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Deutschland als TäterlandDen Opfern zuhören

Deutschland wäre gern was anderes, aber ist ein Täterland. Es müsste also den Zeigefinger gegen sich selbst erheben, bevor es ihn in die Welt richtet.

Berlin Mitte: Denkmal für die ermordeten Juden Europas Foto: Jürgen Ritter/imago images

D eutschland ist ja ein Täterland. Das ist überhaupt nichts Neues, aber anscheinend muss man es oft sagen, immer öfter, je weiter die Taten des Täterlandes in die Vergangenheit rücken.

Deutschland ist ja ein Täterland, das sich gerne einredet, seine Taten wären ausschließlich von Hitler und so verübt worden, da konnte das einfache Volk nichts machen. Und nun sollen die Nachfahren der Deutschen noch immer leiden unter der Täterlandlast, dabei war es doch Hitler und die AfD ist gar nicht mehr so erfolgreich und die paar Rechtsextremisten bei Polizei und Bundeswehr und das bisschen Rassismus auf der Gartenparty und die anderen haben viel mehr kolonialisiert damals und die paar Intellektuellen auf Abwegen also wir haben doch einen Neuanfang verdient und alles ist lange her. 2020 wollten etwa 28 Prozent der Deutschen laut einer repräsentativen Umfrage des ZDF einen „Schlussstrich unter die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus ziehen“.

Deutschland ist ja ein Täterland, aber – in das Komma zwischen „Täterland“ und „aber“ passt kein Atemzug – wir haben ja auch gelitten im Krieg. Folglich können sogenannte Intellektuelle nun Ukrai­ne­r*in­nen erklären, was eine „präsente Kriegserfahrung“ ist.

Deutschland hat nicht aufgehört, ein Täterland zu sein, weil es besiegt wurde. Wer Täterland und -volk gewesen ist, kann nicht bloß eine Strafe absitzen und die Sache als erledigt ansehen. Die meisten Menschen wollen verständlicherweise lieber zu den Guten gehören, und es ist anstrengend, sich aus der verkürzten Gut-und-Böse-Logik zu lösen. Das Täterland schmuggelt sich also auf die bequemere Seite. Manchmal muss es dafür nur ein Wort austauschen: Deutschland wurde dann „befreit“ am 8. Mai 1945, von der Terrorherrschaft der Nazis, die Deutschen waren auch Opfer des Krieges, denn im Krieg sind doch alle Opfer. „Kollektive Sehnsucht nach Unschuld“ und „Selbstviktimisierung“ nennt der Politikwissenschaftler Samuel Salzborn das.

Deutschland wäre gern was anderes, aber ist ja ein Täterland. Müsste also: den Zeigefinger gegen sich selbst erheben, bevor es ihn in die Welt richtet. Institutionen wie die Bundeswehr mindestens umstrukturieren, bevor ein groteskes Sondervermögen in sie hineingegossen wird. Den Opfern deutscher Verbrechen zuhören, sie ausreden lassen, auch mal belehrt werden, statt in Selbstgewissheit zu versinken.

Ein Täterland muss nicht für immer ein Arschloch sein. Es kann sagen: Wir sind nicht Aufarbeitungsweltmeister, sondern -anfänger. Das Ende der deutschen Naziherrschaft war nicht das Ende des Nazidenkens und -handelns. Ein Täterland muss sich deshalb nicht allen anderen Positionen unterwerfen, es kann diskutieren über Pazifismus, Gefahren der Aufrüstung, Waffenlieferungen, über seine künftige Rolle in der Welt. Es darf dabei aber nie vergessen oder verdrehen, woher es kommt. Also, woher es wirklich kommt. Und seine Eltern. Und seine Großeltern.

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Lin Hierse
taz-Redakteurin
Lin Hierse ist Redakteurin der wochentaz und Schriftstellerin. Nach ihrem Debüt "Wovon wir träumen" (2022) erschien im August ihr zweiter Roman "Das Verschwinden der Welt" im Piper Verlag.
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77 Kommentare

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  • „Wir dürfen stolz sein auf unsere Bundesrepublik.“



    Dr. H. C. Charlotte Knobloch

  • Deutschland sind auch die Menschen, die nicht hier geboren sind, deren Eltern nicht hier geboren sind. Auch die, deren Großeltern hier geboren sind, haben das Naziböse nicht in den Genen; es gibt gar keine spezifisch deutschen Gene; nach der Wahrscheinlichkeit gehörten auch die Großeltern zu den fast 70 % Deutschen, die Hitler nie gewählt haben und in einer mörderischen, totalitären Diktatur wenig Möglichkeit zum Widerstand hatten.

    Es gehört viel Geschick im Umgang mit kognitiver Dissonanz dazu, wenn man wie die Autorin von "verkürzter Gut-und-böse Logik" schreibt, um dann darin zu verharren: in absolut biologistischen Kollektivschuldideen, die jedem verantwortlichen Umgang mit einem der entsetzlichsten Kapitel der Geschichte nur schaden können.

    • @BUBU:

      Dafür haben die Leute im November 1932 neben der NSDAP natürlich auch noch die antisemitische und rechtsradikale DNVP gewählt und die rechtskonervative zentrum/ Bayrische Volkspartei und die DVP...

      Und im Juli 1932 hatte die NSDAP noch 37.3 und die DNVP 5.9 Prozent der Stimmen. Ergibt dann zusammen die 43 Prozent die 1933 dann endgültig die Diktatur gerechtfertigt haben.

      Wie man es also dreht und wendet: es gab eine gewählte rechte Mehrheit, die Zentrumspartei(Vorgänger-cdu) hat Hilter legitimiert und mein Kampf ist in den 1920er Jahren erschienen und war ein Bestseller. Es gab in den 1920ern schon die SA und ihre Schlägertrupps und es wurden in der Weimarer Republik schon tausende linke Gegner der NSDAP ermordet. 1932 hätte man außerdem noch etwas tun können.



      "Haben wir nicht gewusst "ist also eine miese Ausrede.

      Ich persönlich glaube auch nicht an die Erbschuld und finde diesen Artikel deshalb problematisch(siehe mein Kommentar weiter unten). Wenk Sie dann wiederum die Mitläufer, Mitträger und Wegeseher entschuldigen, dann gibt das dem Artikel aber fast schon wieder seine Berechtigung.

      • @Alfonso Albertus:

        Ich entschuldige niemanden. Aber es bleibt richtig, dass Hitler nie eine regierungsfähige Koalition bilden konnte (nur der Versuch, ihn zu instrumentalisieren, hat ihn an die Macht gebracht) und die Mehrheit der Deutschen links gewählt hat (SPD und KPD). 1928 hatte die NSDAP noch 2,8 %, erst die Weltwirtschaftskrise und das Versprechen von Arbeit (bei vorübergehendem Verzicht auf offen antisemitische Propaganda) hat der Partei Erfolge gebracht.

      • @Alfonso Albertus:

        Da Sie die Zentrumspartei erwähnen, will ich noch Theodor Heuss und die anderen vier liberalen Abgeordneten der Deutschen Staatspartei nennen, die für das Ermächtigungsgesetz stimmten. Heuss durfte 1949 trotzdem Bundespräsident werden und war FDPler.

  • Erstaunlich, dieser Selbsthass.

    Bin viel rumgereist. Deutschland ist eigentlich überall gut angesehen.

    • @Wonneproppen:

      Naja, lieber Hass als Liebe angesichts Deutscher Geschichte, oder nicht? Ich meine, die Nazis wird es wenig stören und feiern Deutschland samt Geschichte ja. Mindestens Distanz erscheint mir aufgrund dessen doch positiv. Noch besser, finde ich es, wenn Nationalismus als solches abgelehnt wird.



      Und teils weiß mensch wohl außerhalb Deutschlands noch weniger über deutsche Geschichte als so einige Deutsche ...

    • @Wonneproppen:

      Patriotismus ist keine Selbstliebe und ein kritisches Verhältnis zum Herkunftsland kein Selbsthass. Unabhängig vom Artikel sind solche Aussagen einfach problematisch

      • @Alfonso Albertus:

        Heimatliebe ist kein Patriotismus. Ich find meine Heimat Bayern geil. Ich find aber auch ganz viele andere Länder geil. Thailand, Japan, USA... Berlin find ich nicht geil. Dafür aber Frieden und Völkerverständigung, Partnerschaften, Melting Pots...

        So, wo ist jetzt die Problematik?

    • @Wonneproppen:

      Das stimmt. Überraschend positiv wird die BRD und ihre Außenpolitik in weiten Teilen der Welt gesehen. Angeblich ist Deutschland eines der Länder mit dem besten Ruf in der Welt.

      Ich vermute, dass viele Menschen im Ausland die BRD nicht ganz zu unrecht als Staat ansehen, der sich stets korrekt verhält, Menschen in Not hilft, trotz seiner wirtschaftlichen Stärke kein anderes Land wirklich zu etwas zwingt und überall Geld hinverschenkt. Dass das nicht wirklich stimmt, seis drum ;)

      Was vor 80 Jahren war, interessiert in Deutschland weitaus mehr als außerhalb. Und das ist auch gut so.

  • Ob Deutschland heute ein Tätervolk ist, darüber sollten Deutsche nicht befinden - Vorauseilende Selbstbezichtigung.



    Zum Anderen wird daraus ein Schuldkomplex generiert, der ob der persönlichen Unschuld wegen zu mehr mehr Nationalismus führen wird. Dass ein deutsches Volk mal Tätervolk war, sei unbestritten.



    Wenn sich Deutsche aufgrund ihrer Abstammung heute dazu berufen fühlen, die Wachsamkeit gegenüber historischen Fehlentwicklungen besonders walten zu lassen, so sollte dies aus freiem Willen geschehen. Alles andere geht in die Hose, bewirkt das Gegenteil - erzeugt den toxischen Schuldkomplex.

  • Ist man, wenn man Menschen allein nach der Herkunft beurteilt, nicht ein Rassist?

    • @Strolch:

      Finden Sie eine solche (offenbar rhetorische) Frage unter einem solchen Artikel nicht wohlfeil?

    • @Strolch:

      Als Rassist würden Sie Menschen nach dem Äußeren kategorisieren und diesen dann der Kategorie entsprechend Merkmale zuordnen.

      Hier geht es um Nationalismus und eine weitere Perversion im Sinne der Erbsünde, der Menschen aufgrund der Nationalität ihrer Vorfahren eine Schuld bzw. Rolle zuweist.

    • RS
      Ria Sauter
      @Strolch:

      Ja!

  • "Nationalismus" ist die Beschränkung der Sicht der Welt und des einzelnen Menschen auf Nationalität. Das Konzept des "Täterlandes" ist ein Beispiel für diese Sichtweise. Es ist bedauerlich, die hier so wenig selbstkritisch vertreten zu sehen.

    Liebe Frau Hierse,

    ich bin Deutscher - in der ich-weiß-nicht-wievielten Generation. Aber ich habe keinen Menschen mehr - aus rassisctischen oder anderen Gründen - ermordet und in keinem Eroberungskrieg mehr mitgekämpft als Sie oder irgendein anderer unschuldiger Mitbürger auf dieser Welt. Ich habe auch die Sünden meiner Großeltern nicht selbst begangen. NIEMAND hat mir zur erklären, ich müsste den Finger stärker auf mich richten als Andere auf sich, weil ich ja Deutscher bin.

    Denn ich bin ich. Ich bin nicht Deutschland (insofern tue ich mich schwer, mich mitgemeint zu fühlen, wenn Sie vom "Täterland" sprechen, erdreiste mich aber aus dem artikel herauszulesen, dass SIE das anders sehen würden). "Deutschland" hat auch keine Finger, mit denen es auf Andere zeigen könnte. Deutschland besteht aus einem Stück Europa und ca. 80 Millionen Menschen, die mehr oder minder wie ich sind und - wie ich - ganz allein verantwortlich dafür, worauf sie mit ihren zusammen ca. 800 Millionen Fingern zeigen. Wenn jetzt ein Deutscher auf sich zeigt und von "präsenter Kriegserfahrung" schwadroniert, dann ist das halt idiotisch - aber kein Grund für eine wohlfeile Gardinenpredigt an "Deutschland".

    Das nur vorab. Richtig ist, dass von Deutschland aus großes Leid und unägliche Grausamkeit begangen worden ist - von Deutschen. Richtig ist aber auch, das gleiches Leid nicht nur von hier aus nie wieder ausgehen darf, es darf ÜBERHAUPT nicht mehr passieren, und dafür SOLLTE sich jeder Erdenbürger gleichermaßen verantwortlich fühlen (und nicht dafür, dass irgendwelche "vorbelasteten" Nationalitäten mal bitte den Mund zu halten haben). Vielleicht können wir uns darauf mal konzentrieren.

    • @Normalo:

      Hier bin ich zu 100 Prozent bei Ihnen.

    • @Normalo:

      Nun, Täterland ist es, in dem bspw. in den 1990ern Pogrome gegenüber "Gastarbeiter*innen" und Asylsuchenden starteten, der Mob Beifall klatschte und Politik und Polizei nicht fähig und willens war, People of Color zu schützen. Und da gibt es einiges mehr aufzuzählen. People of Color fordern zurecht Rücktritte nach dem Anschlag in Hanau, mangelnde Aufklärung bezüglich NSU, NSU2.0, um die eigene Sicherheit fürchtende Jüd*innen, "No-go-Areas", unsägliche "Schlussstrichdebatte", zig Asylverschärfungen, "Heimatministerium", "Ankerzentren", "sichere Herkunftsländer", "beschleunigte Asylverfahren", Rassist*innen und Rechte in Polizei und Armee[1] usw. usf.



      Da tropft so einiges an brauner Brühe auf die deutsche Weste, die viele doch gerne als weiß darstellen wollen. "Nie wieder Faschismus" aus den Mündern vieler Bürgis klingt dann doch gekünstelt und geheuchelt. Es schickt sich so gar nicht an, zu meinen, nun könne mensch woanders Weltenretter spielen, wo zuhause doch einiges mit Tradition im Argen liegt.



      [1]Rechtsradikale in der Armee: 1.452 Verdachtsfälle bei Bundeswehr



      taz.de/Rechtsradik...der-Armee/!5854356

      • @Uranus:

        Folgendes u.a. meinte Lin Hierse sicher auch im Artikel:



        "Rechtsextreme bei Polizei und Bundeswehr: Weit mehr als Einzelfälle ..."



        taz.de/Rechtsextre...ndeswehr/!5854519/

      • @Uranus:

        Vielleicht können Sie es mir erklären, denn aus dem Artikel erschließt es sich mir nicht: Was für eine Kategorie ist "Täterland"?? Wer KONKRET(sic) soll sich damit gemeint fühlen?

        Wenn ich Sie richtig verstehe, rechnen Sie rassistische Exzesse etlicher Bürger in Gegenwart und Vergangenheit genauso "Deutschland" zu wie die antifschistischen Statements oder auch Aktivitäten ANDERER Bürger, wägen ab, und landen immer noch beim Verdikt "Täterland". Soweit, so gut.

        Was aber ist nun dieses "Täterland Deutschland" (bzw. wen soll das Verdikt im engeren Sinne ergreifen)?? Eine einheitliche Kollektiv-Persönlichkeit mit etwas schizophrenen moralischen Vorstellungen? Eine Ansammlung von Individuen, von denen zwar jedes dieselbe Nationalität hat wie die anderen Deutschen, aber deshalb nicht deren Vormund, Stellvertreter etc. ist, der eventuell Schuld daran sein könnte, was die so anstellen? Eine völkische Gemeinschaft, die qua Sippen- und Erbhaft für einander ein- und dem Rest der Welt gegenüber für die Kollektivschuld geradezustehen hat?

        Bei den Fällen 1 und 3 handelt es sich nach meiner Ansicht um nach links bzw. rechts aus der Realität in ideologische Fiktionen abgedriftete Gedankenkonstrukte, die nur ernst nehmen kann, wer ähnlich abgedriftet den jeweiligen Ideologien anhängt. Im Fall 2 weiß ich nicht, was die Kategorisierung "Täterland" soll: Individuen moralisch an den Taten ANDERER Individuen zu messen, ist nicht logisch.

