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Enttäuschung über Claudia RothKultur und Antisemitismuskritik

Nach dem Eklat bei ihrer Rede in Frankfurt ist Kulturstaatsministerin Roth abgetaucht. Nicht nur junge Jüdinnen und Juden warten auf Antworten.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth am 18. Mai in der Frankfurter Paulskirche Foto: Sebastian Gollnow/dpa

D iese Woche wurde im Jüdischen Museum in Berlin an den Rabbiner Leo Baeck erinnert. Eigentlich haben dort aber alle nur auf Kulturstaatsministerin Claudia Roth gewartet. Die hatte sich an diesem Abend für ein Grußwort angemeldet, das sie letztlich absagte – aus gesundheitlichen Gründen. Nach ihrer Rede beim „Jewrovision Song Contest“ in Frankfurt, bei der sie von jüdischen Jugendlichen ausgebuht wurde, war das irgendwie auch erwartbar. Gespannt warte ich seitdem darauf, dass Claudia Roth wieder auftaucht. Was wird sie als nächstes tun? Was sagen? Wird sie so tun als sei nichts passiert – oder sich nochmals äußern?

Roths Verteidiger fanden die Buhrufe der Jugendlichen in Frankfurt unangebracht, emotional. Grünenpolitiker Jürgen Trittin sah in der Kritik gar einen „inszenierten Eklat“ gegen Claudia Roth. Als wären junge Jüdinnen und Juden nicht selbstständig denkende Menschen, die sehr genau ihre Umwelt wahrnehmen und auf diese reagieren. Diese Buhrufe haben ihren Ursprung. Sie sind Ausdruck einer tiefsitzenden Unzufriedenheit und Enttäuschung.

Fast genau ein Jahr ist die documenta fifteen in Kassel und das große Trauerspiel dieser Kunstausstellung her. Es waren Wochen, die mit Schutzbehauptungen, haltlosen Erklärungen und Naivität gefüllt wurden, gepaart mit dem peinlichen Verhalten der documenta-Verantwortlichen und Politiker:innen, die die kritische Öffentlichkeit vorgeführt haben – diese Wochen haben Spuren hinterlassen, die noch lange nicht aufgearbeitet sind.

Nur mal zur Erinnerung: Mit welcher Naivität sich bei der documenta herausgeredet wurde (bis heute!), zeigt sich wunderbar an dem Argument, man nehme den Antisemitismus ja deshalb so ernst, weil Deutschland diese besondere Vergangenheit habe. Ich möchte da jedes Mal nur genervt mit den Augen rollen. Ja, Auschwitz war eine deutsche Erfindung, aber der Antisemitismus nicht. Egal wo er auftritt, ob in Deutschland oder Indonesien: Antisemitismus ist immer menschenverachtend.

Konsequenzen für wen?

Eine Kulturpolizei wolle sie nicht sein, sagte Roth im letzten Jahr, als über Antisemitismus auf der documenta diskutiert wurde. Antisemitische Bildsprache wollte sie anfangs nicht sehen, später dann doch und noch viel später forderte sie erst Konsequenzen. Schon damals habe ich mich gefragt: Für wen eigentlich? Für sich selbst?

Nach den Erfahrungen auf der documenta kam Roth erst Anfang dieses Jahres (!!) dazu, Antisemitismus in den ausgestellten Werken als „wirklich bedauerlich“ zu bezeichnen. Wirklich bedauerlich ist, dass ich wegen einer Mandelentzündung nicht auf ein lange ersehntes Konzert gehen kann. Agitprop, die mit Karikaturen von Juden im Stürmer-Stil auskommt, ist hingegen hetzend, ekelhaft.

Roth nahm sich für dieses Jahr vor, folgende Fragen zu klären: Was heißt eigentlich Kunstfreiheit? Wo sind die Grenzen? Es ist doch ganz einfach: Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit stehen unter dem Vorbehalt, die Würde des Menschen ist unantastbar. Judenhass ist Menschenhass. Reicht das, Frau Roth?

