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Kulturkampf um Political CorrectnessWoker woke sein

Houssam Hamade
Kommentar von Houssam Hamade

Der Kampf für eine emanzipatorische Sprache ist nicht erfolgreich. Die Debatte ist zu akademisch und geht an den Menschen vorbei, um die es geht.

An vielen Menschen, die nicht im akademischen Milieu zuhause sind, geht die Debatte um Wokeness komplett vorbei Foto: dpa

E in Großteil der deutschen Bevölkerung mag Wokeness nicht. Viele hassen sie sogar. Diese Abneigung hegen nicht nur reiche weiße Männer. Komisch, eigentlich. Obwohl woke Kulturkämpfer für die Rechte von Frauen und Migranten kämpfen, lehnt die große Mehrheit der Frauen geschlechtergerechte Formulierungen ab. Das zeigen alle Umfragen der letzten fünf Jahre.

In den USA lehnen migrantische Gruppen zu über 80 Prozent Political Correctness ab, obwohl die meisten von ihnen Rassismus als Problem ansehen. Das dürfte in Deutschland kaum anders sein. Dafür gibt es zwei Gründe: eine aggressive Form des woken Aktivismus sowie antiwoke Propaganda.

Insbesondere rechtspopulistische Akteure forcieren seit über drei Jahrzehnten das Narrativ einer wahnsinnigen Ideologie, die vermeintlich den Westen zerstöre. „Wokeness“ bezeichnet ursprünglich die Wachheit gegenüber bestimmten Diskriminierungsformen wie Rassismus und Sexismus.

Es handelt sich aber inzwischen um einen Kampfbegriff, der fast ausschließlich negativ benutzt wird. Er ist mit Identitätspolitik und Cancel Culture nachweislich eine Wiederauflage des Diskurses von der Political Correctness.

Rechtspopulistische Internationale

Das Geschrei der antiwoken Propaganda vergiftet die Debatte. Es lässt nur übrig, dafür oder dagegen zu sein

Gestärkt wird diese Propaganda von Akteuren aus so gut wie allen Lagern. Zentraler Antreiber ist aber eine Art rechtspopulistischer Internationale. Dazu gehören mächtige Medienunternehmen wie der amerikanische Sender Fox-News, die britische Sun oder die deutsche Bild. Mit dabei sind sowohl die AfD, Teile der CDU und der CSU sowie Donald Trump und Wladimir Putin.

Das Geschrei der antiwoken Propaganda vergiftet die Debatte. Es lässt nur übrig, dafür oder dagegen zu sein. Dabei würde eine differenzierende Diskussion dem Ganzen guttun. Quasi eine Debatte unter Erwachsenen.

Dazu gehört erst einmal, etwas genauer zu bestimmen, was „Wokeness“ ist. Sachlicher ist der Begriff „emanzipatorische Kulturpolitik“: Eine bestimmte Form des politischen Aktivismus, der – inspiriert von postkolonialen und feministischen Theorien – einen Fokus auf kulturelle und sprachliche Fragen legt.

Dieser Aktivismus ist prinzipiell sinnvoll und seit den 1960er Jahren in den westlichen Ländern extrem erfolgreich. Schon damals wurde der Einfluss emanzipatorischer Kulturpolitik in schrillen Tönen beklagt. Dennoch erreichte diese Energie einen kulturellen Wandel. Die westlichen Gesellschaften sind besser und freier geworden.

Weit weg vom Kulturkampf

Der Kampf ist aber noch nicht zu Ende. Es sieht allerdings nicht so aus, als wäre dieser Kampf weiterhin erfolgreich. Und das liegt nicht nur an der antiwoken Propaganda. Heute wendet sich der Aktivismus zumindest in Deutschland deutlich seltener gegen offen diskriminierende Gesetze oder Strukturen. Gekämpft wird hauptsächlich um kulturelle Tiefenstrukturen. Hier ist ein konsequenter und aggressiv daherkommender Aktivismus auf mehreren Ebenen problematisch.

Wenn wir jede Diskriminierung oder Machtausübung angreifen wollen, ist das ein endloser Vorgang. Gerade Leute, deren Ressourcen daran gebunden sind, ihren Kindern ein gutes Leben zu ermöglichen und ansonsten kein Arschloch zu sein, haben mit Erschütterungen ihres Welt- und Selbstbildes verständlicherweise ein Problem.

Dazu kommt, dass bestimmte Haltungen und Werte auch „gute“ Gründe in den konkreten Lebensbedingungen der Menschen haben. Für viele ist das Wegbeißen von Schwäche eine notwendige Fähigkeit, um in der kapitalistischen Gesellschaft klarzukommen. Leuten das als „toxische Männlichkeit“ um die Ohren zu hauen, ist nicht hilfreich.

Es stimmt ja: Toxische Männlichkeit ist real. Sie sollte benannt und bekämpft werden. Aber die entscheidende Ebene dieses Kampfes sind die materiellen Bedingungen, die dieses Gift nötig machen. Das zu ignorieren ist klassistisch.

Warum sich der Paketbote nicht PoC nennt

Kennen Sie einen Verkäufer oder eine DHL-Lieferantin mit Migrationsgeschichte, die oder der sich „PoC“ nennt? Als „People of Color“ bezeichnen sich in der Regel Leute, die etwas Geisteswissenschaftliches studiert haben oder studieren. Oder sie entstammen einem Milieu, das stark akademisch geprägt ist. Ernsthafte Kulturkritik ist kaum machbar, ohne den aktuellen, akademischen Diskussionen zu folgen.

Die mindestens zum Teil richtige Erkenntnis, dass wir allesamt rassistisch oder sexistisch sozialisiert sind, bedarf großer emotionaler und intellektueller Ressourcen. Sie ist für Leute aus akademischen Milieus deutlich leichter als für DHL-Lieferantinnen.

