Bundespolizei sucht nach Linken in Zügen: Schaffner sollten Dreadlocks melden

Nach dem Urteil gegen Lina E. wollte die Bundespolizei Infos über linke Fahrgäste. Nordwestbahn entschuldigt sich für Liste mit Erkennungsmerkmalen.

Ein schwarz gekleideter Mensch steht einer Reihe von Polizist:innen in Schutzausrüstung gegenüber

Nach den Kriterien der Bundespolizei schwer zu sagen, ob dieser Demonstrant in Bremen ein Linker ist Foto: Kai Moorschlatt/dpa

BERLIN taz | Ein Aufruf der Bundespolizei an Zugpersonal in Norddeutschland, Informationen über vermeintlich linke Fahrgäste zu liefern, sorgt für harsche Kritik. MitarbeiterInnen der Nordwestbahn sollten unter anderem auf „Dreadlocks“ und „alternatives Aussehen“ achten. Der Republikanische Anwaltsverein hält eine solche Aufforderung für rechtswidrig und spricht von diskriminierendem Profiling und Grundrechtseinschränkungen.

Die Nordwestbahn bestätigte der taz ein Hilfeersuchen der Bundespolizei, das am Mittwoch vor Demonstrationen anlässlich des Urteils gegen die Antifaschistin Lina E. verbreitet wurde. Das Eisenbahnunternehmen entschuldigt sich für problematische Formulierungen. Die Bundespolizei antwortet bis Redaktionsschluss nicht.

Bekannt gemacht hatte die Aufforderung die Bremer „Basisgruppe Antifaschismus“, die über Twitter eine interne Mitteilung der Nordwestbahn veröffentlichte. Das Eisenbahnunternehmen fährt unter anderem auf Strecken zwischen Osnabrück und Bremen sowie zwischen Oldenburg und Bremen.

In der internen Anweisung an das Zugpersonal heißt es wörtlich: „Laut Bundespolizei sind linke Personen an folgenden Merkmalen bzw. Aussehen zu erkennen: Alternatives Auftreten bzw. Aussehen, evtl. mit Dreadlocks, links orientiert, besonders häufig auch Studenten, Personen, die der ‚Öko-Szene‘, ‚Grünen-Szene‘ oder Generation-Z zuzuordnen sind.“ Das Zugpersonal sollte demnach Personen an die Betriebsleitzentrale melden, auf die diese Beschreibung passt und die in Richtung Bremen unterwegs waren.

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Rechtswidriges Handeln der Polizei

Der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam aus dem erweiterten Vorstand des Republikanischen Anwaltsvereins nennt die Aufzählung der Merkmale „absurd“, „gefährlich“ und „diskriminierend“. Er hält bereits die Frage der Bundespolizei an die Nordwestbahn für empörend und sieht gleich mehrere Grundrechte beschnitten, etwa den Gleichheitsgrundsatz und die Versammlungsfreiheit. „Niemand ist per se verdächtig aufgrund seines Aussehens“, sagte Adam der taz. Und: „Wenn die Personen sogar noch auf dem Weg zu einer Versammlung sind, greift zusätzlich der Schutz aus Artikel 8 des Grundgesetzes, der auch die ungehinderte Anreise schützt.“

„Diese Aufforderung der Bundespolizei ist daher in mehrfacher Hinsicht rechtlich hochproblematisch“, sagte Adam. Zugpersonal würde aufgefordert, zu Hilfspersonen rechtswidrigen Handelns der Bundespolizei zu werden. „Zugbegleiter*innen haben keine hoheitlichen Aufgaben und das ist auch gut und richtig so“, sagte Adam der taz.

Ein Sprecher der Nordwestbahn bestätigte der taz das Hilfeersuchen der Bundespolizei und entschuldigte sich gleichzeitig für die getätigten Äußerungen in der internen Mitteilung. „Die Bundespolizei hat am vergangenen Mittwoch die Eisenbahnverkehrsunternehmen in Bremen darum gebeten, über das Aufkommen von De­mons­tran­t:in­nen in den Zügen zu informieren“, erklärte der Sprecher.

Die in den sozialen Medien veröffentlichte E-Mail der Betriebsleitzentrale sei durch einen Mitarbeiter versendet worden. Woher die vermeintlichen Erkennungsmerkmale für die De­mons­tran­t:in­nen stammten, werde derzeit ermittelt. Der Mitarbeiter sei am Donnerstag bis zur abschließenden Klärung von seinen Aufgaben entbunden worden.

Die Nordwestbahn distanziert sich von „Diskriminierung“

„Die Nordwestbahn distanziert sich ganz klar von den Ausführungen in der E-Mail.“ Diese entsprächen in keiner Weise den Leitideen und Grundwerten des Unternehmens. „Die Nordwestbahn steht für die Ablehnung jeglicher Form von Diskriminierung, insbesondere gegenüber Mitarbeitenden und Fahrgästen.“

Bundesweit war es am Mittwochabend zu Demonstrationen der linken Szene gekommen, nachdem gegen die AntifaschistInnen Lina E. sowie drei Mitangeklagte in Dresden mehrjährige Haftstrafen verhängt worden waren. In Bremen war es bei Protesten zu Würfen mit Steinen und Glasflaschen auf PolizistInnen gekommen, laut Polizei seien acht Einsatzkräfte leicht verletzt worden. 70 Menschen seien festgenommen worden, mittlerweile aber wieder frei.

Für Samstag hat die Linke Szene zu Protesten und einer bundesweiten Demonstration in Leipzig aufgerufen. Die Polizei dort rüstet sich für einen Großeinsatz, die Stadt verhängte ein Demonstrationsverbot. Die Anmelder legten noch in der Nacht zu Freitag Rechtsmittel dagegen ein.

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