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Koalitionspläne für WahlrechtsreformDann lieber ganz radikal

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Durch die Wahlrechtsreform könnten flächendeckend Wahlkreise ohne Direktmandat bleiben. Da wäre es besser, das Zwei-Stimmen-Prinzip ganz abzuschaffen.

Der Bundestag muss kleiner werden, aber nicht auf Kosten der kleinen Parteien Foto: Christian Spicker/imago

E in Bundestag ohne CSU hätte diesem Land viel erspart. Kein Franz Josef Strauß, der als Verteidigungsminister die Polizei in die Spiegel-Redaktion schickte. Kein Karl-Theodor zu Guttenberg, der nichts als eine vermurkste Bundeswehrreform hinterließ. Und kein Andreas Scheuer, der als Verkehrsminister der Großen Koalition darauf bedacht war, möglichst große Teile seines Etats nach Bayern umzuleiten.

Die Aussicht, dass die CSU aus der Bundespolitik verschwinden könnte, ist mit Blick auf ihre politische Bilanz also einerseits verlockend. Trotzdem ist der neueste Plan der Ampelkoalition für das Wahlrecht gefährlich. Der am Sonntag publik gewordene Entwurf der Regierungsfraktionen könnte die Demokratie beschädigen. Anders als in bisherigen Entwürfen fehlt in den neuen Plänen zur Wahlrechtsreform die sogenannte Grundmandatsklausel. Erste Medienberichte haben die Auswirkungen zum Teil verkannt. Ihnen zufolge entfiele nur die geltende Regelung, wonach eine Partei, die mindestens drei Wahlkreise gewinnt, auch dann in Fraktionsstärke ins Parlament einzieht, wenn sie bundesweit unter 5 Prozent bleibt.

Schon das hätte ein Geschmäckle gehabt: 2021 hat es die Linkspartei nur wegen dieser Klausel noch mal mit mehr als drei Abgeordneten in den Bundestag geschafft. Die Ampel stünde also im Verdacht, sich gezielt der linken Opposition entledigen zu wollen. Grundsätzlich hätte sich die Streichung aber doch noch einigermaßen schlüssig begründen lassen können: Warum muss ein gewonnener Wahlkreis in Ostberlin dazu führen, dass ein Kandidat aus dem Schwarzwald ein Mandat erhält?

Tatsächlich sind die Konsequenzen des neuen Entwurfs aber weitreichender: Eine Partei, die unter 5 Prozent bleibt, dürfte künftig nicht mal ihre gewonnenen Wahlkreise behalten. Die Linke säße also nicht mal mehr mit ihren drei direkt gewählten Abgeordneten im Bundestag. Und für die Zukunft ist denkbar, dass die CSU zwar weiterhin Dutzende Wahlkreise gewinnt, aber trotzdem kein Mandat erhält: Auf den Bund hochgerechnet landete sie schon 2021 nur knapp über der Fünfprozenthürde.

Auch die ursprünglichen Reformpläne der Ampel hätten zur Folge gehabt, dass einzelne Wahlkreissieger ohne Mandat bleiben. Ein Makel, aber akzeptabel angesichts des Ziels, den Bundestag auf halbwegs gerechte Weise zu verkleinern. Der neue Plan könnte jedoch dazu führen, dass flächendeckend Wahlkreise ohne Direktmandat bleiben. Das geht so sehr gegen die Intuition, dass es sogar besser wäre, das Wahlrecht noch radikaler zu reformieren – und die Wahlkreise und somit das 2-Stimmen-Prinzip ganz abzuschaffen.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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71 Kommentare

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  • Insgesamt sieht die Wahlrechtsreform gut aus, aber die Abschaffung der Grundmandatsklausel ist mindestens politisch unklug. Ich halte ohnehin nicht viel von diesen Sperrklauseln, die die Pfründe der großen Parteien schützen. Wenn man schon die Grundmandatsklausel abschaffen will, sollte man auch die Fünfprozenthürde zur Dreiprozenthürde reformieren. Das reicht völlig aus, um eine Zersplitterung des Parlaments zu verhindern und der modernen Parteienlandschaft gerecht zu werden.



    Alternativvorschlag zur Güte: CSU zur Partei einer nationalen Minderheit erklären. ;)

  • Die Forderung des Autors, besser das Zwei-Stimmen-Prinzip abzuschaffen, ist etwas verwirrend:



    Sie hätte ja die identischen Folgen wie der derzeit diskutierte Vorschlag - keine Direktmandate, Gefahr für CSU und LInke.... Oder?

  • Auch jetzt schon werden Wahlkreise keineswegs immer von Leuten aus dem Wahlkreis repräsentiert. Wenn ein Abgeordneter aus einem Wahlkreis stirbt oder abtritt, rückt einer von der Liste nach - und diese Person kommt meistens keineswegs aus dem Wahlkreis, sondern irgendwoher aus demselben Bundesland.

    • @Suryo:

      Stimmt. Aber das ist aber nur ein schwaches Argument.



      Wer sagt denn wann und wie ein Wahlkreis gut vertreten ist. Das kann man niemals objektiv feststellen.



      Muss derjenige dort geboren und aufgewachsen sein? In welchem Umfang müssen Wahlkreisthemen bei dem jeweiligen Abgeordneten auf dem Wochenplan stehen?

      So muss wenigstens ein Wahlkreisbüro vorhanden sein und der jeweilige Abgeordnete muss durch Vororttermine alle Jubeljahre mal so tun, als würde er was für die lokalen Belange machen.



      Das ist doch schon mal was... :)

      • @Chris McZott:

        Von Vorteil ist es auf jeden Fall, wenn die Familie wichtigster Arbeitgeber im Wahlkreis ist - wie z.B. bei Familie Söder

      • @Chris McZott:

        Richtig. Zumal Wahlkreis ja nicht Wahlkreis ist. In einer Großstadt hat man zB viel mehr aktive Parteimitglieder, die einen unterstützen können. In Mecklenburg gibt es dagegen Wahlkreise von der Größe des Saarlandes und vielleicht nur 50 Aktive. Dafür vielleicht auch weniger partikularinteressen verschiedenster Gruppen, wie sie für eine Großstadt typisch sind.

        Im übrigen hat ein Wahlkreis ja oft noch Abgeordnete anderer Parteien, die über Liste eingezogen sind, im Parlament.

  • Von mir aus kann der Bundestag 1.000 Abgeordnete haben - wenn endlich Volksabstimmungen wie in der Schweiz eingeführt werden. Artikel 20 Grundgesetz spricht ausdrücklich von Wahlen UND Abstimmungen, in denen das Volk seine Gewalt ausübt. Dieser Verfassungsgrundsatz muss endlich mit Leben erfüllt werden.

    • @Horst Flugfeld:

      Zustimmung!

      • @Matt Gekachelt:

        ...vollste Zustimmung - mehr politische Bildung eines jeden Bürgers/ Wählers wäre aber Pflicht und bitte - ähnlich eines Führerscheins einzuführen...

        • @Alex_der_Wunderer:

          Gute Idee, bin ich mit dabei.

  • Gurer Artikel! Die Reform erscheint mir brandgefährlich für die Demokratie. Wie soll man noch glaubhaft erklären, dass die Leute wählen sollen, wenn direkt gewählte Personen kein Mandat erhalten? Dabei wäre die Lösung doch ganz einfach - einfach die Zahl der Direktmandate halbieren indem immer 2 Wahlkreise zusammengelegt werden.

  • Oder noch radikaler: 5%-Hürde ersatzlos streichen.

    Ich hab eh noch die verstanden, warum hunderttausend Wähler (durchschnittlich 200000 pro Wahlkreis), die zufällig nah beieinander wohnen, unbedingt repräsentiert werden müssen, und 1 Mio Wähler (5% sind 3 Mio), die in Deutschland verteilt wohnen getrost ignoriert werden können.

    • @fifaltra:

      Weil mit der Direktmandatstimme lediglich gewählt wird, wer dich im Landtag oder Bundestag repräsentiert. Das man diese Person möglicherweise nicht abkann und sich möglichst distanzieren will tut den nichts zur Sache.

      Auch die verfallenden Stimmen gehören Personen irgendeines Wahlkreises an, wo sie von einem Direktkandidaten vertreten werden. Dieser muss aber nicht mit der eigenen Wahl übereinstimmen und kann vollkommen andere Überzeugungen haben.

      Regionale Orte müssen Repräsentiert werden im Bundes und Landtag, da diese die Gegebenheiten in den Bezirken am besten kennen.



      Oder wie fände man es wenn irgendwo ein Atomendlager beschlossen wird, aber keine Stimme dieser Region im Bundestag die Meinung vertritt?

      • @Walterismus:

        Abgeordnete repräsentieren aber gar nicht ihre Wahlkreise.

        Jeder Abgeordnete des Bundestages ist Vertreter des gesamten deutschen Volkes.

        Sieht man auch daran, dass im Falle des Todes oder Abtrittes eines direktkandidaten die Landesliste zieht und eben keine Nachwahl in dem Wahlkreis stattfindet.

  • Das Grundproblem am deutschen Wahlrecht ist doch, daß zwei vollkommen unterschiedliche Wahlsysteme (Verhältniswahl und Direktwahl) miteinander vermengt werden.



    Daran ändert auch dieser untaugliche Reformversuch nichts

    Das Grundgesetz schreibt überhaupt kein Wahlsystem vor.



    In Art. 38 heißt es nur:



    (1) 1Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt.

    Nach der geplanten Reform wählen einige Wähler ihren örtlichen Kandidaten direkt, bei anderen Wählern fällt die Direktstimme unter den Tisch trotz Wahlkreisgewinn.



    Eine "gleiche" Wahl wie vom GG vorgeschrieben ist das dann nicht, und das müßte auch das BuVerfG so sehen.

    Dazu kommt noch, daß erst nach Auszählung ALLER Stimmen klar ist, welcher siegreiche Direktkandidat sein Mandat auch erhält.



    Das widerspricht der vom GG vorgeschriebenen "unmittelbaren" Wahl, auch das wird das BuVerfG so monieren.

    Dabei gibt es in vielen Kommunalwahlgesetzen mit dem Kumulieren und Panaschieren eine funktionierende Kombination aus Direktwahl und Verhältniswahl. Zumindest bei uns in Hessen gibt es keine Wahlkreise, und jedes Parlament hat unabhängig vom Wahlausgang die gesetzlich vorgesehene Größe.

    Für den Elfenbeinturm in Berlin aber vielleicht zu einfach.



    Zumal bei solchen offenen Listen die Wähler und nicht irgendwelche Hinterzimmerstrippenzieher bestimmen, wer letztlich ins Parlament einzieht.

  • Die Mischung aus Direkt- und Verhältniswahlrecht macht es tatsächlich umständlich und führt zu dem bekannten aufgeblähten Bundestag.

    Eine Änderung anzustreben ist aber nur dann legitim, wenn sie die Rechte der Wähler stärkt und nicht die der Parteien.

    Eine Stärkung der Wählerrechte wäre möglich mit einem reinen Mehrheitswahlrecht, in dem die Zahl der Wahlkreise automatisch der Zahl der Parlamentssitze entspricht, oder was ich sympathischer finde, mit einer reinen Verhältniswahl über die Liste, bei der jedoch die Wähler das Recht haben zu kumulieren und zu panaschieren, und so direkt bestimmen können welche Personen in den Bundestag einziehen.

    Die geplante Änderung wird jedoch die Rechte der Wähler schwächen und die der Parteien stärken.

    Ein sehr schlechtes Zeichen, das man auch so interpretieren kann, dass den Parteien demokratische Wahlen eher lästig sind weil sie deren Macht beschränken.

    • @Argonaut:

      Kumuliere und Panaschieren auf Bundesebene wäre höchst problematisch. In unserer Mediendominierten Demokratie gäbe es gerade dem ÖRR noch mehr Macht. Ganz abgesehen davon, dass eine Großstadt dann alle ihre Abgeordneten nach Berlin schicken könnte bei strategisch denkenden Wählern und ganz Mecklenburg oder auch Schleswig-Holstein gar keinen mehr. Eine unschöne Begleiterscheinung schon auf kommunaler Ebene, wo es kleine Ortsteile unverhältnismäßig schwerer haben im Gemeindeparlament noch repräsentiert zu werden.

      • @NN:

        "Ganz abgesehen davon, dass eine Großstadt dann alle ihre Abgeordneten nach Berlin schicken könnte bei strategisch denkenden Wählern und ganz Mecklenburg oder auch Schleswig-Holstein gar keinen mehr."

        Schon jetzt gibt es neben den Wahlkreisen für jedes Bundesland eigenen Landeslisten.

        Bei der aktuellen gesetzlichen Größe wären das 22 Direkt- und Listenabgeordnete für Schleswig-Holstein und 12 für Mecklenburg-Vorpommern.



        Die könnte man problemlos mit panaschieren und kumulieren wählen, das Wahlverhalten in Berlin hätte darauf keinen Einfluß.



        Und bei den großen Bundesländern könnte man mehrere regionale Listen wählen, in Bayern z.B. legt man sowieso großen Wert auf die Eigenständigkeiten der sieben Regierungsbezirke.

  • 298 Abgeordnete sind bei weitem genug für das was direkt in D geregelt werden muss. Also immer 2 Wahlkreise zusammenlegen und die Abgeordneten per Direktwahl bestimmen. Es gewinnt der mit der absoluten Mehrheit der abgegebenen Stimmen, bei Bedarf gibt es eine Stichwahl unter den zwei Bestplatzierten. So sind alle Wahlkreise vertreten und jeder Abgeordnete hat wirklich die Mehrheit hinter sich (und nicht 22% neben drei anderen mit 20%). Wer nicht wählt fällt dann zu recht unter den Tisch.

    • @Rechenfix:

      ...dann haben Sie Typen wie Söder gleich mit dabei - wo seine Ehefrau Karin Söder-Baumüller mit wichtigste Arbeitgeberin in seinem Wahlkreis ist...

    • @Rechenfix:

      Ein reines Direktwahlrecht würde allerdings zur Schwächung der kleineren Parteien führen.



      Dort wo es so etwas gibt besteht das Parlament aus Tories und Labour, Republikanern und Demokraten.



      Die kleineren Parteien, vielmehr noch ihre Wähler wären in der sog. Außerparlamentarischen Opposition.

      Eine Zusammensetzung nach Verhältniswahlrecht abbildet ist m.E. beizubehalten.

      Ob die 5%-Klausel angepasst werden sollte ist zu überlegen.

      Ach, was würde eigentlich aus dem Schleswigschein Wählerverband?

    • @Rechenfix:

      Beste Idee, die ich bisher gelesen habe. Stärkung der Wählenden und nicht der Parteien. (Siehe auch oben)

  • Das Wahlgesetz regelt ja auch, wer innerhalb der Partei die Kandidaten aussucht. Die meisten Parteien wollen diese Macht bei den Landesparteitagen halten. Starre Landeslisten entsprechen dem Wunch am meisten.



    Saß derzeitige Wahlgesetz erfordert einen sehr mündigen und gut rechnenden Bürger: wie kann ich eine Partei, die ich nicht mag, ärgern, indem ich deren Direktkandidaten wähle, und dadurch die Prominenz auf der Landesliste aus dem Parlament verdränge.



    Darf man eigentlich als einfacher Bürger auch Wahlreklame machen? "In Wahlkreis X bitte Hauptstimme CDU, Wahlkreisstimme Grüne"

    • @Christoph Strebel:

      Selbstverständlich darf mensch das tun!

  • Warum nicht gleich eine Listenwahl, bei der man kumulieren und panaschieren kann, so dass die Wähler und nicht Pareifunktionäre oder Paritätsgesetze über die Besetzung des Bundestags bestimmen?

  • Unpopuläre Meinung:

    Ich finde das Verfahren mittels Erst- und Zweitstimme mit anschließenden Ausgleichs- und Überhangmandaten eigentlich ganz gut. Kompliziert ist es - klar, aber nur so kann man die Ansprüche



    a) Abbildung des relativen Wahlergebnisses und



    b) Vertretung aller Wahlkreise durch einen Abgeordneten



    umsetzen.

    Der oft genannte Kritikpunkt ist die Größe des Parlaments. Ich halte das aber eher für ein rein baulich-technisches Problem. Warum sollten 598 Abgeordnete in den Ausschüssen besser arbeiten können als 800?



    Kosten des Parlaments? - Der Haushaltsposten "Bundestag" ist verglichen mit anderen nicht sonderlich groß. Und Demokratie darf auch was kosten.

    • @Chris McZott:

      Danke. Genau so sehe ich es auch. Ich schliesse mich dem (medialen) common sense auch nicht an. Am deutschen Parlamentarismus schätze ich gerade diese Tendenz zu Ausgewogenheit und Ausgleich.

      • @Oliver Tiegel:

        Genau, ich sehe es auch so! Es wäre hoch gefährlich, nur wegen einer hohen Zahl von Abgeordneten unser bewährtes und faires demokratisches Wahlsystem aufzugeben!

  • Was das Problem der CSU betrifft, liegt der Fehler aber auch an ihrer unguten Regional-Überregional-Konstruktion im Verbund mit der CDU. Maximal bayrische Politik auf Bundesebene vertreten. Dafür ist doch der Bundesrat da, und nicht der Bundestag. Könnte interessant werden vor dem Verfassungsgericht.

  • Sie wissen dass dies eine Kopie des bayrischen Wahlrecht ist? In Bayern gibt es keine Grundmandatsklausel, und in Bayern bekommen Wahlkreisgewinner deren Partei unter 5% bleibt kein Mandat? Die CSU würde also nur genau das bekommen was sie selbst austeilt.

  • Allerdings fordert Art 38 GG auch, dass die Wahl unmittelbar ist. Also nicht ueber Wahlmaenner oder ausschliesslich Parteilisten.

  • Ich bin ja für Halbtagsmandate. Dann bräuchte man keine Reform des Wahlrechts, sondern nur eine kluge Form der Aufteilung von Präsenz- Zeiten und die Organidation von Büro- Sharing. Viele Abgeordnete sind ja sowieso kaum da, da können sie dann auch unbezahlt wegbleiben, da eürden wir richtig schön sparen. Und die Abgeordneten hätten endlich Zeit für ihre Nebentätigkeiten. Ist doch die ideale Lösung, oder?

    • @Benedikt Bräutigam:

      Der Bundestag als Co-Working Space. Haha. Yupp, dat war was.

  • Aus dem Beitrag entnehme ich, dass CSU und Linkspartei gleichermaßen am Scheitern der Wahlrechtsreform interessiert sein müssten. Warum tun sich beide Parteien nicht zusammen? Das setzt allerdings fast übermenschliche Fähigkeiten auf beiden Seiten voraus, über den Schatten der eigenen Ideologie zu springen. (Verzeihung, ich vergaß: Das sollte Satire sein!)

  • 5% Hürde weg, nur Direktmandate. Aber wäre wohl zu einfach und demokratisch.

    • @Okti:

      Nein, dadurch wuerden wie man weiss alle anderen Stimmen im Wahlkreis entwertet. The winner takes it all, das ist Zero demokratisch.

      • @Charlie Foxtrot:

        Also, wenn eine klare Mehrheit der Stimmberechtigten für eine*n Kandidat*n ist, dann ist das undemokratisch, dass diese Person ins Parlament zieht. Aber wenn man eine Partei wählt, und die Stimmen dieser Wahl dann an die andern Parteien umverteilt werden, dann ist das demokratisch. Verstehe.

    • @Okti:

      Sieht man in den USA und in GB, was für Folgen das hat. Ich jedenfalls brauche weder einen deutschen Trump, noch einen deutschen Boris Johnson.

      • @Kaboom:

        Die AFD hat teils fast 30% in einigen Bundesländern, aber das Wahlverhalten der Wähler hat keine Relevanz, sondern nur das System. Interessante Theorie. Jetzt könnte man natürlich fragen, wie es zum Sturm aufs Kapitol kam, wenn das Wahlsystem an Trump schuld ist.

  • Ein weiterer Schritt Richtung Partitokratie, in der Einzelkämpfer oder nichtkonforme Parteikandidaten ausgefiltert werden. Demokratischer scheint es mir den entgegengesetzten Weg zu gehen.



    Es wird immer mehr Entscheidungsbefugnis an die EU abgegeben. Wieso kann der Bundestag da nicht deutlich verkleinert werden ?



    Es gibt 299 Wahlkreise, jedoch momentan mindestens 598 Bundestagssitze, sprich 50% werden über die Parteiliste vergeben.



    Was wäre, wenn weiterhin jeder, der ein Direktmandat gewinnt, in den Bundestag einzieht. Denn das gebietet das demokratische Grundverständnis. Nun wird aufgefüllt, bis die Parteien prozentual gemäß ihrem Zweitstimmenanteil vertreten sind. (Basis)Demokratischer wäre es, wenn hierbei die unterlegenen Wahlkreiskandidaten gemäß ihres relativen Abschneidens berücksichtigt würden. Aber auch wenn anhand einer Parteiliste aufgefüllt wird, landen wir bei geschätzt 500.



    Man wird ja noch träumen dürfen.

  • Mein Vorschlag: 598 Sitze. 249 über Bundesliste nach Verhältniswahlrecht ohne 5-Prozent-Klausel. 249 über Wahlkreise mit absoluter Mehrheit, also Stichwahl, wenn nötig.

    • @Rottweiler:

      Bei diesem Vorschlag erhalten Sie meine volle Unterstützung!

      Ich habe einen gleichlautenden Vorschlag einem unserer Vertreter im Parlament unterbreitet.

      Er wurde abgetan mit folgender, für mich nicht nachvollziehbarer Begründung:

      "



      Zu Ihrem Vorschlag noch ein Wort: wir haben ein föderales Wahlsystem, was innerhalb der Bundesländer ausgleichen muss. Das bringt viele Schwierigkeiten mit sich, allein schon durch die Existenz der CSU in Bayern. Manchmal habe ich ironisch gesagt, der Landesverbänd der LINKEN aus Berlin könnte sich abspalten und wir hätten dann eine Situation, dass es eine Listenverbindung gäbe, die immer zusammenarbeiten würde, aber doch zu mehr Mandaten führen könnte.