Dabei haben Letztere ein gutes Recht darauf, sich nicht einfach so die Selbstverständlichkeiten ihres Alltagsdenkens und Fühlens wegnehmen zu lassen. Zumal fraglich ist, wie viel Gutes eine aggressive Kulturkritik für die Veränderung von kulturellen Tiefenstrukturen bringt.

Es stimmt: Versteckte Ungleichheitsideologien in Sprache und Kultur zu hinterfragen, ist sinnvoll und kann befreiend wirken. Wenn aber Mehrheiten abgestoßen werden und sogar ein Großteil der Betroffenen eine aggressive Herangehensweise nicht hilfreich findet, sollte das zu denken geben.

Sanftere Wokeness

Bei offensichtlicheren Fällen von Sexismus, Rassismus oder Antisemitismus kann eine aggressive Vorgehensweise sehr sinnvoll sein. Ein großer Teil der #MeToo-Fälle zeigt sich ja gerade darin, dass bestimmte Leute die Grenzen anderer nicht respektieren. Diese lassen sich nicht durch freundliche Denkeinladungen überzeugen.

Und doch: Laut der Triggerpunkte-Studie von Mau, Westheuser und Lux sind etwa 80 Prozent der deutschen Bevölkerung dafür, Trans-Menschen als normal anzuerkennen und die Homo-Ehe zuzulassen. Diese Leute sind nicht der Feind. Die Tiefenveränderung von eingeschliffenen Vorstellungen braucht Zeit und Augenhöhe.

Eine sanftere „Wokeness“ arbeitet weniger mit Vorwürfen und mehr mit Argumenten und hält es aus, wenn diese nicht gleich angenommen werden. Sie gibt Leuten den Raum, sich zu entwickeln und ihre eigene Haltung zu den jeweiligen Fragen zu finden.

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Houssam Hamade
Mit der Zeit kommt einiges zusammen: Ich war Kickboxer, Heilerziehungspfleger, Türsteher und habe Parties organisiert. Nun vermittle ich angehenden Erziehenden Wissen zu Sozialisation und verschiedenen Diskriminierungsformen. Außerdem schreibe ich Bücher über menschliche Grenzfragen wie: Warum prügeln sich Leute oder warum tun gute Menschen schechte Dinge? Und ich schreibe politische Texte für verschiedene Zeitungen.

64 Kommentare

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  • Meiner Beobachtung nach empfinden sich die Wokies als eine Elite, die alle anderen herabwertet, die nicht auf ihrem akademisch-herausgebildeten Tun mitsegelt.

    Da geht es schon mal Kinder gegen Eltern, Arme gegen Reiche und eben Bodenhaftende gegen die ach so aufgeklärten Wokies, die in ihrem jugendlichen Ungestüm uns - die wir den Feminismus erfunden haben - die Welt erklären will.

    So wird das wirklich nichts.

    • @Angelika70:

      Warum ist es nicht möglich, mal eine etwas differenziertere Diskussion zu führen? Der Artikel macht es doch vor, und sie kommen jetzt gleich mit "den wokis" die total ätzend sind und nur Unsinn machen. das stimmt doch so nicht.

  • "Für viele ist das Wegbeißen von Schwäche eine notwendige Fähigkeit, um in der kapitalistischen Gesellschaft klarzukommen. Leuten das als „toxische Männlichkeit“ um die Ohren zu hauen, ist nicht hilfreich."

    Toxische Männlichkeit, das ist aggressives Auftreten, Kontrollwahn, Dominanz, Übergriffigkeit und Gewalt, Frauenfeindlichkeit und Homophobie bis hin zum „Recht“ auf sexuelle Aggression.

    Darum ja, es ist hilfreich dass solch ein Verhalten den Verursachern bis hin zu Tätern um die Ohren gehauen wird, dass dort deutlich sichtbare Schranken gesetzt werden bis hin zu juristischen Verfahren.

    • @Rudolf Fissner:

      Zur Definition von toxischer Maskulinität gehört das Unterdrücken von Gefühlen. Der Artikel sagt ja gerade nichts, dass toxische Männlichkeit kein Problem ist oder dass man Gewalt gegen Frauen kampflos hinnehmen sollte. Vielleicht einfach noch mal lesen. zu dem was sie sagen ist auch noch eine andere Stelle zu finden.

      • @Bim:

        "Zur Definition von toxischer Maskulinität gehört ..."

        ... vor allem das von mir beschriebene. ( de.wikipedia.org/w..._M%C3%A4nnlichkeit )

        Ob der Täter bei einem Femizid vielleicht auch noch Probleme damit hat, das bei ihm das "Unterdrücken von Gefühlen" eine Rolle spielt, mag zwar für das Verständnis toxischer Maskulinität wichtig sein, sollte aber nicht dazu führen dass er mit den Folgen seiner Agressivität ungeschoren weg kommt.

        • @Rudolf Fissner:

          Die APA beschreibt das grundsätzlicher. Und noch mal: Der Artikel bezieht sich speziell auf das Unterdrücken von Gefühlen. Er sagt explizit nicht, dass toxische Männlichkeit kein sinnvoller Begriff ist. Ich bitte wirklich um eine präzise Lesart.

          www.apa.org/monitor/2019/01/ce-corner

  • Ein sehr wichtiger Artikel!



    Diese Art der Wokeness ist elitär und exkludiert viele Menschen, die eigentlich im Zentrum unserer Solidarität stehen sollten. Auch das Ziehen ständig neuer Grenze und die oft starre Einteilung in und Hierarchisierung von Privilegien und Benachteiligungen hilft nur wenig weiter. Ein großes Problem ist auch, dass sehr oft mit Empörung, Zurechtweisung und der Verweigerung von Erklärung und damit Dialog (bereits die Frage, warum etwas diskriminierend ist, ist skandalös und zeugt von fehlendem Bewusstsein für Ungleichheit und eine Anspruchshaltung) machen politischen Aktivismus und das Bilden von Allianzen schwer. Auch ich denke, die Daumenregel sollte empathischer, geduldiger, sanfter Umgang mit wohlmeinenden Menschen und radikalere Kritik bei krassen Problemen (was auch immer das für jeden bedeutet) sein. Das ist vielversprechender und hilft vielleicht auch gegen linke Zersplitterung und Bedeutungslosigkeit.



    Und manchmal müssen wir auf rechte Provokation vielleicht auch nicht einsteigen. Noch eine Diskussion zum Gendern bringt und weniger weiter als es selbst zu tun und Konservative unbeachtet rummaulen lassen. Das ist nur unnötige Reibung.



    Was mir aber fehlt ist ein Gegengewicht zum Kulturellen, mehr Beschäftigung auch mit dem Materiellen. Diskriminierungsfreie Sprache kommt für Lieferant*innen vielleicht auf der Liste lange nach besseren Arbeitsbedingungen. Gerade wenn wir Klasse nicht aus dem Blick verlieren, wird klar, dass wir in beiden Bereichen aktiv werden müssen. Dann klappt's auch mit den Wählern.



    Ach, und ein Hauch mehr Toughness ("Schwäche wegbeißen") gegen die neue Sensibilität ist auch etwas, das wir mal wieder in Betracht ziehen könnten.

  • Ehrlich gesagt ist mir völlig schnuppe, was genau mit Wokeness gemeint ist. Ich verwende meine Muttersprachen - es sind derer zwei - so, wie ich sie gelernt habe. Es ist mir gleichgültig, ob irgendwelche Wokeness-Jünger*innen sich lauthals darüber ereifern, dass ich nicht woke genug bin, ebenso wie es mich kalt lässt, dass irgendwelche Recht*innen meinen, ich sei ein linksgrün versiffter Feminist, der nicht lauthals ein Verbot von "Gender-Gaga" fordert.



    So genieße ich meinen Logenplatz zwischen allen Stühlen und schaue belustigt zu, wie sich Woke und Antiwoke gegenseitig vorwerfen, den Untergang des jeweiligen Abendlandes zu verursachen.

  • Das Thema interessiert einige wenige Beauftragte und ganz viele Unbeauftragte, die sich damit für die Union etc. aktivieren lassen oder sogar eine Stimmabgabe gegen ihre eigenen Interessen rationalisieren.

    Ich persönlich empfinde Universalismus als stärker denn Identitäts-Fokus, doch darüber lässt sich gerne diskutieren.

    Vergessen wir aber bitte nicht vor solchen Spalt-Themen den gemeinsamen Kampf gegen Umweltzerstörung und für soziale Gerechtigkeit!

  • Diese Einschätzung und Hamades Plädoyer finde ich ganz in Ordnung.

  • Schade, dass die Wokeness nicht auch inhaltlich kritisiert wird. "Woke verbinden viele mit Identitätspolitik" steht im Text, aber ob dem auch so ist oder ob es ein Problem wäre, wenn dem tatsächlich so sei wird nicht weiter erläutert.

    Meiner Erfahrung nach ist Identitätspolitik zentraler Bestandteil der modernen Wokeness und dies ist durchaus ein Problem. Ich verstehe einfach nicht wie man mit extremem Fokus auf Gruppenzugehörigkeit die Einteilung und Unterschiedlichbehandlung in den Köpfen der Leute überwinden möchte.

    Vielleicht will der DHL-Bote einfach in gar keine Schublade gesteckt werden egal ob der Name der Schublade politisch korrekt ist oder nicht, aber dieser Gedanke scheint dem Autor nicht zu kommen, sondern es klingt eher als sei der DHL-Bote nur nicht "akademisch" genug um zu verstehen, dass er diese Einteilung gut finden sollte.

    • @Zille:

      Ist halt ein kurzer Text. Hier ist ein längerer Text des Autors, der zeigt, dass die Rede von der Identitätspolitik voller Verzerrungen steckt. Also Behauptungen durch Leute, die sich nicht ordentlich mit dem Thema beschäftigt haben aber eine starke Meinung haben.

      archive.ph/n6SGE

  • Zitate:

    "In den USA lehnen migrantische Gruppen zu über 80 Prozent Political Correctness ab, obwohl die meisten von ihnen Rassismus als Problem ansehen."

    und:

    "Die mindestens zum Teil richtige Erkenntnis, dass wir allesamt rassistisch oder sexistisch sozialisiert sind, bedarf großer emotionaler und intellektueller Ressourcen. Sie ist für Leute aus akademischen Milieus deutlich leichter als für DHL-Lieferantinnen."

    Diese beiden Sätze aus dem Artikel sind mir hängen geblieben.

    "Woke" ist also eine Lösung für ein Problem, das die Betroffenen selbst so nicht möchten bzw. intellektuell nicht begreifen können.

    Ich glaube so wird das nichts.

  • Kleine Antidiskrimnierungs-Anmerkung: Unsere DHL-Boten empfinde ich als recht gebildet. Ich denke Berufsgruppe und Bildungsgrad lässt sich imemr weniger verallgemeinern, zumal migrantische Akademiker nich selten in solchen Berufen landen.

    • @jan ü.:

      Statistische Wahrscheinlichkeiten und so. Selbstverständlich ist es eher wahrscheinlich, dass dhl Fahrer keinen Doktor in Philosophie haben. Daran ändert jede Anekdote nichts.

    • @jan ü.:

      Syrien hat bzw. hatte ein besseres Bildungssystem als wir. Ich habe mir schon den Spaß gemacht, mit deutschen Einserabiturienten, die hier studiert haben, spontan und unangekündigt Tests in Grundrechenarten der 4. Schulklasse zu machen. Bisher fielen alle durch.



