Wahldebakel der Linkspartei: Allerletzte Chance

Das Wahldebakel der Linkspartei ist hausgemacht. Entweder die Partei erfindet sich als Reformkraft neu – oder sie wird untergehen.

Zwei Männer schauen auf einen Bildschirm, einer hält sich eine Hand vor den Mund

Erste Reaktionen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses am Sonntagabend auf der Wahlpartsy der Linken Foto: Cathrin Müller/reuters

Die Linkspartei bleibt im Bundestag – das nur, weil sie drei Direktmandate geholt hat, darunter Gregor Gysi und Gesine Lötzsch. Das ist ein fast überdeutliches Zeichen. Die Partei zehrt ein letztes Mal von ihrer Vergangenheit, von der Rolle, die sie in den 90er Jahren als Stimme des Ostens gespielt hatte. Die PDS managte die Integration der Abgewickelten in den Westen. Das war nötig. Aber es ist verwelkter Ruhm.

Die Erzählung der Linkspartei war später: Wir sind die Rache für den Verrat, den die SPD mit der Agenda 2010 beging. Auch das war nötig, und ein starker, aber auch ein täuschend starker Grund. Denn er war nichts Eigenes, sondern nur ein Kontra, eine Geste der Opposition. Die ist in dem Maße ausgebleicht, in dem sich die SPD mit sich versöhnt hat.

Mehr als ein halbe Million Ex-Linkswähler haben SPD gewählt. Das ist kein Wunder. Wenn die SPD 12 Euro Mindestlohn will und das auch durchsetzen kann, die Linkspartei 13 Euro fordert, ohne das realisieren zu können – wen wählt man da?

In der Linkspartei gibt es eine oft wiederholte Phrase. Ja, wenn die SPD wieder sozialdemokratisch ist, dann reden wir mit ihr über eine Regierung. Das klang immer selbstgefällig. Es war noch schlimmer – nämlich dumm. Denn nichts musste die auf Anti-SPD-Kurs fixierte Linkspartei mehr fürchten als eine SPD, die wieder einigermaßen glaubhaft sozialdemokratisch auftritt. Denn damit steht mit zerstörerischer Wucht die Frage im Raum: Wofür braucht man dann die Linkspartei?

Im Westen zur Kleinpartei geschrumpft

Die Linkspartei hat insgesamt eine Million Wähler an SPD und Grüne verloren – offenbar, weil die lieber Parteien wählen, die regieren und nicht bloß Recht haben wollen. Im Westen ist sie zur Kleinpartei mit 3,7 Prozent geschrumpft. Das ist am Rand zur Bedeutungslosigkeit – fast ein Schritt weiter.

Die verschiedenen Strömungen und Gruppen werden sich das Desaster nun gegenseitig in die Schuhe schieben. Das wird kein schöner Anblick – Meuterei auf sinkendem Boot.

Die Frage aber ist nötig: Warum diese Niederlage? Es waren keine misslichen Umstände. Das Debakel ist hausgemacht. Hier rächt sich ein strategischer Fehler. Dreiviertel der Linkspartei-Klientel will, dass ihre Partei regieren kann.

Aber die Partei ist in dieser Frage bewegungsunfähig. Sie traut sich nicht, regierungsfähig zu werden. Vielleicht, weil ihre unscharfe Abgrenzung zu SPD und Grünen dann erst recht offenkundig würde, vielleicht, weil sie Zoff mit ihrem versteinerten antiimperialistischen Flügel fürchtet. Wahrscheinlich wegen beidem. Die Charmeoffensive Richtung Rot-Grün auf den letzten Metern im Wahlkampf war jedenfalls zu offensichtlich taktisch und ohne Substanz.

Die Linkspartei hat diese Quittung verdient. Sie klammert sich an einen Status quo, der ihre fragilen, inneren Machtbündnisse schützt, aber politisch ins Koma führt.

So unfähig die Linkspartei ist, als Ganze Regierungsbeteiligung anzustreben, so unfähig war sie, mit klaren Botschaft in zentralen politischen Fragen aufzutreten. Bei der Migration wollen viele GenossInnen offene Grenzen, Sahra Wagenknecht, die bekannteste linke Politikerin, bloß das nicht.

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In der Linkspartei gibt es radikale Klimaschutzaktivisten – und einen Flügel, der das alles nicht so wichtig findet. Eine Partei, die Schlüsselfragen nur in hoch ideologisch aufgeladenem Streit verhandeln kann und zudem dauernd Doppelbotschaften sendet, die kann sich über Wahlniederlagen nicht wundern.

Es gibt in der Linkspartei sehr viele kluge Köpfe, und bei Sozialem und Finanzen nötige politische Ideen, auf die die Partei das Copyright hat. Sie hat jetzt noch eine Chance, sich von den Dogmatikern, die sie wie ein Betonklotz am Bein in die Tiefe ziehen, zu trennen und sich als linke Reformkraft zu erfinden. Es ist die allerletzte Chance.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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