      Ich finde, das ist und bleibt ein Problem.

      Zuletzt: ich bin durchaus zuversichtlich, dass es in dieser Legislatur eine Wahlrechtsreform geben wird und die sehr, sehr vielen Vorschläge aus der Bevölkerung zumindest hier und da Beachtung gefunden haben."

    • @Rottweiler:

      Ich unterstütze den Vorschlag, wobei ich aus Vorliebe für runde Zahlen für ein 300+300-System wäre. Und wer als Direktkandidat antritt, sollte in keiner Liste für die Verhältniswahl auftauchen.

      • @Luftfahrer:

        Profitieren würden von einem solchen Wahlsystem dann die großen Parteien. Die Direktmandate werden zu großen Teilen zwischen CDU/CSU und SPD aufgeteilt. Die Grünen hätten nach dieser Logik bei der Wahl 2021 im Bundestag lediglich 9,6% der Sitze erhalten (16 von 299 Direktmandate, 14% Verhältniswahl).

        Man sollte bei den Direktmandaten auch berücksichtigen, dass der Erfolg eines Kandidaten stark von der gesamtpolitischen Stimmung und weniger von der Person selbst beeinflusst wird.



        Nichtsdestotrotz halte ich Wahlkreisvertreter als "Lobbyisten" der Region für sinnvoll und wichtig, damit auch regionale Besonderheiten mehr Berücksichtigung finden. Dem Politiker aus Schleswig-Holstein wird der Küstenschutz mehr interessieren als die Probleme der pfälzischen Winzer.

  • Die Reform ist formal und inhaltlich ein Fehlgriff. Formal, weil eine Wahlrechtsreform nicht allein von der Regierungsmehrheit abhängig sein darf; oder wollen wir künftig nach jedem Regierungswechsel ein neues Wahlrecht? Und ist es nicht geradezu obszön, dass die Ampelparteien ein Wahlrecht schaffen, das ungeniert auf eine massive Schwächung der Konkurrenz (Union und Linke) abzielt? Womit wir schon beim Inhalt sind: Die Schwächung der Wahlkreise schwächt zugleich die Wählerschaft und stärkt die Parteibürokratie. Am Ende leidet die Demokratie. Das ist nicht gut.

    • @Jochen Laun:

      "...weil eine Wahlrechtsreform nicht allein von der Regierungsmehrheit abhängig sein darf..."

      Steht so in den "obszönen" Gesetzen. Bis jetzt war das kein Problem.

  • DOPPELT wählen könn' wir auch weiterhin, wenn einfach doppelt so große Wahlreise geschaffen werden. Das macht dann HALB SO VIELE. Wenn's dann auch ebensohalbsoviele Listenplätze gibt im Hohen Hause, dann könn' se die Kuppel gleich n Stück runterschrauben: viel Platz, keine neuen-und-schon-kaputten Bürogebäude mehr nötig (und Kanzleramt nimmt sich n Beispiel und canclet auch seinen baulichen Größenwahn), nur noch halb so viele Abgeordnete (plus Ausweich -und Überdrussmandate natürlich). Das Gesetz bleibt wie's is, keiner muss streiten. Und die annähernde Wählerzahl pro Wahlkreis ließe sich etwas flexibler als bisher gestalten, dann wirds auch unkomplizierter mit dem Zusammenlegen ganzer statt halbiert- und gedrittelter Landkreise zu je einem Bundestagswahkreis. Der jetzige Entwurf: Da könnwer nur hoffen, dasser in Karlsruhe geschreddert wird.

  • Das wäre nicht das wesentliche Problem:



    "Der neue Plan könnte jedoch dazu führen, dass flächendeckend Wahlkreise ohne Direktmandat bleiben."

    Bei den überhängenden Wahlkreissiegern, die mit Przentsätzen in den hohen 20ern oder niedrigen 30er vor dem Zweitplatzierten lagen, ist die fehlende Zuteilung eines Direktmandats nicht so wesentlich, da aus solchen (oft großstädtischen) Wahlkreisen meist ein oder mehrere andere in den Bundestag einziehen; nicht selten der oder die zweitplatzierte.

    Das Problem ist ein anderes:



    Bei Wahlkreisen, die mit Werten in den hohen 40ern gewonnen wurden, wie im Fall vieler CSU-Sieger im ländlichen Raum, wäre es schon problematischer, diesen das Mandat zu verweigern, weil aus solchen Wahlkreisen oft niemand anderes in den Bundestag gewählt wurde - schon deshalb, weil die anderen Parteien dort schwach sind und die örtlichen Parteigliederungen dann auch weniger erfolgreich sind, Kandidaten aus dem Wahlkreis über die Liste "abzusichern".

    • @meerwind7:

      Es sollen aber doch die Direktmandate mit den niedrigsten Ergebnissen entfallen. Das Problem ist also eher theoretisch.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Wenn im Fall der CSU alle Direktmandate wegfielen, beträfe das auch die mit hohen Prozentsätzen gewonnenen.



        Weil Parteien wie die SPD und Linke in Bayern schwach sind, und damit die bayerische SPD wenige der bundesweit erzielten SPD-Stimmen bekommt, wäre Bayern auch insgesamt schwach im Bundestag vertreten.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Und was heißt das? Wahlkreise mit Meinungsvielfalt verlieren gegenüber Wahlkreisen, in denen alle einer Meinung sind.

        • @Gorres:

          Das heißt auch, dass der viel besungene Wahlkreisvertreter nur noch einen kleinen Teil der Wähler repräsentiert.

  • Mir ist einfach nicht klar, warum man nicht die Anzahl der Wahlkreise reduziert, z.B. je 2 zusammenlegt. Dann müsste man keine möglicherweise verfassungswidrigen Änderungen durchführen.

    • @Emsch:

      Weil eine einfache Reduzierung der Anzahl der Wahlkreise das Problem nicht angeht, dass unser Wahlsystem von 2 großen und ein paar kleinen Parteien ausgeht. Als durch die neue Gewichtung der Parteien durch die Wähler Wahlkreise nicht mehr mit 40+% gewonnen wurden, musste die Zahl der Abgeordneten extrem steigen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Das war eine rhetorische Frage. Ich weiß sehr wohl, dass das Verhältnis der Erststimmen letztlich die Verhältnisse im Bundestag bestimmt. Trotzdem könnte man die Wahlkreise vergrößern, damit weniger Direktkandidaten haben und mit Listenkandidaten "auffüllen ".

  • Nach Wahlergebnis 2021 wären 5 Direktmandate nicht vergeben worden. Flächendeckend sieht anders aus.

  • Ich würde die Liste abschaffen. Nur noch Stimmen im Wahlkreis. Anzahl der Stimmen gesamt = Anzahl der Sitze für die Partei. Und wer im Wahlkreis für sich relativ die meisten Stimmen hat, der erhält den Sitz der Partei.



    Keine sicheren Listenplätze mehr. Ever.

    • @Kartöfellchen:

      Ausgleich nach Verlängerung -0:0



      Ah, jetz habbich @ Kartöffelchen erst richtig verstanden: Verhältniswahlrecht über die ERSTSTIMME. Da würd sich aber am Problem des zu großen Bundestags nix ändern. Nur hätten die paar Prozent von uns, die inne Wahlkabine ihre zwei Kreuzchen differenziert vergeben, diese Wahl dann nicht mehr. Führende Wahlkreikandidatinnen stünden am Ende mit einigen Stimmen weniger da, weil die Leut eher nach Parteipräferenz abstimmen würden und ihre Einschätzung realistischer Gewinn-Chancen bzgl. einzelner Wahlkreiskandidatinnen keine Rolle mehr spielen würde. Letztlich hätten wir so, technisch gesehen, die Wahlkreisrepräsentation als reines Anhängsel einer ZWEITSTIMME. Macht nix besser, das Parlament nicht kleiner. Auch CSU-ler die quer durch Bayern mit nur 35 Wahlkreiprozenten reinrutschen, wären dann im Parlament dennoch über-zählig. Und müssten wieder durch Listenkandidatinnen der anderen Parteien 'ausgeglichen' werden.

    • @Kartöfellchen:

      "Anzahl der Stimmen gesamt = Anzahl der Sitze für die Partei."

      Im Ernst? Mehrere Millionen Sitze 😁

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Sorry, da habe ich ein = gemacht, das meinen sollte "Entspricht".



        Also Stimmzahlen ergeben Sitze (Verhältniswahlrecht), aber die, welche im Wahlkreis im Vergleich zu den Parteigenossen entsprechen besser abschneiden erhalten die Sitze.

  • Würde der Vorschlag umgesetzt gäbe es nicht einen Abgeordneten mehr, der seinem Gewissen folgt. Um wieder aufgestellt werden blieben nur noch stramme Abstimmungsautomaten, die der Fraktionsdisziplin folgen - da würde eigentlich auch 100 reichen oder 60.

    Auch Hans-Christian Ströbeles Bundestagskarriere wäre nach einer Periode beendet gewesen - so wurden es gegen den Willen der Berliner Parteiführung dann doch fünf.

    • 6G
      657022 (Profil gelöscht)
      @NN:

      Naja, dem Gewissen folgen und nicht als Abstimmungsautomat agieren.... da habe ich bei manchen CDU-/FDP-/SPD-Abgeordneten so meine Zweifel, vor allem wenn ich mir Sachsen betrachte. Von den AfD-Hanseln mal ganz zu schweigen.



      Ich plädiere für Abschaffung der Erststimme. Die ist totaler Humbug bei der Vielzahl der derzeit bei Wahlen antretenden Parteien. Wieso soll jemand einen Wahlkreis vertreten, der vielleicht auf ein Viertel aller Erststimmen kommt? Und dann folgt er doch nur der Fraktiionsdisziplin? Was ist mit den restlichen Dreiviertel der Stimmen? Das Wahlsystem führt hier nur zu mehr Abgeordneten, aber beeinflusst nicht im Geringsten das Abstimmverhalten.

    • @NN:

      Wie wahr, wie wahr.



      Es würden sogar je vertretener Partei genau ein Abgeordneter reichen - mit entsprechendem Stimmgewicht.

      Dann wär auch dieses Feigenblatt "...nur ihrem Gewissen unterworfen ..." Geschichte und der Ehrlichkeit gewichen.

      Ich sag ja: Demarchie muss her !

  • Für die Wahl des ersten Bundestages gabs auch keine Erststimmen sondern jeder konnte die Partei seines Vertrauens wählen.

  • So sympathisch einige der Folgen sind, vielleicht sollte man doch besser ein paar Wahlkreise zusammenlegen, und dann die zweite Hälfte des Parlaments nach Liste besetzen.



    Viel weniger einschneidend, aber mit gleichem Nutzen für die Größenbegrenzung...

    • @mensch meier:

      Das war auch in etwa der Vorschlag von CDU und CSU. Ergebnis: alle hätten weniger Mandate, nur die Union hätte mehr (wenn man die Wahlergebnisse der letzten BT heranzieht)

    • @mensch meier:

      "Viel weniger einschneiden"? Sie scherzen wohl. Das Grabensystem, auf das Sie hier wohl anspielen, wäre eine radikale Abkehr vom Verhältniswahlrecht und damit von der Gleichheit der Stimmen.

    • @mensch meier:

      "Ein paar Wahlkreise zusammenlegen", wäre insofern undemokratisch, da diese momentan so ausgelegt sind, dass alle Wahlkreise eine ähnliche Anzahl an Wahlberechtigten haben. "one man one vote". Wenn in der Nachbargemeinde zwei Wahlkreise zusammengelegt würden, aber meine unangetastet bleibt, hat mein Nachbar nur noch halb so viel demokratisches Gewicht. Es müsste also grundsätzlich reformiert werden und bundesweit z.B. aus zwei Wahlkreisen ein neuer gebildet werden.

    • @mensch meier:

      ", und dann die zweite Hälfte des Parlaments nach Liste besetzen."

      Also praktisch alles beim alten lassen, bis auf ein paar weniger Direktmandate? Aktuell sind 437 über die Liste drin ...

    • @mensch meier:

      Ich Schliesse mich Ihren vielleicht Überlegungen an -



      nur das ich nicht nachvolziehe warum ,wenn zukünftig der Bundestag eine feste Grösse mit um die 600 Mitgliedern haben soll, ein paar Wahlkreise zusammengelegt werden müssen.



      Warum nicht die 299 Wahlkreise belassen und in diesen 299 Abgeordnete direkt ohne Fraktionszwang wählen und weitere 299 bundesweit über Parteien/Listen ohne 5% Hürde?



      Anschließend können sich die Parlamentarier in Fraktionen Zusammenschliessen. Das würde zwar die Parteien/Listen bevorteilen die auch mit den Direktkandidaten ihren Wahlkreis gewinnen - aber undmokratischer als das jetzige System mit der 5 % Hürde und den damit verbundenen verschwinden von Wählerwillen im Parlament wäre es auch nicht. Es böte auf Bundesebene auch kleinen Parteien die Möglichkeit mit ein paar Parlamentariern an der Demokratie mitzuwirken. Pro % Wählerstimmen wären immerhin drei Mandate für die Kleinstparteien mit einen solchen System zu haben.

    • @mensch meier:

      So ähnlich wurde es ca. 60 Jahre lang gemacht.