        • @Normalo:

          Zunächst einmal würde ich meinen, "Täterland" bedeutet Land der Täter*innen, im Kontext Deutschlands und Deutscher Geschichte, Land der Nazis, der NS-Täter*innen, Mitläufer*innen, Profiteur*innen und Hinnehmenden.



          - Dann geht es um Kontinuitäten - Land der Nazi-Kontinuitäten:



          # Es hat Ideologie-Weitergabe psychologischer Art aber auch Wissen- und Wertevermittlung mittels Erziehung, Bildung, Politik und allgemeinen Diskurs ... gegeben.



          # Es hat institutionelles Handeln (diesbezüglich habe ich (und Andere hier ja auch) bereits einiges aufgezählt) gegeben



          # Nationalerzählungen, nationalistische Diskurse



          # völkische Ausschlussdiskurse, über die die Autorin, meine ich, auch bereits berichtete à la "Ach, Sie sind Deutsche? Wo kommen Sie denn EIGENTLICH her?" oder auch "Der Islam gehört nicht zu Deutschland", "Deutschland ist kein Einwanderungsland" ...



          - Es ist dann auch eine Frage - inwieweit mensch sich als Deutsch*e verstehen will, wie mensch zu Nationalismus steht - anhand der mensch dann entsprechend mehr oder weniger Probleme mit der Bezeichnung "Täterland" hat, denke ich.

          • @Uranus:

            Sorry, ich sehe nur weiteres Uberstülpen genau der Konzepte, vor denen uns die Geschichte unseres Landes warnen sollte - als gäbe es eine widerwärtige deutsche" Moral-DNA", für deren Existenz sich jeder Deutsche qua Volkszugehörigkeit schämen muss und die ihm Nichtdeutschen gegenüber jede moralische Autorität nimmt. Das ist doch GENAU, was die Nazis gepredigt haben - nur halt nicht über Deutsche, sondern über Alle, die sie nicht als solche (oder gleichwertig) anerkannten.

            • @Normalo:

              Offenbar sind wir da unterschiedlicher Ansicht. Also ich tröste sicher nicht die Nationalist*innen, die meinen, ihren Nationalstolz nicht ausleben zu können und das Gefühl haben, für Nazis gehalten zu werden, auch nicht die, die sich in ihrem Nationalstolz gekränkt sehen. Das Problem/die Gefahr ist nicht Antinationalismus, sondern Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus, das Verlangen "Schlusstrich" ziehen zu wollen, die Vorstellung, einen "Schlussstrich" ziehen zu können und zu dürfen (der Wille, sich das Recht dafür zu nehmen) usw.. Ich favorisiere Antinationalismus gegenüber der Restitution und Normalisierung von Nationalismus.

              • @Uranus:

                Ich gehe mal davon aus, dass man nicht zwangsläufig Nationalist sein muss, um eine Meinung über Freiheit, Krieg und Frieden zu haben. Der obige Kommentar macht diesen Unterschied aber nicht. Er erklärt einfach nur die Herkunft aus dem "Täterland" für eine disqualifizierende Eigenschaft, um Anderen gegenüber seine Meinung zu vertreten. Und dazu meine ich eben: In DIESER Diskussion (und den meisten anderen) lasse ich mir den Schuh nicht anziehen und mich mit dem Argument historischer Schuld wegdeckeln.

                Das ist kein universeller Schlussstrich. Für den ist es in Tat nicht bloß zu früh, sondern den kann es eigentlich nicht geben. Da bin ich völlig bei Ihnen. Nur heißt "kein Schlussstrich" eben auch nicht, jedesmal verschämt den Mund zu halten, wenn es um Leid in der Größenordnung wie jetzt in der Ukraine geht, weil irgendein Doskusssionsteilmehmer die Erbsündenkarte zieht.

