Die Berliner SPD und die Enteignungs-Initiative: Das S steht für Sabotage

Die Berliner SPD sabotiert das Volksbegehren Deutsche Wohnen enteignen. Die Enteignungskommission arbeitet nicht wie abgesprochen.

Franziska Giffey posiert vor dem Schriftzug SPD

Davon entsteht keine neue Wohnung: Posing Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Kaum jemanden lässt die SPD so zuverlässig im Stich wie die Mieter*innen. In Berlin gehen die Sozialdemokraten sogar noch einen Schritt weiter: Hier sabotieren sie aktiv seit Längerem das erfolgreiche Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co. enteignen. Die Vorsitzende der Enteignungskommission, Herta Däubler-Gmelin (SPD), pfeift offenbar auf beschlossene Kompromisse, will Sitzungen geheim durchführen und die Initiative so gut es geht raushalten.

Die ehemalige Bundesjustizministerin will lieber über Alternativen zur Vergesellschaftung reden und in dem Gremium selbst mit abstimmen, obwohl das Gegenteil vereinbart war. Einschreiten dagegen müsste Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (auch SPD). Dass er das nicht machen wird, ist absehbar.

In historischer Perspektive könnte man mittlerweile denken, das S in SPD stehe für Sabotage. Nachdem die SPD (zusammen mit der Linken) in den 2000er Jahren unter Finanzsenator Thilo Sarrazin öffentliche Wohnungen und Sozialbauten reihenweise verscherbelt und dabei nebenbei heutige Aktienunternehmen wie Vonovia aufgeblasen hat, verhinderte die Partei jahrelang im Bund zusammen mit der CDU wirksamen Schutz vor Mietpreissteigerungen.

In Berlin kümmerte sich der ehemals für Inneres und mittlerweile für Stadtentwicklung und Bauen zuständige Senator Geisel darum, die Rechtsprüfung des Volksbegehrens Deutsche Wohnen und Co. enteignen möglichst lange hinauszuzögern. Die juristisch nicht allzu strittige Frage, ob das Volksbegehren zulässig sei, bestätigte die Behörde erst nach unfassbaren 441 Tagen – und einer Klage der Initiative.

Das Ergebnis: Auch wenn es noch nie gemacht wurde, ist das Anliegen des Volksbegehrens – Enteignungen von Wohnraum gegen Entschädigungen – rechtlich zulässig. Das sieht das Grundgesetz ausdrücklich vor. Dabei dauert das Lesen des Artikels 15 gar keine 441 Tage: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“

Populismus und Baufilz

Nachdem die SPD das Volksbegehren nicht auf rechtlichem Wege verhindern konnte, sorgte sie im Wahlkampf für größtmögliche Augenwischerei mit Quatschargumenten: „Davon entsteht keine einzige Wohnung“, war 2021 das Wahlkampf-Mantra von SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey.

Was sie nicht gesagt hat: Von Populismus entsteht auch keine einzige neue Wohnung. Das Argument geht am Kern vorbei, wenn es darum geht, die Preisspirale und Verdrängung zu stoppen – auch wenn es parallel natürlich Neubau von sozialem Wohnraum braucht.

Giffey und die SPD wollen wie in besten Baufilz-Zeiten auf ein Bündnis und auf Dialog mit der Immobilienlobby setzen – Selbstverpflichtungen der Immobilienwirtschaft hätten ja schon immer gut funktioniert. Ebenso kündigte Giffey im Wahlkampf an, dass es Enteignungen mit ihr nicht geben werde. Die nun Regierende Bürgermeisterin erhielt 390.000 Stimmen, für Vergesellschaftung stimmten 1.035.950 der knapp 1,8 Millionen Wählenden.

Das Spiel auf Zeit geht weiter

Nach dem erfolgreichen Volksentscheid spielt Giffey wie zuvor Andreas Geisel auf Zeit. Die Regierende versuchte das Thema in der Enteignungskommission zu versenken, die dem Auftrag nach zwar zunächst den Anschein erweckte, das Thema ernst zu nehmen, sich aber nun zunehmend als das entpuppt, was immer befürchtet wurde: Die Sabotage eines erfolgreichen Volksbegehrens, das nach gescheitertem Mietendeckel, scheinbar unaufhaltsamer Verdrängung, nicht mehr vorhandenem bezahlbaren Wohnraum und nicht greifender Regulierung auf dem Wohnungsmarkt die letzte Hoffnung von Berlins Mie­te­r*in­nen ist.

Es soll regeln, was schon längst geregelt gehört hätte: Die Vertreibung privater Wohnkonzerne und Aktiengesellschaften, die anderer Leute Lebensgrundlage nutzen, um Renditen für ihre ohnehin zu reichen Anteilseigner zu erzielen.

Die SPD aber will offenbar weiter dafür sorgen, dass dies so bleibt. Und dann beschwert sich der werteflexible SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert noch darüber, ein Jahr lang vergeblich eine Wohnung in Berlin gesucht zu haben – trotz mehr als 10.000 Euro Monatsgehalt und gutem Netzwerk. Kühnert hatte mal selbst für das Volksbegehren für Vergesellschaftung geworben, sich das dann aber auf dem Weg zu höheren Aufgaben in der SPD anders überlegt.

Dass aber ewiges Spiel auf Zeit und Sabotage dabei helfen, das Volksbehren möglichst geräuschlos abzuwickeln, kann sich Franziska Giffey abschreiben wie ihre Uni-Abschlussarbeiten. Berlins Mie­te­r*in­nen werden nicht vergessen, wofür sie gestimmt haben. Und sich das hoffentlich nicht bieten lassen.

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