Debatte über Koalitionen mit BSW: Gegen die Bundesrepublik
Wie kann man ernsthaft auf die Idee kommen, mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht regieren zu wollen? Das BSW ist eine rein destruktive Kraft.
D eutschland hat wieder eine Führerpartei, und alle laufen ihr nach. Das Bündnis Sahra Wagenknecht gab es vor einem Jahr noch gar nicht, heute sitzt es in drei Landtagen und demnächst vielleicht in drei ostdeutschen Landesregierungen. Parteiführerin Sahra Wagenknecht sitzt fast jeden Abend im Fernsehen und erklärt den Deutschen die Welt.
Das BSW ist nach eigenem Bekunden „für Vernunft und Gerechtigkeit“. Wieso wird betont, man sei für Vernunft? Man ist ja auch nicht für Hirntätigkeit und Stuhlgang, man denkt und scheißt einfach. Wer sagt, er sei „für Vernunft“, will Zweifel ausräumen. Das BSW gründet, wie der Name schon sagt, auf Personenkult, das ist weder vernünftig noch gerecht.
Der letzte deutsche Politiker, der das Wort „Vernunft“ politisch einsetzte, war Erich Honecker, DDR-Regierungschef bis 1989. Eine „Koalition der Vernunft“ strebte er mit der Bundesrepublik Deutschland an – eine Vereinbarung, mit der die DDR ihre Interessen ohne Gegenleistung durchsetzt. Diese Art von „Vernunft“ – wir einigen uns auf meine Forderungen – entspricht der, die Russlands Präsident Wladimir Putin derzeit gegenüber der Ukraine vorbringt, mit deutlich mehr Nachdruck; und Putin nachzugeben, ist Wagenknechts Hauptanliegen.
Die größten politischen Schnittmengen hat das BSW mit der AfD: Feindseligkeit gegenüber Flüchtlingen, Sympathie für Putin, Wunsch nach einer Allianz „souveräner“ europäischer Staaten gegen die USA. Wäre der Begriff nicht verbraucht, könnte man Wagenknecht als nationale Sozialistin bezeichnen. Das rechtsextreme Magazin Compact titelte im Dezember 2022 zu einem Wagenknecht-Foto „Die beste Kanzlerin“.
Zerstörerische Agenda
„Die Wiederkehr der DDR als Frau namens Sahra“ nannte ein britischer Kollege unlängst das Phänomen Sahra Wagenknecht. Das ist nicht falsch, aber nur ein Teil der Wahrheit. Sahra Wagenknecht ist Deutschlands Nigel Farage: eine Konservative im subversiven Gewand, die sich als Irrlicht inszeniert, um die Gegenwart rückgängig zu machen. Als Personen trennen sie Welten – die stocksteife Wagenknecht ist anders als der leutselige Farage eine fürchterliche Rednerin und hat keinen Humor – aber beide verfolgen eine zerstörerische Agenda, die alle vergiftet, die sich darauf einlassen.
Farages Kunstgriff bestand darin, die EU-Mitgliedschaft zur Ursache aller britischen Probleme zu erklären und den Brexit als Hebel für eine ambitioniertere nationale Wende, „für echten Wandel“, zu betreiben. Er führte erst die United Kingdom Independence Party, die ein Referendum erzwang und gewann, dann gründete er die Brexit Party, die den Vollzug des Brexits sicherte, und schließlich Reform UK, das nun die erstrebte nationale Wende herbeiführen will und als ersten Schritt die Tories sprengt. Reform UK ist keine Partei mit Mitgliedern; es entstand juristisch als GmbH im mehrheitlichen Besitz von Nigel Farage, die Reform-Führer sind seine Angestellten, die Aktivisten seine Kunden. Das soll sich demnächst ändern, aber an Farages Vormachtstellung ist nicht zu rütteln.
Für Wagenknecht ist die Westbindung Gesamtdeutschlands nach der Wiedervereinigung 1990 die Wurzel allen Übels. Im Kampf dagegen gründete sie die „Kommunistische Plattform“, saß in der Führung der Linken, gründete die außerparlamentarische Bewegung „Aufstehen“ und schließlich das BSW, das die Linke gesprengt hat. Auch das BSW ist keine normale Partei. Ihre wenigen Mitglieder sind von Wagenknecht handverlesen, in Sachsen sind es derzeit rund 70, in Thüringen und Brandenburg unter 50. Die sitzen demnächst alle in den Landtagen als Abgeordnete und Mitarbeiter. Es ist keine Partei, es ist ein elitärer Klub.
Die angestrebte Läuterung beginnt für Farage mit dem Brexit, für Wagenknecht in einem Schulterschluss mit Moskau als erster Schritt zur mindestens mentalen Rückabwicklung der Wiedervereinigung. Deswegen stellt sie in den Sondierungen vor allem außen- und verteidigungspolitische Forderungen. Landespolitik ist ihr egal. Es geht ihr um die Sprengung des deutschen Nachwendekonsenses von 1990; am liebsten würde sie aus Deutschland eine große DDR machen.
Und die Mehrheiten?
Keine demokratische Kraft kann sich darauf ernsthaft einlassen. Eine Annäherung der alten Ost-CDU in Sachsen und Thüringen an den Nachfolgeverein der SED hat zwar einen gewissen Retrocharme, aber genau das zerlegt die CDU wieder in ihre östlichen und westlichen Bestandteile. Ähnliches blüht auch der SPD, wenn sich deren Putinfreunde in Brandenburg durchsetzen. Wenn die beiden Bundesparteien irgendein politisches Gespür haben, schieben sie dem sofort einen Riegel vor. Die Devise muss lauten: keine Zusammenarbeit mit AfD und BSW. Kein Fußbreit den Faschisten oder den Stalinisten.
Und wenn es anders keine Mehrheiten gibt? Dann gibt es eben keine Mehrheiten. Stabile Mehrheiten gibt es mit einem BSW, das bei jeder Gelegenheit den Partner erpressen könnte, sowieso nicht. Es sind auch keine anderen Mehrheiten in Sicht, wie der Thüringer Landtag gerade eindrucksvoll beweist. Die demokratischen Kräfte in allen drei Bundesländern müssen sich treu bleiben, sich nicht kompromittieren und direkt auf vorgezogene Neuwahlen setzen, bei denen sie sich diesmal besser aufstellen. Alles andere ist politischer Selbstmord.
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