„Welt“ diffamiert Behörde: Die böse grüne Bundesnetzagentur
Die „Welt“ nennt die Bundesnetzagentur eine neue Zensurbehörde. Das ist ein unnötiger Aufschrei gegen eine normale rechtsstaatliche Aufgabe.
K ennt jemand die Bundesnetzagentur? Die ist, Achtung, kein Witz, eine „Ursprungsbehörde“ mit Sitz in Bonn. Sie bewohnt da einen riesigen Gebäudekomplex ehemaliger Bundesbauten der ehemaligen Bundeshauptstadt, die bis heute verkrampft daran festhält, „Hauptsitz“ so manches Bundesministeriums zu sein.
Das Informations- und Presseamt der Bundesregierung, also die oberste PR-Abteilung von Kanzler & Co., gehört nicht dazu. Die Bundesnetzagentur ist, wie ihr überaus origineller Name schon sagt, für Netze von Strom bis Gas, Telekommunikation und so weiter zuständig. Meinungsmache und Zensur fallen ausdrücklich nicht ihren Aufgabenbereich.
Springers Welt sieht das anders und wirft der Bundesnetzagentur und ihrem Direktor vor, mit Blick aufs Internet, „die nette neue Zensurbehörde“ zu sein. „Fast unbemerkt“ habe sie „damit begonnen, die Meinungsfreiheit zu regulieren“.
Die Behörde des „grünen Cheftechnokraten Klaus Müller schafft eine ‚Meldestelle‘, die eigenmächtig über ‚Hass‘ und ‚Fake News‘ entscheiden soll“, schrieb das Blatt am Dienstag. Dieses Vorgehen „steht im offenen Widerspruch zum Rechtsstaat“, postuliert die Welt, die es mit dem Linksstaat ja eh nicht so hat.
Worum es geht? Um die Meldestelle REspect! der Stiftung zur Förderung der Jugend in Baden-Württemberg mit Sitz in Sersheim, die für die Bundesnetzagentur ein sogenannter trusted flagger ist: Vertrauenswürdige Organisationen, die Missstände im Netzdiskurs, also Hatz, Hetze, Sexismus und leider vieles andere mehr im Internet melden sollen.
„Nassforsche Regulierungsbehörden“
„Ganz oben auf der Internetseite dieser Organisation“, deren Name die Welt „unheilvoll an einen sprachlich-typographischen Auffahrunfall“ erinnert, „prangt kämpferisch ein fünfzackiger Stern, der allerdings aktivistisch pink und nicht sozialistisch rot eingefärbt ist“. Klarer Fall also! Wer regiert BaWü? Der pinkgrüne Winfried Kretzschmann.
„Wie bitte? Der Staat soll der öffentlichen Auseinandersetzung die Regeln vorgeben?“, fragte die Welt in schönster Scheinheiligkeit. Ähm – ja, dazu sind zum Beispiel Gesetze, Presserecht, Gerichte da, alles Staat, liebe „Welt“. Und nicht die Grünen, wie ihr behauptet.
Über „illegale Inhalte“ entschieden in Deutschland aus guten Gründen die Gerichte und nicht „nassforsche Regulierungsbehörden“, schreibt das Blatt weiter. Stimmt, weshalb gegen Entscheidungen einer Behörde wie der Bundesnetzagentur natürlich auf dem Rechtsweg vorgegangen werden kann. „Ok, der Hund bellt, auch wenn es noch keinen Hund gibt!“, stöhnt die Mitbewohnerin.
Warum konstruiert die Welt aus einem völlig normalen rechtsstaatlichen Vorgang den Untergang des Abendlandes? Ja, euer Feind steht grün! Friedrich Merz ist doch schon Kanzlerkandidat. Mit wem regiert Kretzsche in BaWü nochmal?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört