonjunktur der „Law and Order“ – Politik
Im Umgang mit Protesten ist zu beobachten, dass die politischen Räume enger werden. So geschehen in Lützerath, bei der Räumung des Klimaprotestes. Verschärft tritt der autoritäre Umgang im Zuge des Vorgehens gegen die „Letzte Generation“ zutage. Obwohl die Bewegung vor allem mit zivilem Ungehorsam agiert, wird sie als terroristisch diffamiert und einer erheblichen Kriminalisierung ausgesetzt.
Auch die Reaktion des Staates in Leipzig Anfang Juni nach dem Urteil im sogenannten Antifa-Ost-Komplex hat eine neue Dimension erreicht: Der große Polizeikessel und die Versammlungsverbote sind ein Angriff auf die Demokratie.
„Law and Order“- Politik hat Hochkonjunktur. Dabei verliert der Staat das rechtsstaatliche Maß. Die in diesen Auseinandersetzungen zu beobachtende Polizeigewalt normalisiert sich. Ein Beispiel sind die selbstverständlicher angewandten Schmerzgriffe durch die Polizei, die in der Rechtswissenschaft zum Teil als Verstoß gegen das Folterverbot diskutiert werden.
Doch damit nicht genug: Die Zahl der „Einzelfälle“ rechter Netzwerke in Polizei und Bundeswehr ist kaum noch zu überblicken. Kritik an diesen Zuständen führt nicht zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Staatsapparaten und ihren Funktionen im neoliberalen und zunehmend autoritären Kapitalismus, sondern wird diszipliniert und kriminalisiert.
Rechtsaußen wird der Kulturkampf gegen feministische Errungenschaften und LGBTIQ+ geschürt. Und in der Opposition machen sich die Unionsparteien diese Rhetorik zu eigen. Während die extreme Rechte in vielen ostdeutschen Bundesländern faktisch an die Macht strebt und Grundrechte sowie der Schutz von Schwarzen Menschen, Migrant*innen und People of Colour, Jüdinnen und Juden sowie Linken real bedroht sind, wird von bürgerlicher Seite eine Cancel Culture und ein Wokeism als – in den Worten des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz’- „größte Bedrohung für die Meinungsfreiheit“ bezeichnet.
Statt der notwendigen klaren Kante gegen Rechts werden immer mehr Stimmen laut, die in Trump'scher Manier Linke und Grüne für das Erstarken der Rechten verantwortlich machen. SPD und Grüne bleiben blass und verständigen sich im Zweifel auf den weiteren Ausbau von „Law and Order“.
Bedrohliche Wechselwirkungen
Die Ereignisse sind für sich genommen beängstigend, aber nicht neu. Jedoch wächst unsere Sorge vor einem autoritären Kipppunkt. Denn diese Ereignisse beeinflussen und beschleunigen sich wechselseitig. Das Ganze findet zudem in einer Zeit allgemein erhöhter Unsicherheit statt.
Die ökologische Transformation sozial und demokratisch zu gestalten, ist eine enorme Herausforderung. Hinzu kommt der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Zusammen mit der vorhandenen Unzufriedenheit über politische Sprachlosigkeit, Armutsrisiken, Wohnungsnot oder mangelhafte soziale Infrastruktur ergibt sich ein explosives Gefüge.
Anstelle dies abzufangen, werden die Stimmungen – wie zuletzt bei der Demonstration in Erding gegen das Gebäudeenergiegesetz – durch politische Verantwortungsträger noch angefacht. Autoritäre Kipppunkte drohen, weil mit der AfD eine Partei in der Lage ist, diese Stimmungen bundespolitisch aufzufangen.
Alternativen sind vorhanden
Deutlich treten die Grenzen der neoliberalen Politik und des liberalen Humanismus der vergangenen Jahrzehnte zutage, die keineswegs Antworten auf die soziale Frage, die Klimakatastrophe und globale Fluchtbewegungen liefern. So werden zunehmend im demokratischen Spektrum autoritäre Mechanismen übernommen. Die Rechte wird jedoch nur dann zurückgedrängt, wenn ihre Diskurse geächtet, ihre Ideologie ausgeschlossen und ihre Räume verengt werden. Sie nachzuahmen, ihren Forderungen nachzukommen, stärkt sie, macht ihre Erklärungen plausibel.
Wir sehen Auswege. Wir erkennen im gesamten demokratischen Spektrum Stimmen, die bereit sind, diesen Entwicklungen entgegenzutreten. Wir beobachten soziale Bewegungen, Initiativen und zivilgesellschaftliches Engagement, das in der Lage ist, Alternativen anzubieten, Menschen solidarisch zusammenzubringen, Visionen zu entwickeln.
Beispielhaft ist die Europäische Bewegung der Plätze sowie die Klimabewegung, die mit ihren Besetzungen auch Orte der Debatte erschaffen hat. Die Organisierung von Migrant*innen und Geflüchteten gegen Grenzregime und Lager, für Legalisierung und Arbeitsrechte sowie Initiativen von Betroffenen der rechten Gewalt und Polizeigewalt. Aber auch queer-feministische Gruppen gegen sexualisierte Gewalt und für eine radikale Gesundheitsreform sowie alltagsorientierte zivilgesellschaftliche Bündnisse gegen Rechts in Ostdeutschland.
Diese Bewegungen imaginieren politische Begriffe neu, wie Bürger*innenschaft, Zugehörigkeit, soziale Wohlfahrt und Demokratie. Diese gesellschaftlichen Strömungen müssen in der Öffentlichkeit viel mehr gehört werden und brauchen Unterstützung. Denn das Risiko, dass autoritäre Kipppunkte überschritten werden, ist aktuell real gegeben – verhindert wird es in gemeinsamen Anstrengungen.
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Daniel Mullis
Daniel Mullis ist Humangeograf und arbeitet am Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK).
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Maximilian Pichl
Maximilian Pichl ist Rechts- und Politikwissenschaftler und arbeitet an der Universität Kassel.
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Vanessa E. Thompson
Vanessa E. Thompson ist Soziologin und Assistant Professor in Black Studies an der Queen’s University in Kanada.
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