Idee aus Hilflosigkeit: Klimaanpassung ist eine Lüge
Wir sollen uns dem Klimawandel anpassen. Als wäre der über uns gekommen wie eine Naturkatastrophe. Als gäbe es keinen Verursacher, der Mensch heißt.
Man muss keine „Autoritätsproblematik“ haben, um in Rage zu geraten, wenn jemand sagt: „Pass dich an!“ Aber duldsamen Menschen mag es leichter fallen, Zweifel an der geforderten Verhaltensänderung zu ignorieren. Die hingegen, die sich schwertun mit autoritären Vorgaben, sehen weniger den Vorteil der Anpassung, als die Widersprüche, die damit verbunden sind.
Ich bin eine von denen, bei denen die Warnlampen angehen, wenn jemand vom Anpassen spricht. Vielleicht bin ich auch nur eine, die damit kokettiert, dass es so ist. Wie dem auch sei, wenn ich Anpassung höre und derzeit höre ich das oft in der Version „Klimaanpassung“ schnürt es mir den Hals zu, und zwar aus verschiedenen Gründen.
– Weil diese Anpassung falsche Sicherheit verspricht.
- Weil der eigentliche Verursacher, der Mensch, nicht mehr benannt wird. Wer etwas Schlimmes verursacht hat, müsste Verantwortung dafür übernehmen.
– Weil das Mantra der Anpassung verschweigt, dass wir uns gar nicht so schnell anpassen können, wie die Erde sich aufheizt.
– Weil sich die Vorstellung, die Klimakrise sei mit Anpassung zu lösen, manipulierend in unser Denken schleicht. Wer sich anpasst, schwimmt mit. Also lernt schwimmen!
– Und weil ich sehe, dass es eine Lüge ist. Die Lüge von der Anpassung: Hauptsache angepasst, dann wird alles gut.
Nein, nichts wird gut.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Politiker*innen, die von Klimaanpassung reden, wollen signalisieren, dass die Folgen der Erderwärmung noch kontrollierbar seien. Es brauche jetzt Anpassung an den Klimawandel, sagen sie. Damit aber zäumen sie das Pferd vom Schwanz her auf. Der selbsternannte „Klimakanzler“ ist ganz vorne mit dabei.
Wir brauchen radikalen Klimaschutz
Für die Anpassung wird viel Geld locker gemacht. Für Hochwasserschutz. Für Waldumbau. Für Wasserspender in Städten und Kühlräume allerorten etwa. Was die Politikmachenden verschweigen: dass wir vor allem radikalen Klimaschutz bräuchten. Die Anpassung aber, das sind die Kosten für die jahrzehntelangen politischen Versäumnisse in Sachen Klimaschutz. Und die Anpassungen, die in dreißig Jahren gemacht werden müssen und die noch viel mehr Geld verschlingen werden, sind die Versäumnisse von heute.
Klimaanpassung ist eine Idee, die aus Hilflosigkeit angesichts epidemischer Untätigkeit entstanden ist. Würde gesagt, wir müssen radikal umsteuern, um die Erderwärung zu begrenzen, bis dahin müssen wir mit Anpassungen gucken, wo wir bleiben, ich wäre d’accord. Aber fast alle Politiker*innen wollen der Bevölkerung die Wahrheit nicht zumuten. Aus Angst, dass jene, die willentlich über die Klimakrise lügen und der Wissenschaft den Vogel zeigen, mehr Zustimmung erhalten. Sie glauben, dass sie so die Kontrolle behalten. Klar, wenn die Wahrheit unangenehm ist, wer will sie dann schon hören? Ein Grund, die Wahrheit nicht auszusprechen und die Bevölkerung mit zu tätigenden Anpassungen einzulullen, ist das aber nicht.
Die Entwicklung der letzten Warmzeit dauerte 10.000 Jahre. Da hatten Mensch und Natur etwas mehr Zeit als jetzt, hitzeresistent, dürreresistent, überschwemmungsresistent zu werden, sich also anzupassen. Jetzt sind es gerade mal 100 Jahre. Da kommt die DNA keines Grashalms mit.
„Die globale Klimakrise“, heißt es auf der Webseite des Bundesumweltministeriums, „wird weitreichende Folgen für Umwelt, Natur, Wirtschaft und Gesundheit haben. Notwendig ist eine vorsorgende Politik von Anpassungsmaßnahmen“. Im dazu passenden Erklärfilm sind höhere Flussbetten, begrünte Fassaden, eine Fabrik mit Windrad, Markisen und Wasserspender zu sehen. Alles so lieblich.
Nur, was die PolitikerInnen heute als Anpassung verkaufen, ist bestenfalls Erste Hilfe. Alles, was nach der Ersten Hilfe getan werden müsste, die Operationen am offenen Herzen, werden unterlassen. Vorsorge sieht anders aus.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten