Aus für den Veggie-Burger: Neue Hackordnung in der Europäischen Union
Das EU-Parlament hat beschlossen, dass vegetarischer Fleischersatz nicht mehr Wurst heißen soll. Kritik an „Entmündigung“ der Verbraucher.
Das bedeutet das Aus für den beliebten „Veggie-Burger“ – allerdings kein Verbot für das Produkt. Ein fleischloser, vegetarischer Hamburger muss nach dem Willen der Abgeordneten aber künftig anders heißen. Für den Antrag, den die konservative Französin Céline Imart eingebracht hatte, stimmten 355 Parlamentarier, 247 waren dagegen.
Bisher dürfen Begriffe wie Wurst, Schnitzel oder Burger auch für pflanzliche Alternativen verwendet werden. Nach dem Willen des Parlaments soll dies künftig nicht mehr gelten. Nach dem beschlossenen Antrag stehen „Steak“, „Schnitzel“, „Hamburger“ und „Wurst“ künftig auf dem Index, wenn sie nicht mit Fleisch produziert werden.
„Es geht um Transparenz und Klarheit für den Verbraucher und um Anerkennung für die Arbeit unserer Landwirte“, so Imart. Viele Bezeichnungen im Supermarkt seien irreführend. Für neue Namen hatten sich auch Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Agrarminister Alois Rainer (CSU) ausgesprochen. „Eine Wurst ist eine Wurst“, sagte Merz.
Allerdings macht der Zusatz „Veggie“, „pflanzlich“ oder „plant-based“ auch bisher schon klar, dass es sich bei den Lebensmitteln um vegetarische Produkte handelt. Die Liberalen wollten daher lediglich jene Produktnamen verbieten, die Fleischprodukte im Namen haben – wie das „Veggie-Huhn“. Ihr Antrag fand aber keine Mehrheit.
Der Abstimmung war eine regelrechte Lobbyschlacht voraus-gegangen. Große Lebensmittelkonzerne wie Aldi Süd, Lidl, Burger King sowie die Rügenwalder Mühle hatten sich gegen das Verbot ausgesprochen. Auch Verbraucherschützer lehnten die Änderung ab. Demgegenüber machten sich Fleischproduzenten und Bauernverbände für die Novelle stark.
Sie ist Teil eines Gesetzespakets, mit dem die EU die Position von Landwirtinnen und Landwirten stärken will. Nach heftigen Bauernprotesten hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) versprochen, sich für Reformen einzusetzen. Allerdings bleibt unklar, warum die EU ausgerechnet beim „Veggie-Burger“ eingreifen muss.
Normalerweise beschwört Brüssel gern den „mündigen Bürger“ und die Entbürokratisierung. In diesem Fall greift die EU aber sogar in die Sprache ein – und indirekt auch in die Entscheidung der Verbraucher. Allerdings ist das letzte Wort noch nicht gesprochen: Die 27 EU-Staaten müssen der neuen Sprachregelung noch zustimmen.
Länder müssen zustimmen
Deshalb geht der Streit nach der Parlamentsabstimmung – die letztlich nur die Position der Abgeordneten für die kommenden Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten festlegt – munter weiter. Die EU dürfe den neuen Markt für Fleisch-Ersatzprodukte nicht ausbremsen, warnt der WWF Deutschland. Es gehe um klimafreundlichere Ernährung.
„Die Fleischproduktion verursacht hohe Treibhausgasemissionen, belastet das Grundwasser und treibt durch großflächigen Futtermittelanbau die Bodenerosion und den Artenschwund voran“, sagt WWF-Experte Daniel Müsgens. Wenn das EU-Parlament die Benennung einschränke, erschwere das die Entscheidung für nachhaltigere Lebensmittel.
„Die Probleme der Landwirtschaft werden nicht bei der Namensgebung im Supermarktregal gelöst“, meint der Europaabgeordnete Jan-Christoph Oetjen (FDP). „Die Menschen sind nicht blöd – ich traue ihnen zu, zwischen einer Veggie-Wurst und einer Wurst aus Fleisch zu unterscheiden.“ Die Entscheidung schade der Glaubwürdigkeit der EU.
Scharfe Kritik kommt auch von den Grünen. Mit dem Vorstoß der Konservativen werde „der Respekt gegenüber den Konsumentinnen und Konsumenten mit Füßen getreten“, sagt die grüne Abgeordnete Tilly Metz aus Luxemburg. Zudem schade das Verbot der Gastronomie und den Landwirtinnen und Landwirten, die pflanzliche Produkte anbauen.
Jan-Christoph Oetjen, FDP
Und was sagen die Verbraucher? Sie sind geteilter Meinung. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov findet jeder Zweite, dass Bezeichnungen wie Schnitzel oder Wurst ausschließlich für tierische Produkte verwendet werden dürfen. 28 Prozent lehnen dies ab, 21 Prozent machten keine Angabe.
Ziemlich eindeutig fällt allerdings das Urteil bei der Frage aus, ob das EU-Parlament für die Sprachregelung zuständig sein sollte. Nur 24 Prozent sind die Meinung der Straßburger Kammer wichtig, zwei Drittel finden sie unwichtig. Anders gesagt: Den Abgeordneten sollte das Veggie-Thema Wurst sein.
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