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EnteignungskommissionKommission startet öffentlich

Mit einer Anhörung zum Wohnungsmarkt startet die Arbeit. Nach großer Kritik soll am Freitag eine neue Geschäftsordnung verabschiedet werden.

Bitte Platz nehmen und die Enteignung einleiten Foto: dpa

Berlin taz | Auf die Ex­per­t:in­nen der Enteignungskommission wartet am Donnerstag geballtes Expertenwissen. Im Haus Ungarn in der Karl-Liebknecht-Straße wird das Gremium zu seiner ersten inhaltlichen Sitzung zusammenkommen – einer Anhörung zum Zustand – also den Zuständen – auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Die vielen Ver­fas­sungs­recht­le­r:in­nen und Ju­ris­t:in­nen der Kommission werden jenen zuhören, die sich beruflich dem Thema widmen.

Neben den Vorständen des Marktforschungsinstituts Empirica und der Investitionsbank Berlin werden der Sozialwissenschaftler Andrej Holm und der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins Reiner Wild über den Mietenmarkt sprechen, Christoph Trautvetter, Autor der Studie „Wem gehört die Stadt“, über die Eigentümerstrukturen und Rouzbeh Taheri, einer der Initiatoren von Deutsche Wohnen & Co enteignen, über die Geschäftsstrategien der privaten Großvermieter. Es dürfte ein düsteres Bild werden. „Wir werden aufzeigen, warum wir die Kampagne begonnen haben und warum es weiter richtig und wichtig ist, die großen Wohnungskonzerne zu vergesellschaften“, so Taheri zur taz.

Wer sich selbst ein Bild machen möchte, ist eingeladen: Die Anhörung ist öffentlich und wird im Livestream übertragen. Selbstverständlich ist das nicht: Über die Frage der Transparenz – und allgemein der Arbeitsweise der Kommission – hatte es zuletzt Streit gegeben. Laut einer von der Kommissionschefin Herta Däubler-Gmelin beim ersten Zusammentreffen vorgelegten Geschäftsordnung sollte die Kommission ihre monatlichen Sitzungen im Grundsatz unter Ausschluss der Öffentlichkeit abhalten – entgegen des vom Senat gefassten Einsetzungsbeschlusses.

Nach deutlicher Kritik von Deutsche Wohnen & Co enteignen, der Linken und Teilen der Grünen war es zu einem Treffen von Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) mit Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) und Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) gekommen, wie Krecks Verwaltung auf Anfrage bestätigte. Auch mit Däubler-Gemlin soll daraufhin nach taz-Informationen nochmal gesprochen worden sein. Ein erstes Treffen zwischen der Vorsitzenden und Kreck hatte bereits unmittelbar nach der ersten Kommissionssitzung Ende April stattgefunden.

Ringen um die Geschäftsordnung

Ob die Gespräche zu einer Einsicht geführt haben, die Kommission sich doch noch zu einer grundsätzlichen Transparenz bekennt, wird sich am Freitag zeigen. Dann soll die Kommission ihre Geschäftsordnung beschließen. Auf Anfrage heißt es aus der Justizverwaltung, die Geschäftsordnung müsse „vom Senatsbeschluss und dem Koalitionsvertrag abgedeckt sein“.

Konkret benannt wird nur der „Zeitpunkt, zu dem die Kommission ihre Arbeitsergebnisse vorlegt“. Festgelegt worden war ein Jahr, Däubler-Gmelin wollte den Abschlussbericht dagegen erst Monate später präsentieren. Nach taz-Informationen will Däubler-Gmelin nicht darauf verzichten, selbst abzustimmen. Sichergestellt werden soll hingegen, dass alle Kommissionsmitglieder selbst Gutachten in Auftrag geben dürfen.

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2 Kommentare

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  • Mit Andrej Holm haben die ja gleich den richtigen Experten aufgestellt.



    Ich bin nicht der Meinung "einmal Stasi, immer Stasi", siehe den sehr abgewogenen Essay bei der Zentrale für politische Bildung: www.bpb.de/themen/...1-11&pk_kwd=240047



    meine aber, da er mit seiner Vergangenheit unehrlich umgegangen ist, zu Recht zurücktreten musste.

    Vielmehr kritisiere ich sein Verhalten in seiner kurzen Zeit als Staatssekretär für Wohnen und Bauen.



    Er hat aktiv Massnahmen zur Sanierung des kommunalen Wohnungsbestands verhindert um die Mieten niedrig zu halten. Das ist kurzsichtig und zerstört Werte. Wer die grossen Gründerzeithäuser in Neukölln z.B. kennt, die im Besitz der Stadt sind, kennt die Probleme.



    Das ist nur ein Beispiel aus Jahrzehnten bis heute, in denen der Senat zeigt, dass er einen kommunalen Wohnbestand nicht auf Dauer werterhaltend verwalten kann oder will.



    Ob das kommunale Wohnungsgesellschaften können, die unter dem Einfluss der Politik stehen?



    Zweifelhaft.



    Das muss man bei der ganzen Debatte mit bedenken.

  • Kostet mich zwar Überwindung aber das klingt einleuchtend:



    ........Die drei Regierungsparteien haben in ihrem Senatsbeschluss klare Vorgaben für die Arbeitsweise der Kommission zur Umsetzung des Volksentscheids gesetzt. Diese werden von der Kommissionsvorsitzenden Herta Däubler-Gmelin (SPD) jedoch nicht eingehalten. »Däubler-Gmelin bricht den Senatsbeschluss am laufenden Band: Als Vorsitzende plant sie, sich an Abstimmungen zu beteiligen – damit ist sie nicht mehr unparteilich. Das Ergebnis, also die Empfehlung der Kommission, soll ein weiteres halbes Jahr hinausgeschoben werden. Zudem will Däubler-Gmelin die Öffentlichkeit von den Kommissionssitzungen komplett ausschließen. (…) Und deutlich wird auch: Die Kommission soll offenbar alles mögliche diskutieren – nur nicht ihre klar formulierte Aufgabe, also Wege zur Vergesellschaftung«, so Kunkel. Dass Däubler-Gmelin das Empirica-Institut als »neutrale wissenschaftliche Gruppe« in die Kommission einladen will, obwohl es der Immobilienlobby nahesteht, bewertet er als »besondere Provokation und Kampfansage an alle Mieter:innen«.....



    www.jungewelt.de/a...spiel-der-spd.html



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    "Haus der ungarischen Kultur", 1973



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