Die Linkspartei bricht mit Wagenknecht: In letzter Sekunde
Die Linke sieht ihre Zukunft ohne Sahra Wagenknecht. Damit zieht die Partei endlich die Reißleine. Das war längst überfällig.
D ie Ansage kommt spät, möglicherweise zu spät: „Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht“, hat der Parteivorstand der Linken am Wochenende einstimmig beschlossen. Damit manifestiert er jetzt endlich unmissverständich den Bruch, den Wagenknecht längst de facto vollzogen hat. Das war mehr als überfällig. Denn: Hat die Partei überhaupt noch eine Zukunft?
Ob die zerfledderte Linke noch zu retten ist, ist offen. Klar ist aber: Eine Fortsetzung des bisherigen Zauderns und Zögerns würde sicher den Untergang bedeuten. Bislang stets gedeckt von der grandios fehlbesetzten Führung der Bundestagsfraktion, denunzieren Wagenknecht und ihre Kombattant:innen bis heute die Mehrheit der Partei als Ansammlung von „Lifestylelinken“, die den Bezug zu den wahren gesellschaftlichen Problemen verloren hätte. Das lässt sich nicht nur auf Dauer nicht aushalten, sondern ist auch infam.
Um es ganz konkret zu machen: Viel zu wenig beachtet, ist die Linke bedauernswerterweise die einzige Partei im Bundestag, die sich der fatalen Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verweigert, die also nicht dabei mitmachen will, die Grundrechte von Menschen in Not an den EU-Außengrenzen weitgehend zu schleifen. Das zeigt, wie wichtig eigentlich die Partei ist. Von einem „Anschlag auf die Menschenrechte“ und einem „Kniefall vor Rechtsaußen“ spricht zu Recht die Linken-Vorsitzende Janine Wissler. Und was sagt Wagenknecht dazu? Sie distanziert sich von den Äußerungen Wisslers: „Wenn man ein Problem versucht zu lösen, dann ist das kein Kniefall.“
Für die „Linkskonservative“ Wagenknecht ist das Problem nicht die Not der Geflüchteten, sondern die „unkontrollierte Zuwanderung“, die halt „irgendwie“ gelöst werden müsse. Damit befindet sich die vermeintliche Nonkonformistin im Bundestag im antihumanen Mainstream – von den Ampelparteien SPD, FDP und Grünen bis zur Union und der AfD, die laut Beifall klatschen. Aber weit jenseits der Positionen ihrer derzeitigen Partei. Und links ist das schon einmal gar nicht.
Dass sich die Linkspartei in einer Existenzkrise befindet, verdankt sich ihrem jahrelangen Unvermögen, einen klaren Trennstrich zu der in trüben Gewässern fischenden Populistin und ihrem zerstörerisch wirkenden Anhang zu ziehen. Selbst den nunmehr seit etwa einem Jahr laufenden Planungen für eine Konkurrenzkandidatur zur Europawahl wurde bislang hilflos zugeschaut. Jetzt hat die Partei endlich die Reißleine gezogen. Es war allerhöchste Zeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt