piwik no script img

Nan Goldin in Neuer NationalgalerieClaudia Roth entsetzt über Proteste

Zur Eröffnung einer Retrospektive der Fotografin Nan Goldin gab es propalästinensische Sprechchöre. Der Direktor der Neuen Nationalgalerie, Klaus Biesenbach, wurde niedergebrüllt.

Nan Goldin spricht auf der Ausstellungseröffnung „Nan Goldin. This Will Not End Well“ Foto: Fabian Sommer/dpa

Berlin dpa | Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat die propalästinensischen Proteste bei der Eröffnung der Nan-Goldin-Ausstellung in Berlin verurteilt. „Ich bin entsetzt, wie der Direktor der Neuen Nationalgalerie niedergebrüllt wurde“, erklärte die Grünen-Politikerin. „So ein Verhalten ist absolut inakzeptabel und es ist ein Angriff auf das Museum und die kulturelle Arbeit, den ich auf das Schärfste verurteile.“

Die 71-jährige US-Amerikanerin Nan Goldin zählt zu den renommiertesten Künstlerinnen der zeitgenössischen Fotografie. Die Künstlerin hatte bei der Eröffnung einer Retrospektive ihrer Fotos in der Neuen Nationalgalerie eine Rede gehalten, in der sie das Vorgehen Israels im Gaza-Krieg scharf kritisierte, ebenso wie Deutschlands vermeintliche Haltung in dem Konflikt. Aktivisten forderten in Sprechchören unter anderem die „Freiheit Palästinas“ und übertönten eine Gegenrede von Museumsdirektor Klaus Biesenbach. Als sich die Lage beruhigt hatte, las er die Rede noch einmal vor.

Kulturstaatsministerin Roth nannte es richtig, dass die Neue Nationalgalerie und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz Goldins Äußerungen widersprochen hätten. Auch sie lehne „die unerträglich einseitigen Ansichten der politischen Aktivistin auch zu Israel ab“, betonte die Grünen-Politikerin. Die Ausstellungsmacher seien mit der schwierigen Situation verantwortlich umgegangen.

Auch das für Sonntag geplante begleitende Symposium sei richtig, ergänzte Roth. Boykottaufrufe gegen diese Veranstaltung lehne sie ab. „Hier rufe ich sehr deutlich dazu auf, dass dieses Symposium nun als offene und zivilisierte Debatte stattfinden und den dafür nötigen Raum haben kann.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Die Fähigkeit, auch diametral entgegengesetzte Standpunkte auszutauschen und zivilisiert zu streiten, scheint immer mehr Leuten abhanden zu kommen. Auch die Künstlerin hat sich mit ihrer Absage an das für Sonntag geplante Symposion disqualifiziert.

    Zu loben ist der Mut der Nationalgalerie und ihres Leiters Klaus Biesenbach, sich der Logik der maximalen Verweigerung zu verweigern und das Symposion trotz aller Widerstände stattfinden zu lassen, auch wenn zu fürchten ist, dass die Pro-Palästina-Fraktion versuchen wird, die Veranstaltung zu sprengen.

  • Das wirklich Relevante an der ganzen Veranstaltung war der Inhalt von Nan Goldins Rede. Das Getöse rundherum war ärgerlich, lenkt aber nur von den kritischen Aussagen Goldins ab.

  • Gibt es denn auch bei Pro-Israel-Reden jedesmal eine Gegenrede Pro-Palästina? Wenn nicht, war auch das hier nicht notwendig.

    • @Mouse:

      Es gibt bei Pro-Israel-Reden üblicherweise keine Sprechchöre, die die Vernichtung Gazas fordern. Schon deswegen ist das ein irreführender Vergleich.

      Juden sind heute in Deutschland wieder gefährdet. Der Judenhass wird durch Reden befeuert, die sich als Israelkritik tarnen, aber die Reflektion und Anpassung vermissen lassen, die nötig wäre, um dieses Befeuern zu verhindern.

  • Ist schon interessant. Bei der Ausstellungseröffnung wird die Rede des Gastgebers niedergebrüllt, während Frau Goldin in ihrer Rede von der Unterdrückung der Palästinenser in Berlin sprach ... Man sollte Frau Goldin daraufhinweisen, dass es in Berlin für Juden gefährlich ist, als Juden erkannt zu werden. Zur Erinnerung: Zusammengeschlagener Rabbi in der Schöneberger Beckerstraße 2016, zusammengeschlagener Mann mit Kippa auf dem Schöneberger Dürerplatz 2021, diverse Angriffe in 2024.

    • @Gesunder Menschenverstand:

      Jüdisch sein, ist und war in Deutschland noch nie sicher auch vor 2016 nicht, das ist unbestritten und gleichzeitig gibt es eine Enthumanisierung palästinensischer Menschen, das sind Gleichzeitigen, die man aushalten können sollte. Es ist für liberale jüdische Menschen kaum möglich ihre Meinung zu äußern, ohne von der Deutschungshoheit unterstellt zu bekommen, antisemitisch zu sein. Was eine unglaubliche Anmaßung ist, wenn man bedenkt, welches Leid durch die Vorfahren eben jener verursacht wurde, die sich heute als "Schüzter*innen" jüdischen Lebens aufspielen, dabei geht es wohl häufiger um deutsche Zwangsneurosen und antiiarabischen Rassismus als um den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland.

    • @Gesunder Menschenverstand:

      Nan Goldin hat eine Rede gehalten. Klaus Biesenbach niedergebrüllt haben andere. Sie ist selbst Jüdin.

  • Auch der Protest, hier gegen eine Gegenrede, ist eine Äußerung. Wer meint, dies wäre nicht hinzunehmen, soll doch die "Gegenrede" vor auserwählten Publikum halten, dann gibt's vielleicht keinen Protest. Ansonsten gilt: Demokraten halten das aus.

    • @Mouse:

      Menschen, die sich gegen ihnen nicht genehme Meinungen nur noch durch Niederbrüllen und nicht mehr durch Argumente zu wehren wissen, würde ich demokratisches Bewusstsein glatt absprechen.



      Überdies ist es unhöflich.