Rechtsruck nach den Landtagswahlen: Wie man die AfD groß macht
In Bayern und Hessen wurde gewählt – mit deutlichem Trend nach rechts. Das Ergebnis sollte Anlass sein, in der Asyldebatte verbal abzurüsten.
D er Rechtsruck ist unübersehbar. Auch wenn die bisherigen Regierungskoalitionen in Hessen und Bayern bestätigt wurden, haben sich die politischen Gewichte doch verschoben. Die Ampelparteien verloren deutlich an Stimmen, die Linkspartei fliegt in Hessen nach 15 Jahren aus dem Parlament. Deutlich zugelegt haben in Hessen und Bayern nur die Unionsparteien, die AfD und die Freien Wähler. Die AfD ist in Hessen jetzt zweitstärkste und in Bayern, nach den Freien Wählern, die drittstärkste Kraft. Ihre Erfolge lassen sich nicht mehr als ein Ostphänomen abtun, das mit regionalen Besonderheiten zu erklären wäre.
Corona, Inflation, die Energiepolitik – die Gründe für den Erfolg der AfD sind vielfältig. Besonders genutzt hat ihr die aufgeheizte Asyldebatte, das ist nun einmal eine Domäne der Rechtspopulisten. Weil Union und FDP, viele Medien und zuletzt auch die SPD und Bundespräsident Steinmeier den Eindruck erweckten, die Aufnahme von Flüchtlingen sei derzeit das größte Problem und die Bundesrepublik stehe kurz vor dem Kollaps, leisteten sie unfreiwillige Wahlkampfhilfe für die AfD. Der Alarmismus und der Überbietungswettbewerb der etablierten Parteien, die in den vergangenen Wochen ständig neue Verschärfungen aus dem Hut zauberten, hat den Rechtspopulisten Auftrieb gegeben.
Die AfD konnte sich entspannt zurücklehnen und zusehen, wie andere ihr Geschäft mit der Panikmache betrieben. Die aktuell diskutierten Ideen – mehr Grenzschutz und mehr Abschiebungen, Sachleistungen und Ausweitung der Liste angeblich „sicherer Herkunftsstaaten“ – stehen alle in ihrem Wahlprogramm. Nur in der letzten Woche vor den Wahlen machte die AfD kurz auf sich aufmerksam, indem sie sich mit Klagen über angebliche Übergriffe in eine Opferrolle warf.
Man stelle sich vor, die anderen Parteien hätten mit der gleichen Inbrunst die Klimakrise zum Hauptproblem erklärt und sich mit Vorschlägen überboten, wie der zunehmenden Erderwärmung begegnet werden kann – wahrscheinlich hätten die Grünen davon profitiert. Da sich die Debatte aber nur darum dreht, wie sich die Aufnahme von Geflüchteten begrenzen lässt, und nicht darum, wie man ihnen am besten helfen kann, sind die Grünen in der Defensive. Auch die Linke konnte, obwohl sie in humanitären Fragen noch die reine Lehre vertritt, nicht davon profitieren, dass die Grünen immer mehr Konzessionen auf Kosten der Menschenrechte machen mussten.
Es liegt ja nicht an ihren politischen Leistungen, dass die AfD nun auch im Westen so gut abgeschnitten hat: Ihr Personal ist blass, in Bayern wird sie vom Verfassungsschutz beobachtet, in Hessen zerlegte sich die Landtagsfraktion fast an internen Querelen. Doch den Wählern:innen war das egal. Dass die Freien Wähler in Bayern ein Rekordergebnis erzielten, ist ebenfalls eine Zäsur. Den Skandal um ein rechtsextremes Flugblatt wusste ihr Vorsitzender Hubert Aiwanger für sich zu wenden, indem er sich als verfolgte Unschuld gerierte. Es ist dies übrigens das erste Mal in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik, dass Antisemitismusvorwürfe einem Politiker nicht geschadet, sondern sogar genutzt haben. Das liegt auch am Versagen der konservativen politischen und medialen Meinungsführer in diesem Land. Hätten Merz und Söder, FAZ und Bild anders reagiert, wäre Aiwanger damit nicht durchgekommen.
Für die FDP hat es sich nicht ausgezahlt, sich in Migrationsfragen als „AfD light“ anzudienen. Mit Mühe hat sie es in Hessen wieder gerade so in den Landtag geschafft. Aber auch Markus Söder ist mit seinem Populismus nicht so weit gekommen, wie er gehofft hatte, denn Aiwanger und die AfD konnte er damit nicht übertrumpfen. Das sollte alle zum Umdenken bewegen und dazu, in der Asyldebatte verbal abzurüsten. Doch wird das passieren? Vermutlich nicht. Denn zumindest für Friedrich Merz und die Union ist die Rechnung aufgegangen: Der politische Gegner links der Mitte ist dezimiert, an der Union führt kein Weg vorbei. Den gesellschaftlichen Schaden nimmt er in Kauf.
Die Ampelparteien wären gut beraten, sich auf einen gemeinsamen Kurs zu einigen, wie sie es einst in ihrem Koalitionsvertrag getan haben. Würde der Finanzminister von seinem Fetisch, der Schuldenbremse, ablassen, wäre Städten und Kommunen sehr geholfen, denn die fordern schon seit Monaten mehr Geld. Sinnvoll wäre es auch, dafür zu sorgen, dass mehr Flüchtlinge schneller in Arbeit kommen. Hilfreich wäre es aber auch, auf Schlagworte wie „Migrationskrise“, „illegale Migration“ und „Belastungsgrenze“ zu verzichten, um nicht ständig den Eindruck der eigenen Überforderung zu vermitteln.
Doch wird die Union der Versuchung widerstehen, die geschwächte Konkurrenz mit dem Flüchtlingsthema weiter vor sich herzutreiben? Wohl kaum, denn Merz kann sich bestätigt fühlen: Das Ampelbündnis ist geschwächt und wird, wenn die Stimmung im Land so bleibt, wie sie ist, auch im Bund bei den nächsten Wahlen keine Mehrheit mehr haben. In dieser Situation könnten sich vor allem SPD und FDP bereit zeigen, dem Druck der Union nachzugeben und sich auf einen neuen, nationalen Schulterschluss in der Asylpolitik einzulassen.
Signale in diese Richtung häuften sich zuletzt. Politiker der Union drängen seit Wochen den Kanzler dazu, seinen „Deutschlandpakt“ mit Bund, Ländern und der Union um das Thema „Migration“ zu erweitern, wenn nicht sogar darauf zu konzentrieren. Bundespräsident Frank-walter Steinmeier und Christian Lindner äußerten sich in den vergangenen Tagen zudem verdächtig positiv zum „Asylkompromiss“ von vor dreißig Jahren: 1993 einigten sich Union und FDP mit der damals oppositionellen SPD darauf, das Asylrecht drastisch einzuschränken. Heute liegt wieder ein ähnlicher Deal in der Luft.
Für Flüchtlinge ist das keine gute Nachricht.
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