Debatte über Herkunft von Verdächtigen: Dünger für den Hass
Die FDP will, dass die Behörden bekanntgeben, wo Verdächtige herkommen. Wohin solche Diskurse führen, zeigen die rechten Mobs in Großbritannien.
D a in Deutschland abermals eine Debatte über die Nennung der Herkunft von Verdächtigen bei Straftaten entbrannt ist, gehören zwei Fakten an den Anfang dieses Texts.
Erstens: Valide wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Soziologie und Kriminologie zeigen, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen der Herkunft von Täter*innen und Kriminalität gibt. Andere Faktoren spielen da eher eine Rolle: Sozialisierung, Alter oder das Geschlecht.
Zweitens: Der Pressekodex ist in Deutschland sehr deutlich, wann die Herkunft eines*einer Täter*in genannt werden soll und wann eben nicht. Diese Richtlinie kann wie folgt zusammengefasst werden: Ist die entsprechende Herkunft relevant, um die Tat selbst zu kontextualisieren, sollte sie unbedingt erwähnt werden.
Beispiel: Wenn ein Täter sein Opfer entführt und ins Ausland verschleppt, ist es unter Umständen wichtig zu wissen, woher dieser Täter stammt. Noch ein Beispiel: Wenn ein Täter als Spion unterwegs ist, spielt die Herkunft mit hoher Wahrscheinlichkeit eine wichtige Rolle. Wenn die Herkunft für die Tat aber irrelevant ist, ist sie es für die Berichterstattung ebenfalls.
Doch diese durch unzählige Studien und kriminologische Praxis erprobten Erkenntnisse werden in der aktuellen Debatte wieder einmal missachtet, ja sogar von jenen ins Lächerliche gezogen, die es nicht interessiert, dass sie nach Wahlkämpfen verbrannte Erde hinterlassen. So hat FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai populistisch gefordert, die Behörden sollten die Herkunft von Verdächtigen immer nennen. In NRW plant das Innenministerium, zukünftig in Pressemitteilungen der Polizei automatisch die Herkunft von Verdächtigen zu erwähnen.
Gefährliche Forderung
Diese gefährliche Forderung bringt mehr Unsicherheit für die Gesellschaft. Verdächtige gelten bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig, ihre Herkunft zu nennen, gleicht eher einer Kategorisierung nach Hautfarbe in „gut“ – wenn die Person zum Beispiel Müller heißt und weiß-deutsch ist – und in „schlecht“ – wenn die Person zum Beispiel Djir-Sarai heißt.
Auch ist die viel diskutierte polizeiliche Kriminalstatistik mit Vorsicht zu lesen: Sie bezieht sich auf Verdächtige und spiegelt die Perspektive der Polizei wider. Die pauschale Nennung der Herkunft von Verdächtigen sät Hass in der Gesellschaft und kippt noch braune Gülle als Dünger nach. Eine pauschale Umsetzung in den Sicherheitsbehörden und/oder im Journalismus wäre ein großer Sieg für den Rechtsextremismus.
Wo solche Debatten enden können, zeigt sich derzeit in Großbritannien. Dort überziehen seit Tagen gewalttätige rechtsextreme Mobs das Land mit rassistischer Gewalt. Sie greifen Unterkünfte für Geflüchtete an, plündern Supermärkte und demolieren Moscheen. Auslöser war eine Debatte über die Herkunft eines jungen Täters, der vor wenigen Tagen in der Stadt Southport drei Kinder getötet hatte.
Längst kursierten Falschinformationen über seine Herkunft im Netz. In rechtsextremen Kreisen wurde er intendiert-fälschlich als muslimischer Asylbewerber betitelt. Tatsächlich handelte es sich um einen im Vereinigten Königreich geborenen Sohn einer christlich geprägten Einwandererfamilie.
Nun könnte man argumentieren: Gerade deswegen sollte man immer die Herkunft nennen. Doch so einfach ist es nicht. Die kontextbefreite und pauschale Betonung der Herkunft würde schlicht als Rampe für Rassismus dienen und nichts zur Bekämpfung von Kriminalität oder zum Opferschutz beitragen.
Klare Regeln, die in Deutschland über den Pressekodex schon existieren, sollten auch klar kommuniziert und angewendet werden. Die Herkunft des Täters spielt in diesem und in sehr vielen anderen Fällen keine signifikante Rolle. Die Aufklärung von Kriminalität sollte im Mittelpunkt stehen, nicht die rassistische Projektion radikalisierter Gruppen und einer Hass säenden Politik.
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