Linkspartei bricht mit Wagenknecht: Die Faxen dicke
Der Parteivorstand der Linken fordert Sahra Wagenknecht zur Rückgabe ihres Bundestagsmandats auf. Es gebe mit ihr keine gemeinsame Zukunft mehr.
„Der Bruch ist da, und wir planen ohne sie“, sagte die Parteivorsitzende Janine Wissler in einer Sitzungspause vor der Berliner Parteizentrale. Es habe immer wieder Bemühungen gegeben, Wagenknecht und ihren Mitstreiter:innen „Brücken zu bauen“, um eine gemeinsamen Grundlage zur Zusammenarbeit zu finden. Doch all diese Versuche seien vergeblich gewesen.
Jetzt sei eine Entscheidung getroffen worden, „die Zukunft der Partei zu gestalten, und zwar ohne diejenigen, die im Moment aktiv an einem Konkurrenzprojekt arbeiten“, sagte ihr Co-Vorsitzender Martin Schirdewan. Damit würde nun ein Kapitel geschlossenen, „das uns viel zu lange gequält hat“.
Ausgangspunkt für den Vorstandsbeschluss war ein Treffen des geschäftsführenden Parteivorstands mit Wagenknecht und den beiden Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali am 25. Mai im Karl-Liebknecht-Haus. Bei dem vertraulichen Gespräch hatten Wissler und Schirdewan eine Frist bis zum vergangenen Freitag gesetzt, bis zu der sich Wagenknecht erklären sollte, von der Gründung eines konkurrierenden Parteiprojektes Abstand zu nehmen und entsprechende Vorbereitungen umgehend einzustellen.
Doch dazu war Wagenknecht nicht bereit. Stattdessen bestätigte sie in einem Interview mit „Welt TV“, dass sie an Gesprächen über eine mögliche Parteineugründung beteiligt sei. Eine Entscheidung über ihre politische Zukunft werde sie bis zum Jahresende treffen.
Die öffentlichen Ankündigungen Wagenknechts, die Gründung einer konkurrierenden Partei zu prüfen, „stellen die Einheit der Linken in Frage und schaden uns seit geraumer Zeit massiv“, heißt es dazu in dem Vorstandsbeschluss. So häuften sich parteiintern Berichte, dass bereits Vorbereitungen zur Gründung eines konkurrierenden Parteiprojektes getroffen werden.
In seinem Beschluss fordert der Parteivorstand Wagenknecht und ihre Mitstreiter:innen zur Rückgabe ihrer Mandate auf. Schließlich seien alle Linken-Abgeordneten auf Wahlvorschlag der Partei in die Parlamente gewählt wurden. Es sei daher „ein Gebot des politischen Anstandes und der Fairness gegenüber den Mitgliedern unserer Partei, wenn diejenigen, die sich am Projekt einer konkurrierenden Partei beteiligen, konsequent sind und ihre Mandate zurückgeben“.
Eine Partei könne es nicht hinnehmen, „dass aus ihr heraus, aus Ressourcen, die über linke Mandate zur Verfügung stehen, eine neue Partei gegründet wird“, sagte dazu Parteichefin Wissler. Der Vorstand kämpfe um die Einheit der Partei und gegen alle Versuche, sie zu spalten.
Unklare Haltung der Bundestagsfraktion
Unklar ist, wie die Führung der Bundestagsfraktion mit dem Beschluss des Parteivorstands umgehen wird. Sie würden „sehr angeregt und sehr intensiv“ mit der Fraktionsspitze diskutieren, „wie entsprechende Maßnahmen aussehen können, um diese Partei vor einem Konkurrenzprojekt zu schützen“, antwortete Schirdewan dazu auf Nachfrage nur etwas blumig. Er gehe davon aus, dass der Beschluss auch „in weiten Teilen der Bundestagsfraktion“ auf Zustimmung stoßen werde.
Das Problem der Partei: Um den Fraktionsstatus nicht zu gefährden, hält die Fraktionsspitze bislang auf Biegen und Brechen an Wagenknecht fest. So verkündete Bartsch noch unlängst in einem Interview: „Ich werbe dafür, dass man sie für den Erfolg der Linken nicht nur einbindet, sondern sie zu einem wichtigen Bezugspunkt macht und ihre Fähigkeiten nutzt.“ Am vergangenen Montag hatte er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk sogar – nach mehrmaligem Nachfragen – die Fristsetzung an Wagenknecht vehement bestritten. „Ich kenne kein Ultimatum“, behauptete er.
Über Fraktionspressesprecher Michael Schlick ließ Bartsch am Donnerstag allerdings auch gegenüber der taz dementieren, er habe auf dem Treffen – unterstützt von Mohamed Ali – deutlich gemacht, dass nach seiner Auffassung Wagenknecht selbst bei einem Parteiaustritt Mitglied der Fraktion bleiben könne. Eine entsprechende Äußerung von ihm habe es nicht gegeben, ließ er mitteilen. Was die taz auch nicht geschrieben hatte. Schließlich bedurfte es eines solchen Wortbeitrags gar nicht.
Die Botschaft ist auch so angekommen. Tatsächlich soll sich seine Co-Fraktionsvorsitzende auf dem Treffen entsprechend geäußert haben – und zwar ohne jeglichen Widerspruch von Bartsch. Was als Zustimmung gewertet werden kann. Die Äußerungen von Mohamed Ali hätten sie „aus den Socken gehauen“, so eine anwesende Person zur taz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour