Die Verständnisfrage: Angst vor Achselhaaren
Warum regen sich manche Männer über Achselhaare bei Frauen auf, fragt eine Leserin. Ein 22-Jähriger antwortet.
In der Verständnisfrage geht es jede Woche um eine Gruppe, für deren Verhalten der Fragesteller*in das Verständnis fehlt. Wir suchen eine Person, die antwortet.
Lina, 30, Stadtplanerin aus Berlin fragt:
Liebe Männers, warum regt ihr euch so über Achselhaare bei Frauen auf?
Manu, 22 antwortet:
Wenn über Körperbehaarung bei Frauen gesprochen wird, kann es schnell komisch werden. Vor allem, wenn es um Achselhaare geht. Aber auch ich persönlich finde sie bei Frauen nicht sehr ästhetisch. Grundsätzlich würde ich nicht wollen, dass meine Freundin lange Haare unter den Achseln hat.
Wenn ich im Bus neben jemandem sitze – egal ob Mann oder Frau –, der unangenehm riecht, finde ich das nicht so schön. Und wenn diese Person dann auch noch lange Achselhaare hat, stößt mich das schon ab. Dann stellen sich mir automatisch Fragen: Sind sie gepflegt? Riechen sie? Längere Haare assoziiere ich sofort mit Unsauberkeit. Bei glatt rasierten Achseln weiß ich zumindest, dass es hygienischer ist.
Ab einer gewissen Länge werden Achselhaare für mich auch politisch. Mir ist bewusst, dass sie als Zeichen feministischer Emanzipation gelten. Das finde ich grundsätzlich gut. Unsere Vorstellungen von Schönheit werden stark von unserer Sozialisation geprägt. Dabei stehen Frauen viel mehr unter dem Druck von Schönheitsidealen als Männer – auch beim Thema Achselhaare. Doch obwohl ich mir dessen bewusst bin und meine eigene Sozialisation hinterfrage, finde ich lange Achselhaare nicht ästhetisch. Wenn ich an eine selbstbewusste Frau denke, die sich gegen Schönheitsideale wehrt, denke ich aber an Natürlichkeit und Selbstbestimmung.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Im Allgemeinen ist das Schönheitsideal für Frauen haarlos, frisch rasiert, mit Make-up und gut gestylt. Achselhaare passen da nicht rein. Das zeigt sich auch in der Arbeitswelt. Als Professorin würde es vielleicht nicht so auffallen, wenn längere Achselhaare sichtbar sind. Aber bei einer Kellnerin könnte es schon komische Blicke hervorrufen. Frauen werden definitiv öfter kritisiert als Männer. Was gar nicht geht, ist, eine fremde Person auf ihre Behaarung anzusprechen. Das ist respektlos und grenzüberschreitend.
Früher hat mich das alles mehr gestört als heute. Mittlerweile denke ich mir: Solange mich die Haare nicht berühren, ist mir das ziemlich egal. Im Grunde genommen empfinde ich Achselhaare inzwischen als etwas Normales, egal ob bei Männern oder Frauen. Haare können auch sauber sein, man sieht es nur nicht auf den ersten Blick. Und ich sehe ein: Es ist ein Zeichen von Selbstbewusstsein, seine Achselhaare wachsen zu lassen und zu zeigen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen