Kriegsverbrechen in der Ukraine: Barbarei als Programm
Ein von Ria Novosti veröffentlichter Gastbeitrag entlarvt, worauf Moskau zielt: die Vernichtung der Ukraine. Es ist Zeit, das zur Kenntnis zu nehmen.
D ie Tragödie, die sich in der Ukraine vor den Augen der Weltöffentlichkeit abspielt, hat seit dem vergangenen Wochenende einen neuen Namen, und er wird nicht der letzte auf der Liste von unvorstellbaren Gräueltaten sein: Butscha. Das Massaker, das russische Truppen in dem Kiewer Vorort an wehrlosen Zivilist*innen begangen haben, ist in Worten kaum mehr zu fassen, das wahre Ausmaß der Gewaltorgie noch gar nicht zu ermessen.
Wer jetzt noch darüber sinniert, ob es sich um einen bedauerlichen Einzelfall handelt, welche militärische Strategie Russland verfolgt und ob das Kriegsgrauen doch noch auf diplomatischem Weg beendet werden kann, täte besser daran, die nackten Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen. Das Ziel Russlands ist kein geringeres, als das ukrainische Volk, ohnehin nur ein „Irrtum“ der Geschichte, in Gänze zu vernichten und auszulöschen. Kurzum: Barbarei als Programm.
Den pseudotheoretischen Unterbau lieferte diese Woche dankenswerterweise die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Novosti in Form eines Gastbeitrags unter der Überschrift: „Was Russland mit der Ukraine machen soll“. Das neofaschistische Pamphlet par excellence lässt keine Fragen offen. Da ist von De-Ukrainisierung, De-Europäisierung und Umerziehung die Rede – davon, den gesellschaftlichen Sumpf trockenzulegen, vom Krieg als historische Lehrstunde und Sühne für die eigene Schuld.
Worauf warten wir noch?
Neutralität? Von wegen. Es geht um „Neutralisierung“, sprich Eliminierung auf ganzer Linie, was sonst. Angesichts dieses eiskalt geplanten Völkermordes – und das auch noch mit Ansage – mutet die Vorstellung der Bundesregierung erbärmlich an, und sie hat die Grenze des Zumutbaren längst überschritten. Zaudern, Zögern, Gefeilsche um Waffen nebst des Ringens um Zustimmung, ebendiese an die Ukraine zu liefern. Und das alles noch garniert mit Halb- und Unwahrheiten.
Auch an der Analyse eigener Unterlassungssünden und Falschbewertungen in der Vergangenheit mangelt es den Politiker*innen nicht. Doch diese so publikumswirksam zelebrierte und neu entdeckte Fehlerkultur wird kein einziges Leben in der Ukraine retten. Und sie bleibt wohlfeiles Geschwätz, wenn sie keine Konsequenzen hat.
Mariupol, Charkiw, Donbass, Odessa – das Morden geht weiter. Und man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, was da noch auf die Ukrainer*innen zukommen wird. Künftige Ausreden, man habe das alles nicht wissen können, haben ausgedient. Ach übrigens: Auch der Satz, man habe Russlands Präsidenten schon viel früher hören und ernst nehmen sollen, war in den vergangenen Woche häufig zu vernehmen. Tun wir es jetzt doch endlich. Worauf warten wir noch?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?