      Unsere frühere Büroreinigungskraft aus Ghana hatte hier studiert und konnte drei Sprachen fließend, während unter den deutschen Top 5 Einkommen der Firma noch nicht einmal einer war, der englisch konnte. Eine deutsche Führungskraft wusste noch nicht einmal mit dem Wort Tolstoi etwas anzufangen.



      In Deutschland spielen Bildung und Intelligenz schon lange keine Rolle mehr in der Karriere.

    • @jan ü.:

      Ein wichtiger Punkt der viel zuwenig im Fokus der Öffentlichkeit steht. Der Besitzer des Kiosk in meiner Nachbarschaft ist Syrer und studierter Architekt. Die ambulante Pflegerin meiner Mutter stammt aus der Ukraine und ist Kinderärztin. Zwei Beispiele von wahrscheinlich tausenden. Zeit zum Umdenken und das Loslösen von alten Klischees der Klassifizierung ist dringend angebracht.

  • Danke für den Artikel; endlich mal eine Sichtweise, die sich bewusst von streng woke und anti-woke absetzt und zum 'weiter' denken Anlass gibt.



    Das einseitige Ändern von Sprache spaltet mehr als es weiterhilft, das muss im Konsens geschehen und dieser muss erstmal hergestellt werden. Davon sind wir noch weit entfernt, aber Artikel wie dieser lassen einen hoffen.

  • "Diese Abneigung hegen nicht nur reiche weiße Männer."



    Der Satz als Ausgangspunkte des Artikels pass irgendwie überhaut nicht. Die Ablehnung ist null am Einkommen gekoppelt.

  • Das mit der sanften Tiefenstruktur ist vielleicht zu akademisch. Es betrifft die, um die man sich sorgt, nicht. Die bewegen sich meist in einem Umfeld, in dem Integrarion konkret stattfindet. Da ist mal Holzhammer gefragt, zugleich wundert sich der gebildete Schreibtischtäter, mit welcher Selbstverständlichkeit man miteinander umgeht. Da zählt nämlich doch der Mensch. Es ist wieder anmaßend, hier ungefragt Therapien vorzuschlagen.

  • Danke. Danke für diesen Kommentar. Danke. Danke. Danke.



    Danke. Puh. Danke.

    Ich bin so froh, auch mal Kritik am eigenen Milieu zu lesen. Balsam für meine geschundene Intellektuellenseele.

  • Es hat für mich eine gewisse, wenn auch traurige, Faszination, dass in einem eigentlich guten, differenzierten Artikel und den intellektuell ausgefeilten Kommentaren von reflektierten Menschen dazu die Diskussion anscheinend vollkommen ohne so einfache Worte wie "Mitmenschen" oder andere empathisch anmutende Worte auskommt. Statt dessen lese ich von "aggressivem Aktivismus", "Cancel Culture", "radikal säkularer Linke", und mehrfach von "Kampf". Die Putins dieser Welt werden wir kaum ändern können. Aber so miteinander reden als sei das Gegenüber ein Mitmensch - ein Mensch mit uns - wäre doch mal was...

    • @DocT:

      Ja.

    • @DocT:

      Haben Sie recht.

      Dürften Sie auch einen wichtigen Punkt angesprochen haben, der viele subtil abstößt.

      Die wenigsten werden überzeugt von Ideen, die sie zum anzugreifenden Feind stilisieren.

  • Hervorragender Artikel, nur an einer Stelle würde ich widersprechen: "Das Geschrei der antiwoken Propaganda vergiftet die Debatte. Es lässt nur übrig, dafür oder dagegen zu sein. Dabei würde eine differenzierende Diskussion dem Ganzen guttun. Quasi eine Debatte unter Erwachsenen."



    Derlei Geschrei herrscht längst auf beiden Seiten, auch Woke sind längst absolut in ihrer Meinung und akzeptieren nur noch ein 'dafür' - Debatte ist von beiden Seiten nicht (mehr) gewollt.

  • Vielleicht hilfts auch einfach mal dieses fragwürdige Wording weglassen, wenn man schon feststellt, dass es zum Kampfbegriff geworden ist.



    Generell ist sich selbst als aufgewacht oder erweckt zu bezeichnen oder andere zum Erwachen führen zu wollen, eine Haltung, die man verbal in allen möglichen ideologischen Ecken findet. Man suggeriert damit von vorn herein eine fast schon religiös anmutende Position, aus der heraus man die noch Schlafenden missionieren möchte.



    Das verbunden mit der oben beschriebenen, aggresiven Rhetorik und einer oft elitär daherkommenden Selbstgerechtigkeit schreckt halt viele -zurecht- ab.



    Debatte oder Diskussion lebt vom Austausch von Argumenten, von der Fähigkeit auch über den eigenen Tellerand zu schauen und sich -auch wenns oft schwerfällt- in die Perspektive anderer hineinzudenken. Zielorientiert auf Augenhöhe, nicht von oben herab und nicht autoritär. Und daran krankt die Debattenkultur an beiden Enden der "Wokeness" Skala ganz massiv.

  • Mitgefühl, mich in andere hineinversetzen zu können und auch mal sorry zu sagen, sind für mich wichtiger als ein von von aussen diktierter Diskurs über korrektes Verhalten.



    Wachheit für das Befinden eines Anderen, sollte selbstverständlich sein, daraus aber abzuleiten, wer über was wie reden, und schreiben darf, wer z.B. Dreadlocks tragen oder wer welche Gedichte übersetzen darf, geht für mich zu weit.



    Political Correctness und Wokeness erlebe ich oft als Totschlagargument kleiner lauter Gruppen. Ich habe sie von links, von rechts und aus der Mitte erlebt. Wo bleibt die Wokeness, wenn mit Begriffen wie „Querdenker“ und mittlerweile schon „Pazifist“ Andersdenkende diffamiert werden? Wo bleibt die Toleranz, die von mir eingefordert wird, wenn meine Wahrnehmung vom woken Mainstream abweicht?



    Ein friedlicher und respektvoller Umgang miteinander kommt doch nicht aus dem Politischem, sondern aus dem Herzen. Und allen, die an das einzig Wahre, Richtige und Gute glauben, sei gesagt: das Paradies der Löwen ist ein anderes als das der Gazellen.

  • Was Wokeness ist, das hat die linke, feministische Publizistin und Hochschullehrerin Caroline Fourest in ihrem Buch "Generation Beleidigt" gut herausgearbeitet.

    "Wir leben in einer Zeit, in der ein Antisemit, ein Nazi oder ein Islamist ohne größere Probleme seine Weltanschauungen auf den sozialen Medien verbreiten kann, während es für radikal säkulare Linke immer schwieriger wird, ihre Ansichten zu vertreten. Und zwar auch, weil sie von diesem Teil der Linken, den identitären Linken, daran gehindert wird.

    In meinem Buch will ich zeigen, dass diese Strömung den Vorwurf der kulturellen Aneignung so instrumentalisiert wie der türkische Präsident Erdoğan den Islam: Es geht ihnen darum, jene zum Schweigen zu bringen, die nicht ihrer Meinung sind."

    taz.de/Islamismus-...=caroline+fourest/

    • @Jim Hawkins:

      Es ist schon verblüffend. Da ist ein Text, der versucht, zwischen dem Geschrei hindurchzuschiffen, um eine sinnvolle Position zu finden. Und die Antwort ist wieder zum Teil Geschrei.

      • @Bim:

        Empfinden Sie die Äußerungen von Frau Fourest als Geschrei?

        Sie sind polemisch, das schon.

        Ich würde ihnen gern die Lektüre ihres Buches empfehlen. In dem wird schlüssig dargelegt, dass das Geschrei im wesentlichen von den Woken ausgeht und dass diese Gruppe so gar keinen Diskussionsbedarf hat, sondern lediglich Distinktionsmerkmale in Stein meisselt.

        Diese Leute stehen für das Ende der offenen Debatte und pochen auf ein immer komplexer werdendes Regelwerk, dessen Einhaltung für sie alternativlos ist.

        • @Jim Hawkins:

          Es erscheinen jedes Jahr 5-10 Bücher, die das behaupten. Man muss nicht jedes davon gelesen haben. Und ja, Polemik trägt in dieser Situation stark zum Geschrei bei. Sachlichkeit wäre angesagt. Haben Sie mal adrian daub gelesen?

          Hier noch ein anderer Artikel zum Thema.

          archive.ph/n6SGE

  • Im Artikel werden viele wichtige Punkte genannt. Ich möchte aber noch etwas ergänzen.

    "Obwohl woke Kulturkämpfer für die Rechte von Frauen und Migranten kämpfen, lehnt die große Mehrheit der Frauen geschlechtergerechte Formulierungen ab."

    Die meisten Frauen sind recht praktisch veranlagt. Müssen sie, um ihren Alltag zu bewältigen. Und ihnen ist klar, dass Formulierungen ihren Alltag nicht im geringsten verbessern. Es handelt sich um bloße Symbole. Und teilweise um einen Vorwand, auf konkrete Verbesserungen zu verzichten (Ich gendere ja schon...)

    Jeder zusätzliche Platz im Frauenhaus und jeder zusätzliche Kitaplatz mit Öffnungszeiten, die der Lebenswirklichkeit entsprechen, bringt tausend mal mehr, als alle gegenderten Texte in diesem Land. Von einer, längst überfälligen, Fristenlösung garnicht zu reden.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Vielleicht können wir ein strukturelles Frauenhaus bauen? Herr Lindner fände das gut, das belastet den Sozialetat nicht.

  • Die "woken" Bestrebungen sind häufig sehr gut ,werden aber so akademisch kommuniziert, daß viele Menschen nicht mitkommen , da es nicht ihrer Sozialisation entspricht. Wie viele Menschen wissen schon was ein Cis Mann ist, eine Terf, genderfluide , non binär .....? Und vielen ist das auch völlig gleichgültig oder glaubt jemand im Ernst, dass ein heteronormativer Cis Mann, ein Handwerker, keine andere Sorgen hat ? Sind da nicht die Miethöhen wichtiger, die Heizkosten, der Kitaplatz fürs Kind, das Fußballspiel mit den Kumpels als geschlechtsgerechte Sprache etc. "Woke" sein heißt häufig auch Ausgrenzung nichtakademischer



    Millieus !

  • Das haben sie ganz wundervoll geschrieben. Ich hoffe viele Menschen lesen ihre Worte!

    Sie sollten große Beachtung finden. Seit Jahren ist dieser Diskurs überfällig.

  • @Houssam Hamade: Kluger Kommentar. Aber ich bin da pessimistischer. Ich gehe eher davon aus, dass Diskriminierungen sich in vielen Fällen lediglich verschieben. Heute werden weniger Homosexuelle und Transmenschen diskriminiert bzw. diese werden seltener diskriminiert. Dafür werden bestimmte Ausländergruppen, Arme, Ungebildete, bestimmte Religionsgruppen, bestimmte (legitime) politische Richtungen usw. verstärkt diskriminiert und/oder angegriffen.

    Das Phänomen der Diskriminierungsverschiebung gab es eigentlich schon immer in der Geschichte der Menschheit. Nie blieben die Ziele der Diskriminierung die gleichen.

    Rechte aller Coleur waren in der Tat schon immer die eigentlichen Träger von Diskriminierungen, selbst zu früheren Zeiten, als man die politischen Kategorien links/rechts noch nicht verwendete, sondern eher in moralischen und religiösen Kategorien dachte.

    Das Ziel muss sein, die gesellschaftlichen Grundlagen von Diskriminierung an sich zu beseitigen. Da ist meine Kritik an den "Woken" die, dass diese das selten in den Mittelpunkt stellen. Kultur setzt ja letzten Endes auf materiellen Verhältnissen auf. Wenn es reale Ungleichheiten gibt, werden sich diese immer (!) im Bewusstsein der Menschen abbilden und bei den reaktionärsten Gruppen in Diskriminierungen übersetzt werden.

    Foglich sind die reinen Kulturdebatten doch arg begrenzt, auch dann, wenn man sie "sanft" und geduldig führt.

    • @Uns Uwe:

      Vielleicht ist auch Teil des Problems die Wahrnehmung, dass immer nur die anderen diskriminieren.

      Oder die anderen die "eigentichen" Diskriminierer sind.

      In einem Interview vor Jahren in der taz, das ich jetzt nicht mehr finde, meinte ein Politikwissenschaftler sinngemäß, die Grenze verlaufe nicht zwischen links und rechts, sondern zwischen jenen, die das Gemeinsame betonen, und denen, die das Trennende betonen.

      Wenn Sie warten wollen, bis sich die gesellslchaftlichen Besitzverhältnisse grundlegend ändern, wird in den nächsten Jahrhunderten nichts mehr passieren.

      Zumal wir solche Gesellschaftsexperimente vor wenigen Jahrzehnten hatten und diese Zeit nun alles andere als diskriminierungsfrei war.

      Ich bin übrigens voll bei Ihnen, dass sich aktuell die Diskriminierungen gerade nur verschieben, aber nicht weniger werden.

      Das kann mit einer Identitätspolitik, die so stark das Trennende betont, gar nicht passieren.

  • Sehr guter Kommentar. Einfach nicht in extremen Denken.

    Eine Sache kann ich mir nicht verkneifen. „Für viele ist das Wegbeißen von Schwäche eine notwendige Fähigkeit, um in der kapitalistischen Gesellschaft klarzukommen.“ Ganz ehrlich, dass ist kein kapitalistisches Problem. In allen real existierenden Gesellschaftsformen mit relevanter Größe ist das so.

  • Wer PoC sagt, impliziert dass die Welt aus 2 Kategorieren von Menschen besteht. Die, die PoC sind und die, die es nicht sind. Was will man mir damit sagen? Was soll ich daraus schliessen? Was leitet sich aus meiner PoCigkeit resp. Nicht-PoCigkeit ab?

    Ein paar dieser Fragen wurden im Südafrika der Apartheid sehr spezifisch beantwortet und die USA haben auch eine lange Liste an Gesetzen zu diesen Fragen.

    Solange man über Menschen nicht als Individuen sondern als Zugehörige eines bestimmten Taxons spricht, verwendet man gewollt oder ungewollt rassistische Termini.

    • @The61YearOldHippy:

      Eine Ergänzung zu Ihrem allgemeinen Schlusssatz:



      Naja, es gibt ja Bezeichnungen, die von der gemeinten Gruppe selbst gewählt werden und zumeist von vielen jener Gruppe akzeptiert werden.



      Eine Benennung ist zwingend nötig, um sich über vorhandene gesellschaftliche Verhältnisse wie bspw. Rassismus verständigen zu können.



      Die Zusammenhänge, in denen Begriffe verwendet werden, können zudem einen Unterschied machen. Manchmal ist es überflüssig oder bspw. Rassismus verstärkend (bspw. die Nennung der Herkunft bei einer Straftat, bei der diese keine Relevanz hat dies aber suggeriert, dass Menschen (mit Vorfahren) aus Land X kriminell wären). Andersherum kann es (bspw. bezüglich Musik, Sport) empowernd sein, bspw. die Herkunft zu nennen, um jene Menschen sichtbar zu machen und Menschen jener Gruppe motivieren, dieser nachzueifern.

  • Ach Leute -- kriegt Euch ein.

    Die Bedrohung durch nicht mehr ganz zurechnungsfähigen SUV-Fahrer*innen ist weitaus existenzieller als die durch angebliche Wokeness,

    Ihr lest allesamt zu viel "BILD" (nur echt mit den Tüddelchen).

  • Ist nur ne leere Worthülse. Früher wurde ich als Gutmensch kritisiert. Weil ich die Pogrome von Lichtenhage beschissen fand und schon damals no borders no nations forderte.

    In Zeiten der Flüchtlingskrise vor knapp zehn Jahren war von Social Justice Warriors die Rede. Na gut, war ich halt einer. Bin ich offenbar noch heute, wenn ich mich für die europäischen Werte schämen muss, die im Mittelmeer über Bord geworfen werden.

    Heute bin ich also woke. Weil ich mich z.B. für Israel einsetze. Ich meine, ja... ich argumentiere meistens so, wie wenn ich gerade eben vom ZdJ radikalisiert worden bin, aber es ist nunmal in manchen Fragen einfach notwendig.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Die Woken sind aber häufig eher für Palästina, da diese die vermeintlich Unterdrückten sind. Bei den Woken scheint es elementar alle in Unterdrücker und Unterdrückte einzuteilen. Da Israel militärisch stärker ist, sind diese in deren Weltbild die Unterdrücker, daher die anti Israel Proteste dort wo die Woken ansässig sind, an den (Elite-)Unis.

  • Sehr guter Text, feht nur im Resümee, dass viele der gutgemeinten Regeln, schlichtweg falsch sind und oberflächlichen Erwägungen entspringen. Als nicht mehr ganz junger Linksalternativer erscheinen mir einige Wokeness-Dogmen, wie aus den Papierkörben der 80er-Jahre Bewegung geklaubt. Ich würde der "antiwoken Propaganda" deshalb auch gar nicht soviel Macht zuschreiben. Die linke, emanzipatorische Bewegung muss ihre Fehler erkennen und korrigieren. Zum Beispiel indem sie Streber–, Denunziantentum und Autoritarismus in den eigenen Reihen missbilligt und wieder lockerer, offener und selbstkritischer wird.

    • @jan ü.:

      Ja, schade, dass im Text nur das Vorgehen und nicht auch inhaltlich kritisiert wird.



      Und ein grundsätzliches Problem haben Sie mit dem Begriff "Wokeness-Dogmen" sehr gut beschrieben. Wo Dogmen sind ist eine ergebnisoffene Diskussion leider unmöglich.

  • Zu dem Thema ein aktueller Artikel aus der Zeit. www.zeit.de/2024/2...alisierung-grenzen

  • Woke ist ein Kampfwort von RECHTEN Politikern geworden, die sich krampghaft abgrenzen müchten, weil sie andere unangenehme Themen wie Z.B. bewältigen wir die Klimakatastrophe (wenn das überhaupt nocht geht...), ohne uns einschränken zu müssen. Sprache ist Umgang und sollte kein Gesetz werden, Haupttsache, frau/man versteht, was gemeint ist. Söder ist nur noch peinlich, wenn er öffentliche Institutionen ZWINGT, anderen Sprachgebrauch zu sanktioniren. Freiheit ist (an dieser Stelle) eindeutig wichtiger!

    • @Dietmar Rauter:

      Wenn eine Selbstbezeichnung zum Kampfbegriff gegen sie wird, sollte man über die Selbstbezeichnung mal nachdenken.

      Mehr Elitedenken als in dem Begriff "Wokeness" geht doch kaum.

      Das Freiheitsnarrativ führen Genderbefürworter_innen erst an, seitdem ihnen massiv Gegenwind entgegenschlägt.

      Meine Tochter mussten teiweise in der Scule gendern, sie müssen es - je nach Studienfach - auch jetzt an der Hochschule.

      "Hauptsache, frau/man versteht, was gemeint ist." ist da nicht.

      Dass Sprache mit Normen - sogenannten "Rechtschreiberegeln" - verbunden ist, haben wir alle in der 1. oder 2. Klasse gelernt.

      Wenn Sie Kinder haben, die den Umschwung zu genormter Schreibweise nicht hinbekommen haben und Texte nicht lesen können, weil Wörter anders geschrieben werden als sie selbst es tun würden, verstehen Sie, wie wichtig eine Normierung von geschriebener Sprache ist.

      Verständnis ist ein Argument, dass oft gegen Gendern angeführt wird.

      Nicht ganz zu Unrecht.

      Ich habe Menschen in meinem familiären Umkreis, die sich schwertun, stark gegenderte Texte zu verstehen.

      Es hilft nicht zu ignorieren, dass Gendern exkludierend wirken kann.

    • @Dietmar Rauter:

      Aber nicht im Staatsdienst, denn da sprichst du nicht im Namen von dir selber, sondern im Namen des Staates und da kann und muss der Staat auf geltende Rechtschreibung pochen!

  • Sprachlich setzt sich doch am ehesten durch, was praktikabel, alltagstauglich und gleichzeitig angesagt ist, durch. Insofern verändert sich Sprache sowieso immer, aber die meisten haben eine Aversion dagegen, das verordnet zu bekommen.

    Dazu weist wokeness - wie sie mittlerweile verstanden wird - auch per se eine gewisse Scheinheiligkeit und Vollständigkeit auf. Woke sind die meisten nur in Bezug auf meist lediglich sie selbst betreffende Aspekte. Die selektive wokeness ist im Moment an den Universitäten sehr gut zu sehen. Ebenso gerade beim ESC.

  • Intelligente Wokeness sollte sich für Diskriminierungsfreiheit einsetzen, verbunden mit Respekt und freier Meinungsäußerung. DAS wäre ein Werte-Paket, welches wohl ein hohe Akzeptanz finden würde.

    Aktuell ist die Wokeness zu aggressiv, zu rechthaberisch und zu diskrimierend (!). Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Das Konzept der sanften Wokeness geht zumindest in die richtige Richtung.

    • @Black & White:

      Aktuell ist die Wokeness zu aggressiv, zu rechthaberisch und zu diskrimierend (!). Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Das Konzept der sanften Wokeness geht zumindest in die richtige Richtung.

      Vollkommen richtig, wer sich einmal mit gewaltfreier Kommunikation beschäftigt wird sehen, dass Vorwürfe und aggressives Beschuldigen nicht den gewünschten Effekt erzielen.

  • Der aggressive Aktivismus trifft auf Privilegierte, deren Sozialisation durch adultistische Beschämungskultur zumindest stark beeinflusst ist. Name it, blame it , shame it trifft oft nur diese Wirkungen und geht an der Fähigkeit zu Einsichten vorbei, auch wenn die Wut nachvollziebar ist.

    • @aujau:

      Also ich musste das jetzt mehrfach lesen, aber es dünkt mir, dass in solchen Aussagen das Problem liegt. Aber wie gesagt, musste es mehrfach lesen…

  • Mich erinnert dieser Beitrag an eine Begebenheit Mitte/Ende der 80er Jahre, als ich noch nicht wusste, was man sagen darf und was nicht. Ich war zu Besuch einem meiner damals besten Freunde, der gerade eine Freundin hatte, die in New York geboren ist. Und schwarz. Ich erwähnte in einer Unterhaltung das Wort Ne... in einem keinerlei diskriminierenden Kontext, woraufhin mein Freund mich aggressiv anmachte, das sei rassistisch und mir einen moralischen Vortrag hielt, ihn seine Freundin wirsch unterbrach und ihm sagte, dass ich -im Gegensatz zu ihm- bisher nicht ansatzweise rassistisch war, dass „wir Schwarze“ einander das viel heftigere Wort „Nig....“ oft im Streit an den Kopf werfen würden und „Ihr Deutsche“ wichtige Sprachverbote erlasst, hinter denen Ihr Euren Rassismus besser verstecken könnt“. Ein jüdischer Freund meinte, dass Deutsche ihren Antisemitismus meistens hinter Israelkritik versteckten sich und noch nicht einmal bewusst sind, dass der Begriff Israelkritik schon rassistisch sei, weil es ein solches Wort, verbunden mit einem Land nicht gebe.

  • Ich könnte nicht mehr zustimmen.

    Zunächst einmal ist die Grundlage von Ungleichheit immer die materielle Ungerechtigkeit und der obszön unterschiedene Zugang zu Ressourcen von Privilegierten und Nichtprivilegierten.

    Dies zu ändern, sollte der Anspruch jeder progressiven Politik sein.

    Und hier, das muss man klar konstatieren, versagt die Linke in den westlichen Gesellschaften seit einigen Jahrzehnten auf der ganzen Linie: Die gesellschaftliche Spaltung nimmt immer weiter zu, die Versorgung der kompletten Bevölkerung mit den Lebensnotwendigkeiten wie Gesundheit und Bildung (unter anderem) wird immer lückenhafter.

    Die Gründe dafür sind ziemlich einfach: Zu großer Einfluss der Großkonzerne, der Erbmillionäre und -billionäre.

    Der Unwille oder die Unfähigkeit der progressiven Parteien und Bewegungen, die Verteilungsfrage anzugehen, führt zu einer immer weiteren Verrohung des gesellschaftlichen Klimas.

    Man muss sich vorstellen, wie sehr sogar die Nichtprivilegierten unfähig geworden sind, ihre eigenen Interessen zu erkennen: In letzter Zeit erzählen nicht nur Reiche, dass das Bürgergeld eine schlechte Sache sei, sondern auch Menschen am unteren Ende der Lohnhierarchie - als ob das Bürgergeld nicht ihre Löhne schützen und sie weniger erpressbar gegenüber Ausbeutung machen würde!

    Den Zusammenhang aus (sozialer) Herkunft und Privilegien aufzuzeigen, ist eine genuin linke Aufgabe.

    Die Linke sollte aber weniger Sprachpolizei spielen und sich mehr trauen, die Verteilungsfrage zu stellen.

    • @Stavros:

      Nicht ohne Grund treiben ja gerade große Konzerne Diversitätsthemen voran...

    • @Stavros:

      Volle Zustimmung ebenfalls.

      Ich habe zusätzlich dazu aber auch den Eindruck, dass dieser Kulturkampf auf einem absoluten Nebenschauplatz ein implizites Eingeständnis davon ist, das die Linke den Kampf um die Verteilungsgerechtigkeit zumindest im Moment nicht gewinnen kann.

    • @Stavros:

      // Die Gründe dafür sind ziemlich einfach: Zu großer Einfluss der Großkonzerne, der Erbmillionäre und -billionäre. //

      Die ganz Reichen sollen wieder mal schuld sein? Ziemlich einfach gedacht, sorry. Und die Verteilungsfrage interessiert fast keinen weil es den Leuten in fast allen Millieus gut geht trotz Corona und allem anderen.



      Das einzige wo ich bei ihnen zustimme ist das mit der Sprachpolizei.

      • @Der Cleo Patra:

        Ich glaube, es geht immer mehr Milieus immer schlechter und die Kaufkraft sinkt allgemein.

        Insbesondere in den unteren Lohnniveaus ist die Chance, aus lebenslangem Arbeiten auch nur eine Rente oberhalb der Grundsicherung herauszubekommen, sehr gering.

        Gesundheitssystem, Bildung, Kita, Heizkosten - alles, was zur öffentlichen Daseinsvorsorge gehört -, vom Wohnungsmarkt ganz zu schweigen, ist in einem besorgniserregenden Zustand.

        Sind "die Reichen" daran schuld?

        Auf individueller Ebene nein.

        Aber wenn nicht auf gesellschaftliche Balance geachtet wird, konzentrieren sich die großen Vermögen immer weiter. Und dann gestalten sich die Reichen irgendwann einen Staat nach ihrem Geschmack.

        Die Vorstufen dazu sehen wir bereits in Deutschland.

        Wer, wenn nicht progressive Kräfte sollte das ändern?

      • @Der Cleo Patra:

        Es geht gar nicht um Menschen die sich einen gewissen Wohlstand erarbeitet haben. Es geht um obszöne Ungleichheit und Konzentration von Kapital durch Profitmaximierung auf dem Rückem ganzer Gesellschaften. Freidrehende Industrielle die alles dem Profit unterordnen. Der Tönnies Fleischskandal z.B. ist die Norm. Das ganze ist ein Fass ohne Boden, an dem wenige obsön viel verdienen, hofiert von großen Teilen der Politik, auf dem Rücken der Mehrheit. Und das ist NUR ein Beispiel von vielen.

    • @Stavros:

      Sehr richtig. Da kann man nichts hinzufügen.

      • @Jungle Warrior:

        Wahre Worte! Ich hätte es nicht anders gesagt.

  • Und warum ist es nicht erfolgreich? Weil die Lösungen zu konfus, diffus und verwirrend sind, sich auch noch oft ändern und vor allem von oben herab verordnet wirken. Anstelle dass man erst einmal ein Bewusstsein dafür schafft, was man eigentlich lösen will, legt man eben sofort damit los.

    Häufig können dann auch die Befürworter sich nicht erklären. Ich hatte mal lokal eine Politikerin, die brachte den Satz "Sprache muss gendergerecht sein." Also fragte ich sie ganz naiv, da mir das damals noch neu war: "Warum?" Die Antwort darauf war alles, nur keine Antwort, sondern eine Folge von Hohlphrasen.

    Wer aber mir das nicht erklären kann, der soll bitte auch seine Meinung nicht als Fakt darstellen.