Talkshowgast Alice Weidel: Rhetorisches Rollkommando
Mit Rechten reden? Gar nicht so einfach – drei Erkenntnisse, die der Auftritt der AfD-Kanzlerinnenkandidatin bei Caren Miosga nahelegt.
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Alice Weidel, Kanzlerkandidatin der AfD, redete bei „Caren Miosga“ am Sonntagabend also einfach immer weiter und ranzte rüde die Gastgeberin an („Das verstehen Sie nicht“). Miosga wirkt angesichts dieses ebenso gepanzerten wie erwartbaren Auftritts mitunter ratlos. Sie kam gegen Weidels Lautstärke schlicht nicht an. Weidel garnierte ihr rhetorisches Rollkommando mit dem originellen Vorwurf, sie dürfe nie ausreden.
Die endlose Debatte, wie man AfD-PolitikerInnen in Talkshows und Interviews begegnet, ist um eine Erkenntnis reicher: Wer sich wie Miosga an die üblichen diskursiven Regeln hält, wirkt angesichts des dröhnenden Propaganda-Feuerwerks schnell überfordert und überrumpelt.
Jenseits dieses misslichen Eindrucks diente die Sendung durchaus der Aufklärung. Miosga bohrte beim Verhältnis der AfD zur Nazi-Vergangenheit beharrlich nach – bis die AfD-Chefin gereizt erklärte, dass „diese ganze Holocaust-Anheftung nervtötend“ sei. In der Regel beherrscht Weidel ihre Mimik bis zum Maskenhaften. Konfrontiert mit dem rechtsextremen Begriff „Schuld-Kult“, den sie auch mal benutzt hatte, gerieten die vereisten Gesichtszüge der AfD-Chefin leicht in Bewegung.
Affektgesteuertes Abrissprogramm
Weidel sei, so noch immer das Bild in manchen Medien, das bürgerliche, halbwegs akzeptable Antlitz der Rechtsextremen. Die AfD-Chefin sei keine völkische Ideologin, sondern eine Neoliberale, die wirtschaftspolitisch anschlussfähig an den Mainstream sein könnte. Wenn der Moment gekommen ist, der AfD den Weg in die Mitte und zur Macht zu leuchten, dann werde Weidel die Fackel tragen, glauben manche.
Der zweite Erkenntniswert am Sonntagabend war: Das ist eher ein Irrtum. Weidel ist eine ideologisch ausgehärtete Mixtur von Javier Mileis Kettensägen-Rabulistik und Ultranationalismus. Es war klug, Hildegard Müller, Lobbyistin der Automobilindustrie, einzuladen. Sanft im Ton, hart in der Sache, machte sie deutlich, was AfD-Wirtschaftspolitik bedeuten würde: Sie ist ein von Affekten gesteuertes Abrissprogramm, das Pleiten und Arbeitslosigkeit hinterlassen würde. Windparks niederreißen, Austritt aus dem Euro, Rückkehr zur Atomkraft, Verbrenner statt E-Autos bauen – all das wäre ökonomisch fatal.
Weidel drehte angesichts von Müllers mittlerer Vernünftigkeit vor allem ihre Lautstärke hoch – und wirkte zusehends überdreht. Der Euro, so Weidels Ansage, werde bald zusammenbrechen. Das „versteht nicht jeder“, erklärte Weidel. Nur Erleuchtete wie sie begreifen, dass der quasi naturgesetzliche Euro-Crash unaufhaltsam vor der Tür steht. Es ist erstaunlich, dass viele diese Mischung von biestiger Arroganz und Neigung zu wohligem Katastrophismus für attraktiv halten.
Wenn nicht originell, so doch klug war es, den Welt-Journalisten Robin Alexander einzuladen. Der sagte nicht viel, aber das Richtige. Er wies knapp auf den inneren Widerspruch der AfD hin, die sich gleichermaßen an Trump wie an Putin anschmiegen will, die USA und Russland seien aber geopolitische Gegner. Dass die AfD-Chefin Deutschland für einen „Sklavenstaat der USA“ hält, dürfte die Sympathien rechtskonservativer WählerInnen für die AfD auch nicht in die Höhe jagen.
Die dritte Erkenntnis: Weidels Rhetorik, die AfD-typische Mixtur aus Beleidigtsein und Aggression, funktioniert gegen Miosga, die die verachteten Öffentlich-Rechtlichen verkörpert. Die Frage „Darf man das?“ prallt am gefestigten AfD-Wutbürgertum ab. Hektisch hingegen wirkte Weidel, wenn sie sich nicht gegen einen klaren Gegner in Stellung bringen kann, sondern sagen muss, was sie will. Denn dann wird deutlich, dass die AfD nicht ist, was sie vorgibt zu sein: Anwältin deutscher Interessen.
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