Kunst und Kultur sind längst zum Austragungsort von Antisemitismusdebatten geworden. Wenn sich unter dem Vorwand der „Weltoffenheit“ führende deutsche Kulturstätten und ihre Anhänger gegen den Bundestagsbeschluss zur antisemitischen BDS-Kampagne wenden und suggerieren, es werde ein kritischer Dialog ausgegrenzt, dann führt das doch eher umgekehrt dazu, dass antisemitismuskritische und jüdische Künst­le­r:in­nen und Kulturschaffende ausgegrenzt werden.

Nach den Ereignissen der documenta fifteen steht auch der Staat, als größter Förderer von Kultur in Deutschland, in der Verantwortung, Vertrauen zurückzugewinnen und sich klar zu positionieren. Alle Augen sind auf Claudia Roth gerichtet.

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Erica Zingher
Autorin und Kolumnistin
Beschäftigt sich mit Antisemitismus, jüdischem Leben, postsowjetischer Migration sowie Osteuropa und Israel. Kolumnistin der "Grauzone" bei tazzwei. Beobachtet antidemokratische Bewegungen beim Verein democ. Axel-Springer-Preis für jungen Journalismus 2021, Kategorie Silber. Freie Podcasterin und Moderatorin.
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37 Kommentare

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  • Skatelefants , Moderator

    Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

  • "Roths Verteidiger fanden die Buhrufe der Jugendlichen in Frankfurt unangebracht, emotional. Grünenpolitiker Jürgen Trittin ..."

    Warum werden die jüdischen Prominenten aus DE, die sich hinter Frau Roth stellen nicht genannt? Darunter finden sich "Zu den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern des Offenen Briefes gehören zum Beispiel Daniel Barenboim, Micha Brumlik, Igor Levit, Meron Mendel, Eva Menasse, Jerzy Montag, Michael Naumann, Susan Neiman, Julius Schoeps, Ofer Waldman und Moshe Zimmermann." ( www.br.de/nachrich...audia-roth,TfNF9vF ) Sind deren Positionen nicht relevant?

    Liegt deren offener Brief ""Nicht in unserem Namen" der taz nicht vor?

  • Warum schätzen die Leute Kunst? Richtig, erstmal deshalb, weil sie meist alt ist und deshalb nicht mehr weh tut. Zweitens weil sie scheinbar so unschuldig ist, schwebend sozusagen, eine scheinbare Einladung zur Weltflucht und Spielwiese des Mäzenatentums. Drittens kann man die aber auch so hervorragend banalisieren, auf einfache Aussagen reduzieren oder mindestens bis zur völligen Leblosigkeit durchinterpretieren und man kann ohne Ende darüber labern, was Kunst eigentlich darf oder gar muss. Das Geschwafel von der Freiheit der Kunst ist aber ebenso unerträglich und dumm wie die Forderungen nach Richtigkeit und Relevanz. Kunst ist auch gar nicht frei, sondern eine Notwendigkeit, sich selbst fordernd, die ganze Politisierung erzeugt nur substanzlosen Schrott. Kunst ist nur sich selbst verpflichtet und darf ansonsten auch verantwortungslos sein, das kann man Freiheit nennen oder sonstwie, das muss man jedenfalls weder angreifen noch verteidigen. Aber sich von politisierter Pseudo- Kunst verarschen zu lassen, wie im Fall "Documenta", das muss man auch nicht. Und auch als Kulturstaatssekretärin muss man erstmal für die Menschen einstehen und dann erst für die Kunst. Der ganze Job ist ein Irrtum. Die ganze Dummheit, Arroganz und Verwirrtheit in dieser Kulturwelt wurde gerade erst ja wieder offenbar, als man nach endlich erfolgter Rückgabe der Benin- Bronzen, dann doch noch nachträglich darüber bestimmen wollte, was mit ihnen geschieht. Was für eine Anmaßung! Da ist mir das Beschütten von Gemälden mit Erbsensuppe doch deutlich sympathischer, da kommen alte und neue Wirklichkeit wenigstens mal zusammen.

  • Kultureller Boykott eines Landes ist das Gegenteil von Weltoffenheit.



    Es ging bei der documenta um 5 Exponate und nicht um eines. Eine Ausstellende Hito Steyerl hatte ihre Sachen abgebaut, alle anderen nicht.



    Ist das also so, dass die nächste "Documenta" sixteen von Carlos Latuff kuratiert wird, in Teheran stattfindet und Claudia Roth als Schirmherrin hat?



    Innerhalb der Grünen gibt es die Gegenposition von Volker Beck.



    Es sollte allen doch darum gehen, dass die Pasdaran-Herrschaft über die Iranische Bevölkerung beseitigt wird.



    Kein Iran-Deal mit irgendetwas - weder Öl, noch Handel noch Atom, gar nichts. Die Art wie Claudia Roth bei dem Atomdeal mit Delegierten des Iran Kontakt machte, war daneben.



    Wie Hanna Veiler bereits erwähnte.



    In Berlin gab es 2020 einen Brandanschlag auf das jüdisches Restaurant „Morgen wird besser“.



    In diesem Sinne: dass es morgen besser wird!

  • Schon interessant dieser einerseits universalisierende Blick, der andererseits durch die deutsche Brille über die Welt schweift. Interessant auch der Unwillen oder die Unfähigkeit, Menschen und Institutionen, die andere Meinungen vertreten wenigstens die Anfangsvermutung einer begründeten Haltung zuzugestehen. Stattdessen: Zerrbild und Karrikatur dessen, was Vertreter*innen von, was weiß ich: Goethe-Institut usw., sagen.

  • "Wir müssen parteiisch sein für die Menschenrechte, aber nicht für eine Seite." Wie weise doch dieser Satz ist.



    Diese Sichtweise gilt für uns alle, welcher Hautfarbe, welcher Herkunft, denn wir sind alle nur Menschen.



    Warum wurden die schrecklichen antisemitischen Kunstbeiträge auf der documenta nicht für eine Auseinandersetzung genutzt, anstatt diese "Kunst" einfach zu verbieten. Auseinandersetzung, Diskussion und miteinander davon, darüber, damit zu sprechen ist der einzige Weg von uns Menschen miteinander auszukommen und sich mit der Vergangenheit, dem Jetzt und der Zukunft auseinander zu setzen. Daher warten wir alle gespannt nach der Auszeit auf einen Beitrag von Claudia Roth, der hoffentlich das Thema zur Diskussion stellt, für eine gesunde Auseinandersetzung im Sinne der Menschenrechte.

    • @Sonnenhaus:

      Wieso muss über die von Ihnen völlig zurecht als schrecklich antisemitisch bezeichneten Kunstbeiträge diskutiert werden? Etwa weil diese aus fernen „exotischen“ Ländern kamen? Nein danke, gleiches Recht für alle…und ich möchte eben nicht dass irgendwelche Neonazis dann auch eine „Kunstausstellung“ ähnlichen Inhaltes genehmigt kriegen.

    • @Sonnenhaus:

      Ja, ich sehe es auch so wie Sie. Hier wurde bezüglich des Antisemitismus-Skandals auf der Documenta eine Chance vertan, im Gespräch zu bleiben und sich auf breiterer gesellschaftlicher Ebene mit allen Spielarten des Rassismus auseinanderzusetzen.



      Antisemitismus als juristisch zu ahndende Straftat, zwar zwingend erforderlich, jedoch nach dem Motto „Affe tot, Klappe zu“ bei weitem nicht ausreichend, denn es geht uns alle an. An dieser Erkenntnis mangelt es in Deutschland in der Tat.



      Ob ausgerechnet die Weltoffen-bunt-divers-Staatssekretärin Claudia Roth diesem Diskurs - in dem es gilt, Farbe zu bekennen -, gewachsen ist, muss sich noch zeigen.

  • Na ja, dass sich Trittin hinter Roth stellt, ist ja nun wahrhaftig kein Wunder.



    taz.de/Juergen-Tri...gung-BDS/!5592992/

    Antisemitismus ist keine Meinung, Herr Trittin!

    Und die Buhrufe gegenüber Roth waren genauso fällig wie deren Rücktritt.

    Roth machte sich als lokale Schutzheilige des BDS - die documenta hatte ein hohes Konzentrat an BDS-Leuten aufzuweisen - einen Namen.

    Was ist der BDS?

    Die Bundeszenntrale für politische Bildung hat sich diese Organisation mal genauer angeschaut. Fazit:

    Der BDS ist . . . "eine programmatisch und methodisch antisemitische Kampagne". . . . Die kontinuierlich eine "dämonisierende Rhetorik" benutzt.

    Und das ist wahrhaftig noch milde ausgedrückt.

    www.bpb.de/themen/...-der-bds-kampagne/

    Claudia Roth go home! Den Rufen der jungen Juden/Jdinnen kann man sich nur anschließen.

    Und Trittin?

    Würde ich jetzt auch nicht so vermissen.

    Danke für den Artikel, Frau Zingher!

    • @shantivanille:

      Trittin tut alles für seine Partei(mitglieder:innen) - egal um was es geht. Da habe ich schon einiges von ihm gehört, was "nicht ganz der Wahrheit" entsprach.

    • @shantivanille:

      Sehe ich genauso wie Sie. Vielen Dank auch für den Hinweis auf den bpb- Beitrag!

  • Judenhass und Kritik an der rechten Regierung in Israel sind zwei Paar Stiefel. Leider hat der Bundestag diese zu einem Paar zusammen geschweißt. Die Autorin sieht nur dieses eine, neue Paar Stiefel.

    • @Reinhard Muth:

      „Judenhass und Kritik an der rechten Regierung in Israel sind zwei paar Stiefel. Leider hat der Bundestag diese zu einem Paar zusammen geschweißt.“



      Ob Frau Zingher nur dieses eine Paar Stiefel sieht, vermag ich nicht zu beurteilen … in ihrem Beitrag kann ich jedenfalls keinen Anhaltspunkt dafür finden.



      Ansonsten aber teile ich Ihre Haltung. Jedoch weniger, weil Antisemitismus ein juristisch zu verfolgender Straftatsbestand ist, das ist notwendig und absolut geboten.



      Vielmehr sehe ich die Gefahr, dass der breite Diskurs über Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft (intendiert) gekappt oder auf Gruppierungen wie den BDS reduziert wird … da kann man sich dann trefflich empören, es betrifft einen ja nicht selbst. Immer sind hierzulande die anderen die Bösen, nur man selbst natürlich nicht. Und man muss sich keine Gedanken mehr über den Zusammenhang von Antisemitismus und alltäglichem Rassismus hier bei uns machen. Wir können schon jetzt sehen, dass im öffentlichen Diskurs Antisemitismus (fast) ausschließlich als Bestandteil antiimperialistischer, links-antizionistischer oder islamistischer (dann werden auch noch alle Muslime unter Generalverdacht gestellt) verortet wird. Das ist erbärmlich.



      Die Phalanx der selbsternannten Israel-Freunde von Bildzeitung über Julian Reichelt und HGM bis hin zur AG „Juden in der AfD“ reibt sich da natürlich die Hände.



      Warum hat man im deutschen Bundestag nicht einmal ansatzweise erwogen, den Antisemitismus-Begriff der „Jerusalem Declaration“ zur Grundlage der eigenen Positionierung in dieser Frage zu machen?



      de.m.wikipedia.org...zum_Antisemitismus



      jerusalemdeclarati...tsch-final.ok_.pdf



      Man schwafelt von der Bekämpfung des Antisemitismus als „Staatsräson“, derweil Staat und Gesellschaft immer weiter nach rechts rutschen. Passt irgendwie nicht zusammen.

    • @Reinhard Muth:

      Die skandalösen Exponate auf der Dokumenta waren aber eben keine politische Kritik an der ideologischen Ausrichtung der israelischen Regierung, sondern bedienten sich einer genuin antisemitischen Bildsprache, durch die sie das verschwörungsmythische Ideologem eines dämonischen jüdischen Strippenziehers als Ursache allen Weltübels (etwa denen der Verbrechen der Soharto-Diktatur in Indien) bedienten.

      Warum wohl erkannte dies, trotz der Offensichtlichkeit dieser Bildsprache, diese Kulturstaatsministerin? Weil sie unbedarft-unkritisch, den simplen Dichotomien des linksidentitären Zeitgeists folgen wollend, im Gestus der reuigen Repräsentantin eines hegemonialen 'weißen' Staates glaubte, auf dem Feld der Kunst müssten sich doch die 'Sprecherpositionen' der 'marginalisierten Gruppen' zu einem harmonischen Spektakel orchestrieren lassen - nicht begreifend, dass der Antisemitismus eben nicht einfach eine Form des Rassismus ist.

      Für Antisemiten waren die Juden immer die Verkörperung der liberalen Moderne schlechthin, die nur deshalb die universale Aufklärungsethik hochhielten, weil sie vom Glauben an den Universalismus, den es gar nicht gäbe. heimlich profitieren würden.

      Linkes und rechtes Identitätsdenken stimmen nämlich in der Ablehnung universaler Rechtsvorstellungen überein, indem sie sie als Heuchlerei bezeichnen, die in Wirklichkeit nur der Dominanz einer partikularen Minderheit dienten.

      Eine Linke, die die Grundlagen des Liberalismus nicht mehr überschreiten, sondern zurücknehmen will, wird blind für die Spezifik des Antisemitismus - sofern sie ihm nicht - natürlich ganz aus Versehen - selbst erliegt.

      Der Antisemitismus nämlich ist im Kern das Ressentiment gegen die Moderne selbst, das deren Auswirkungen auf die projiziert, die es für seine Verursacher hält. Er ist so global verbreitet wie die Moderne selbst. Deshalb sollte nur Kulturstaatsministerin werden, wer analytisch denken kann. Auf buntenrBühne in buntem Outfit flimmern zu wollen, reicht nicht.

      • @Anja Böttcher:

        “Unbedarft-unkritisch” und “linksidentitäter Zeitgeist” trifft es schon ganz gut, da stimme ich zu in der Einschätzung, welcher Teufel Claudia Roth nun reiten könnte.



        Die These, dass Antisemitismus im Kern ein Ressentiment gegen die Moderne sei und somit eben nicht im Kontext mit anderen Spielarten des Rassismus stehe, ist steil, darüber müssten wir noch eingehender diskutieren. Die Sozialpsychologie etwa sagt uns da etwas anderes (Stichwort Vorurteilsforschung).



        Zunächst aber erst einmal vielen Dank für das gehaltvolle Niveau Ihres Kommentars.

      • @Anja Böttcher:

        Bin begeistert. Danke für diese Deutlichkeit!

    • @Reinhard Muth:

      Was hat antisemitische Bildsprache bei der documenta mit Kritik an der rechten Regierung in Israel zu tun?

      • @h3h3y0:

        Die Stoßrichtung der antisemitischen Exponate war ganz offen und für jeden erkennbar Israel. Waren praktisch alles uralte Propagandadarstellungen aus der antizionistischen Agitation militanter propalästinensischer Akteure. Diesen Antisemitismus vom Nahostkonflikt abkoppeln, geht nicht.

  • Danke für den guten und notwendigen Kommentar. Wichtige Fakten werden von Frau Zingher angesprochen. Z.B. die Trägheit und mangelnde Bereitschaft Antisemitismus unter den Kulturschaffenden als solche wahrzunehmen und zu benennen. Ebenso die skandalöse Haltung aller BDS-Unterstützer und -Legitimierer. Insbesondere im Bereich der Kunst und Kultur zeigt sich das Antisemitismus eine weit und tief verankerte Haltung ist, die weder in politischen Lagern noch in nationalen Grenzen gedacht werden kann. Gerade der stark gefestigte Antisemitismus in Bezug auf die in Israel lebenden Juden findet leider immer wieder eine unsägliche Solidarität innerhalb der europäischen Linken. Man denke in diesem Zusammenhang auch an die Verbindungen zwischen palästinensischen Mörderkommandos auf z.B. israelische Olympioniken, die Entführung der Landshut etc. und deutschen Linksextremisten. Für Bagatellisierungen und Relativierungen darf es hier wirklich keine Spielräume geben

    • @Klaus Kuckuck:

      Das Hufeisen in seiner ganzen Pracht. Dafür bekommen Sie ein dickes Lob von Broder, Fleischhauer & Co.

      • @CarlaPhilippa:

        Das sehe ich auch so. Da schließe ich mich Ihnen an. Andere Kuckucke sind mir lieber.

    • @Klaus Kuckuck:

      Guter Kommentar. Schließe mich an.

  • Gibt auch andere Meinungen innerhalb der jüdischen Community. www.spiegel.de/kul...4613ffa157#ref=rss

    • @Andreas J:

      Danke für diesen Link. Trotz berechtigter Kritik an Frau Roth, empfinde ich diesen offenen Brief angemessen und differenziert formuliert.



      Nun liegt es leider in der Natur der Sache, bzw. der „besonderen“ Vergangenheit Deutschlands, dass jede Äußerung zum Thema missverstanden werden kann (oder will.)



      Insofern liefert auch Frau Zingers an sich korrekter Satz: „Auschwitz war eine deutsche Erfindung, aber der Antisemitismus nicht.“ viel Spielraum für Interpretationen. Im Zusammenhang mit einem Historikerstreit, sollte man solche Aussagen besser nochmal überdenken.



      Der Zusammenhang („Mit welcher Naivität sich bei der documenta herausgeredet wurde“) zum Thema erschließt sich mir übrigens nicht so richtig.

    • @Andreas J:

      Gibt es nicht auch so eine Gruppe innerhalb der AfD? Ist es erstrebenswert gemeinsam mit dem Autor von "Der große Basar" auf einer Unterschriftenliste zu stehen? Hatte D.C. Bendit nicht auch deutlich erklärt, dass er sich mit jüdischer Kultur nicht identifiziert? Bei solch windigen Unterschriftenaktionen sollte man grundsätzlich sehr kritisch sein. "Nicht in unserem Namen" heißt womöglich "Unter falschem Namen"

      • @Klaus Kuckuck:

        Aha, andere Meinung = AFD. Ich identifiziere mich nicht null mit der Deutschen Kultur. Was sagt das über mich aus? Ist Bendit damit nicht mehr jüdischer Abstammung und seine Meinung zählt nicht? Gute Juden, schlechte Juden? Nicht alle stehen hinter dem Zentralrat.

        • @Andreas J:

          "Alle Augen sind auf Claudia Roth gerichtet."

          Hm. Da sollten ein paar der Augen aber auch in Richtung Israel gehen. Wenn ich mir dessen aktuelle Regierung anschaue und was die so macht ... da glaube ich nicht wirklich, daß diese projüdisch, also im jüdischen Interesse handelt. Die Proteste in Israel dagegen sind groß und absolut verständlich.



          Sicher ist das Agieren von Frau Roth kein Ausweis ihrer Befähigung im Amt gewesen. Das ist schon richtig. Diesen Antisemitismus der ausgestellten Bilder im Vorfeld der Dok nicht gesehen zu haben, ist ein Armutszeugnis, fürwahr. In Deutschland schlechthin unverzeihbar.

  • Vielen Dank für den Kommentar.

    Sauber auf den Punkt gebracht.

    • @Jim Hawkins:

      Da schließe ich mich sofort an!

  • Die Naivität, von der Sie schreiben Frau Zingher, vermischt sich immer mit dem Ressentiment. Die Kontinuität des Ressentiments passt sich dabei den jeweiligen aktuellen Gegebenheiten an. Frau Roth ist dabei so was wie "eine tragische Figur", die wie viele meiner christl. Brüder und Schwestern in ihrem kognitiven Model über die Juden gefangen bleiben.

    Nemen wir die Bundestagssitzung: Stenografischer Bericht, 82. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003, Seite 7179



    dserver.bundestag.de/btp/15/15082.pdf

    Zitat:



    "Wir müssen parteiisch sein für die Menschenrechte, aber nicht für eine Seite." Zitat Ende

    Wie kann man von Deutschland aus paternalistisch über den Versuch der überlebenden Juden und ihrer Nachkommen reden, die ihr nacktes Leben retten wollen?

    Zitat:



    „Die israelische Politik kann und muss man sogar kritisieren. Das gilt für die Absicht, ein System von Zäunen und Mauern auf palästinensischem Gebiet zu errichten, das gilt für Siedlungspolitik, wenn sie Menschenrechte verletzt. Aber ebenso müssen palästinensische Selbstmordattentate moralisch und politisch eindeutig verurteilt werden, die gezielt Zivilisten treffen und nicht minder eine Menschenrechtsverletzung darstellen.“ Zitat Ende



    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der



    CDU/CSU und der FDP)



    Die Selbstmordattentate und der verzweifelte Versuch diese abzuwehren, in einen Topf zu werfen, zu verkünden dass Selbstmordattentate "n-i-c-h-t- -m-i-n-d-e-r" eine Menschenrechtsverletzung darstellen, wie die von Israel gewählte rein defensive Maßnahme......Kneifen wir die Augen zusammen und versuchen das zu begreifen.....

    Dem alte braune Antisemitismus, der nichts als Mord im Sinn hat schwört man ab. Die heutige Zeit verlangt dem Ressentiment mehr ab. Dass Juden eine Möglichkeit gefunden haben, mit einer rein defensiven Maßnahme dem Morden ein Ende zu setzen, bei dem kein Schuss fallen muss, das ist es, was der moderne Antisemitismus den Juden übel nimmt.

    • @Günter:

      Tut mir leid, ich kann in dem von Ihnen zitierten Statement beim besten Willen nicht erkennen, dass israelische Siedlungs- und Besatzungspolitik mit palästinensischen Selbstmordattentätern in einen Topf geschmissen wird, wenn banal darauf verwiesen wird, dass beides zu verurteilen ist.



      Um was für einen “Topf” sollte es sich denn hierbei handeln? Das müssen Sie schon erklären. Mit Antisemitismus jedenfalls muss beides nicht zwangsläufig zu tun haben … und auch diese Unterstellung (Antisemitismusverdacht) kann wiederum ideologisch motiviert sein.



      Aber wahrscheinlich bin ich aus Ihrer Sicht nur in einem “kognitiven Modell” gefangen (oder wie Frau Roth eine „tragische Figur“). Ich jedoch würde das ein “Totschlag-Argument” nennen, da der im kognitiven Modell Gefangene qua beispielsweise christlicher Abstammung bzw. Sozialisation - das Beispiel haben Sie selbst gebracht - überhaupt keine Chance hat, diesem Gefängnis zu entkommen … es sei denn, er schwört seiner Herkunft radikal ab.



      Halte ich für einigermaßen gefährlich, denn dann wären auch Juden und Muslime - um mal nur die abrahamitischen Religionen zu erwähnen - möglicherweise nur Gefangene kognitiver Denkmodelle über die jeweils anderen und könnten gar nicht anders denken und handeln, als sie es tun.



      Dann freilich sind Vorurteile, Hass und Gewalt auf allen Seiten vorprogrammiert. Oder habe ich Sie da gründlich missverstanden?

    • @Günter:

      Nein, übel nehme ich die demokratische Wahl der jetzigen israelischen Regierung und die Duldung und sogar Förderung der illegalen Siedlungen auf palestinensischem Gebiet.

      • @shukran:

        Die Juden hatten in Deutschland "gesiedelt". Mit dem 9. November 1938 hatten deutsche Christen alles, was das Leben der Juden in Deutschland bedeutet hatte, vor allem deren Leben selbst, für illegal erklärt. Das ist das ganze Elend. Warum sagen Sie "siedeln". Andere Menschen "wohne" dort wo sie leben. Nur die vor den Nazis geflohenen Juden "siedeln" in Ihren Augen dort wo sie leben. Es war zunächst Fremdenfeindlichkeit, die den vor Antisemitismus (gipfeldn im Holocaust) aus Europa fliehenden Juden in Middle East das Leben schwer gemacht hatte. Die Europäer hatten nach dem Holocaust diese Fremdenfeindlichkeit aufgegriffen. Für die Europaischen und deutschen NGO's hatten „Vordenker“ wie etwa Wilfried Böse, Brigitte Kuhlmann, Dieter Kunzelmann etc. die alte europäische Denkweise nach Middle East transportiert, was die Juden zu Siedlern und wie im Europa der 30er für „illegal“ erklären lies. Glauben Sie nicht, dass der Antuisemitismus in Middle East vielleicht eine islamische Sache sei...es ist eine christliche-europäische Sache und dieser christlich europäische Antisemitismus hetzt die Muslime in Middle East auf, wodurch die Phantasie entsteht, Menschen würden illegal siedeln, dort wo sie wohnen. Das übrigens ist es auch, was bei uns Nazis über Flüchtlinge sagen..sie seien „illegal“ hier.

        • @Günter:

          Von "Siedlungen" wird gesprochen, wenn neue Häuser in Regionen gestellt werden, die vor dem Bau der Häuser eindeutig nicht Teil des Staatgebietes des Häuserbauers waren, danach jedoch als solches behandelt werden.



          In der Debatte um israelische Siedlungen in palästinesischem Gebiet geht es zumindest den Nicht-Antisemitischen Sprechern stets um Siedlungen, die in neuester Zeit gegründet wurden. Also Grenzverschiebungen, die den bereits existierenden Streit verstärken und damit indirekt auch die Bewohner Israels in Gefahr bingen.



          Ich würde es auch nicht auf eine Stufe mit Selbstmordattentaten stellen. Doch ganz unschuldig sind diese Praktiken am Konflikt auch nicht.

          • @Herma Huhn:

            Häuser werden immer irgendwo neu hingestellt. Wen's Juden tun sind's "Siedlungen?" Was treibt viele deutsche Christen an, gegenüber vor dem Holocaust geflüchtete Juden und ihre Nachkommen, die irgendwo, weit weg in Middle East ihr Leben retten konnten, geboren werden konnten, geradezu manisch auf den Begriff Siedler zu beharren.

        • @Günter:

          Also, jetzt vergaloppieren Sie sich wirklich mit Ihren Argumenten … „siedeln“ oder „wohnen“, definieren Sie den Unterschied. Wer wohnt, muss logischerweise zuvor dort gesiedelt haben. Auch so eine Banalität. Sie können @Shukran hier lediglich mit einigen argumentativen Verrenkungen eine irgendwie judenfeindliche Haltung unterjubeln (ob er sie wirklich hat, können Sie gar nicht wissen, das gibt sein Post nicht her), wenn er von illegalen Siedlungen auf palästinensischem Gebiet spricht. Deren Illegalität ist leider Fakt, weil völkerrechtlich nicht gedeckt, wie auch immer man es drehen und wenden will.



          „… und dieser christliche europäische Antisemitismus hetzt die Muslime in Middle East auf, wodurch die Phantasie entsteht, Menschen würden illegal siedeln, dort wo sie wohnen.“



          Alles Phantasie also, aha, so einfach kann man sich die Welt auch erklären. Immerhin stimmen wir offensichtlich darin überein, dass Antisemitismus eine originär christlich-europäische „Erfindung“ ist und keineswegs zuerst von den Palästinensern oder allgemein den Muslimen erdacht wurde.



          Jedoch würde ich weiterhin behaupten, dass der moderne, völkische Antisemitismus, der schließlich in die Katastrophe der Shoa geführt hat, in engem Zusammenhang mit der europäischen Industrialisierung und Modernisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jhdts. gestanden hat. Das relativiert natürlich nicht den jahrhundertealten christlichen Antijudaismus, in dem der moderne Antisemitismus seine Wurzeln und seinen Vorläufer hat.

          • @Abdurchdiemitte:

            Lassen Sie uns doch einmal gemeinsam herausfinden, wie der Begriff "Jüdische Siedlungen" nach und nach die Bedeutung eines Neologismus gewonnen hat.



            Nehmen wir dazu heran unsere bekannte Schrift, Palästina und die Palästinenser



            60 Jahre nach der Nakba: www.boell.de/sites..._kommentierbar.pdf



            Seite 200ff:



            Hier wird von dem "[...] Charakter des israelischen Vorgehens in Jerusalem und Umgebung.." gesprochen, die als "Aktionen und Pläne identifizieren.." werden. Der bau von Häusern in denen Juden leben wird wie folgt beschrieben: "Schon jetzt haben sie zur Abschneidung Ost-Je-



            rusalems vom Rest der Westbank geführt und die meisten seiner Stadtviertel zerschnitten.." Dann wird der Zuzug von Juden als "Zersiedelung der palästinensischen Stadtviertel" interpretiert, über die "Einkesselung Jerusalems" wird was zusammengeschmiert..doch lesen Sie selbst....



            Lesen Sie bitte das alte antisemitische Zeug von Adolf Stoecker, Heinrich Treitschke etc.



            Im kognitive Modell der Christen über die Juden ist die Sprache die selbe geblieben aus "zersetzen" wird "zerschnitten" oder Zersiedelung.



            Diese Sprache des Antisemitismus verkauft eine deutsche Stiftung in Ihrer Reihe: Schriften zur Demokratie.