Antisemitismus bei Fridays for Future: Gegenrede reicht nicht mehr

Fridays for Future verbreitet bei Instagram antisemitische Verschwörungserzählungen. Die deutsche Sektion hält zwar dagegen. Doch es braucht mehr.

Aktivist:innen von Fridays for Future tragen Fahne als Umhang

Fridays for Future 2021 bei einer Demo in Berlin Foto: Daniel Lakomski/imago

Am Mittwoch veröffentlichte Fridays for Future (FFF) als Reaktion auf den Krieg zwischen Israel und der Hamas ein Statement auf dem internationalen Insta­gram­kanal der Organisation. Mit Klimaschutz hat der Inhalt nichts zu tun. Die Bewegung verkündet stattdessen, westliche Medien würden Gehirnwäsche betreiben, um die Bevölkerung dazu zu bringen, sich mit Israel zu solidarisieren.

FFF bezeichnet Israel als „Apartheid-System“, den Konflikt als „Genozid“. Der jüdische Staat wird zum absoluten Bösen erklärt, der Angriff der Hamas als Reaktion auf Unterdrückung ausgelegt. Diese Täter-Opfer-Umkehr, in der Israel als Sündenbock dient, verkennt nicht nur die Realität. Sie überträgt vor allem das antisemitische Narrativ, Jü­d*in­nen seien an ihrer Verfolgung selbst schuld, das seine krasseste Ausprägung in Bezug auf den Holocaust findet, auf die staatliche Ebene.

Den „westlichen Medien“ wirft Fridays for Future vor zu lügen und das Leid der Menschen in Gaza zu verschweigen. Die Medien seien von imperialistischen Regierungen, die Israel unterstützen, bezahlt und beeinflusst. Damit knüpft die Klimabewegung an die antisemitische Verschwörungstheorie an, Medien würden von jüdischen Eliten gesteuert.

Das aktuelle Statement zeigt zum wiederholten Mal, dass die junge Bewegung ein Antisemitismusproblem hat. Bereits Anfang 2023 rief Fridays for Future International, damals noch auf Twitter, zur Intifada gegen den „Apartheidstaat“ Israel auf. Als Intifada werden zwei Wellen palästinensischer Aufstände gegen Israel von 1987 bis 1993 und von 2000 bis 2005 bezeichnet, in denen vor allem israelische Zi­vi­lis­t*in­nen getötet wurden. Schon im Herbst 2022 durfte die Gruppe „Palästina Spricht“, die wegen antisemitischer Äußerungen bekannt ist, bei einer Kundgebung von FFF Bremen eine Rede halten.

„Unsere Herzen sind groß“

Zuletzt machte Greta Thunberg, die bekannteste Aktivistin der Bewegung, Schlagzeilen, weil sie zur Solidarisierung mit Gaza aufrief. Der entsprechende Post zeigt vier Aktivistinnen, die „Free Palestine“- oder „Stand with Gaza“-Schilder in die Kamera halten. Eine von ihnen hat eine Stoffkrake auf dem Knie, schon unter den Nazis Symbol einer vermeintlichen jüdischen Weltverschwörung.

Das Bild steht für eine jüdische Elite, die die Welt mit ihren Tentakeln umschließt. Als Reaktion auf die Kritik sagte die Schwedin, dass ihr diese Symbolik nicht bekannt gewesen sei. Außerdem hätte sie gedacht, es „verstehe sich von selbst“, dass sie den Angriff der Hamas verurteile. Später löschte sie das Foto und postete eine Version, in der die Krake nicht mehr vorkommt.

Fridays for Future Deutschland solidarisierte sich noch am Tag von Thunbergs Post, ebenfalls per Instagram, mit den Opfern der Hamas und Jü­d*in­nen weltweit. Die Organisation sehe auch das Leid in Gaza, schreibt sie weiter. Und: „All das sind keine Widersprüche. Unsere Herzen sind groß genug, all das gleichzeitig fühlen zu können.“

Wenn die Solidarität mit Jü­d*in­nen ernst gemeint ist, muss auf den verschwörungsideologischen Post von Fridays for Future International eine Reaktion folgen. Als Graswurzelbewegung hat Fridays for Future keine transparente Organisationsstruktur, weder international noch national. Es gibt dementsprechend kein durch die Basis gewähltes Team für Öffentlichkeitsarbeit oder Sprecher*innen, die man für den Post zur Rechenschaft ziehen kann.

Delegitimation der Bewegung

Gerade deshalb stellt sich für FFF Deutschland die Frage, ob man als Ableger einer Bewegung, die immer wieder durch Antisemitismus auffällt, wirklich solidarisch mit Jü­d*in­nen sein kann. Darauf muss die Bewegung Antworten finden, die dem Ernst der Situation und der Kontinuität von antisemitischen Parolen in FFF-Strukturen gerecht werden.

Den Hass gegen Jüd*innen, der ak­tuell nicht selten in Gewalt ausartet, hat Fridays for Future mit seinem Insta­gram­auftritt jedenfalls befeuert. Das gefährdet Menschenleben. Und es delegitimiert eine Bewegung, die so viele junge Menschen hinter sich vereinen konnte wie keine andere. Angesichts der zunehmend eskalierenden Klimakrise ist auch das fatal.

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