                • @Normalo:

                  Verschämt den Mund halten nicht unbedingt, Bescheidenheit stünde Deutschland dennoch gut - gerade in Selbstdarstellung und Machtpolitik. Da finde ich Lin Hierses Einwand schon richtig. Maßvolle (um Atomkrieg/Atomaufrüstung zu vermeiden) Unterstützung der Ukraine finde ich pragmatisch gesehen auch richtig - wenn auch nicht in dem jetzigen Ausmaße deutscher Aufrüstungsplanung.

                  • @Uranus:

                    Ich weiß nicht, ob man den Oberlehrer aus dem Oberlehrer herauskriegt. Aber mal von der Tendenz zum moralinsauren Klugscheißern abgesehen, IST Bescheidenheit bereits der wichtigste Leitfaden deutscher Außenpolitik allgemein und Militärpolitik im Besonderen. Vergessen Sie bitte nicht, welche Macht Deutschland entfalten KÖNNTE, wenn es sein ökonomisches Potenzial auch nur annähernd so stringent außenpolitisch und militärisch umsetzen würde, wie die meisten anderen Länder ähnlicher größe und Leistungsfähigkeit das tun.

                    Vor allem aber: Meinen Sie, der Kommentar oben beschränkt seine Aussage auf die Beteiligung der Bundesregierung am internationalen Diskurs? So lese ich das nicht. Es geht um Deutschland als ganzes, also auch jeden einzelnen Deutschen, oder?

                    • @Normalo:

                      Nun, Macht entfaltet Deutschland ja permanent. Sowohl innerhalb der EU als auch alleine oder in anderen Konstellationen. Das kriegen insbesondere Menschen des globalen Südens zu spüren - sei es durch Ausbeutung und Umweltzerstörung, als Geflüchtete oder anhand der Folgen der Klimakrise, zu der deutsche Wirtschaft und Politik einiges beigetragen hat.



                      Also ich verstehe das schon so, dass es über die Bundesregierung hinaus geht. Macht ja auch Sinn. Denn für Nationalismus, Rassismus usw. ist ja nicht allein die Bundesregierung verantwortlich.

                      • @Uranus:

                        Deutschland IST nunmal kraft Wirtschaftsleistung und EU-Bedeutung faktisch eines der vier oder fünf mächtigsten Länder der Erde. Dass es sich wie eines der zwanzig mächtigsten benimmt, ist immer noch kein Zeichen von Großmannssucht.

                        Was die Münzung "über die Bundesregierung hinaus" betrifft, drehen Sie sich etwas im Kreis. Nochmal: Man muss kein Nationalist oder Rassist sein, um eine Meinung zu Freiheit, Krieg und Frieden zu haben. Aber es reicht, DEUTSCHER zu sein, um dazu mit dem "Täterland"-Argument über den Mund gewischt zu bekommen. Nur gegen diese pauschale, das Konzept des Nationalismus verinnerlichende Stigmatisierung wehre ich mich in meinem Eingangsposting.

    • @Normalo:

      Volle Zustimmung.



      Die Vermischung von Nation, Gesellschaft und Person, Vergangenheit und Gegenwart, ist alles, nur nicht zielführend.



      In dem Sinne gibt es wohl keine Ausnahme eines "Täterlandes", auch wenn diese Landeinteilung noch nicht so alt ist.

    • @Normalo:

      Danke. Eigentlich gibt es zu diesem Artikel nicht viel mehr zu sagen.

  • Ist nicht jedes Land ein Täterland?

    • @Frank Stippel:

      Ja. Und anders als die anderen Länder bzw. dessen Bewohner setzt man sich in Deutschland überwiegend schon sehr kritisch mit der eigenen Geschichte auseinander. Das ist etwas, auf das wir durchaus auch mal positiv blicken können.

      Dieser Artikel ist eine alberne Provokation des Feuilletons, click-bait, ein hochgehaltenes Stöckchen, über das mehr oder weniger Intellektuelle mal wieder springen sollen.

    • @Frank Stippel:

      Man muß einfach nur lange genug suchen.

  • "Deutschland ist ja ein Täterland, das sich gerne einredet, seine Taten wären ausschließlich von Hitler und so verübt worden, da konnte das einfache Volk nichts machen."

    Es wurde in meinem Umfeld eigentlich nie von "Hitlers Krieg" gesprochen. In einer Zeit in der der Begriff "Putins Angriffskrieg" Hochkonjunktur hat um bloß keine antirussischen Ressentiments zu schüren muss man sich die Frage stellen warum wir nie von "Hitlers Krieg" gesprochen haben - oder halt anfangen konsequent(er) vom "russischen Angriffskrieg" zu reden und das Märchen vom bösen Diktator und dem unschuldigen verführten Volk ad acta legen.

    • @Questor:

      Naja, einige Erkenntnisse und Deutungen haben ihre Zeit gebraucht und braucht es noch immer, wenn es denn überhaupt eingestanden wird. Es bedurfte in den 1990ern eine Ausstellung, in der gezeigt wurde, wie die Wehrmacht in Kriegsverbrechen involviert war. Eine Ausstellung, die den Deutschen erklären musste, dass eine Armee gesteuert von den Nazis, Dreck am Stecken hat. Die Rolle von Konservativen und Liberalen bei der "Ermächtigung" wird immer noch gerne unter den Teppich gekehrt.

  • "Also, woher es wirklich kommt. Und seine Eltern. Und seine Großeltern."

    Erklären Sie das mal einem Kind zweier Gastarbeiterkinder. Wo kommt es her? Nach der Logik wohl wirklich nicht aus Deutschland. Na bravo.

    Die deutsche Erinnerungskultur ist wichtig, aber deren vermeintlicher Mangel ist wohl kaum ausschlaggebend dafür, warum man Deutschland heute jenseits der Grenzen für ein Arschloch hält - wenn man das denn überhaupt tut. Dass diese Sichtweise in Deutschland noch weit verbreitet ist zeigt, dass das Trauma noch immer tief sitzt. Die Erinnerung lebt und ist in anbetracht der beinahe 80 Jahre seit Kriegsende noch ziemlich vital. Ich mache mir diesbezüglich akut keine Sorgen.

    • @Fairchild670:

      Staaten können keine Freunde haben, sondern nur gemeinsame Interessen. Um es mal mit Charles de Gaulle zu sagen.

      Ob man daher Deutschland im Ausland als Arschloch ansieht oder nicht ist wirklich egal.

    • @Fairchild670:

      Ja, warum wohl hält man Deutschland im Ausland für ein Arschloch? Könnte zum Beispiel daran liegen, was die Troika unter Merkel mit Griechenland so gemacht hat.

  • Erstmal muss ich sagen, dass hier etwas enttäuscht von Frau Heises verkürzter Sichtweise bin, da ich ihre Artikel häufig sehr durchdacht fand.

    Die in den meisten Kommentaren hier beschriebene Sichtweise "Schlussstrich: Nein" aber "Tätervolk für immer : auch Nein" kann ich so unterschreiben.

    Kritisch sehe ich die dem Artikel zu Grunde liegende Definition vom "Deutschen Volk". Denn so wie es hier beschrieben ist, ist jeder Angehörige dieses Volkes ja ein Täter, dadurch dass seine Vorfahren welche waren. Das unterstellt ja implizit, dass jeder der keine Tätervorfahren in diesem Land hat nicht teil dieses Volkes wäre. Unsere Gesellschaft hat sich ja glücklicherweise stark gewandelt in den letzten 70 Jahren. Nachkommen von Einwanderern aus den 1960-80 Jahren leben oft bereits in dritter Generation hier, sind hier geboren, sozialisiert und genauso Deutsche wie ich einer bin dessen Großväter beide an der Ostfront starben.



    Diese Leute nun auch als Teil des deutschen Tätervolkes zu bezeichnen wäre jawohl absurd.



    Worauf ich hinaus will ist, dass wir nicht mehr das gleiche "Volk" von 1945 sind. Ich zähle alle mit deutscher Staatsangehörigkeit zum deutschen Volk (Anders als im Artikel angedeutet). Wir leben in einem Land in dem sich eines der (oder vielleicht auch das) grausamsten Kapitel der Menschheit abgespielt hat, deswegen ist es auch die Pflicht aller Deutschen sich dafür einzusetzen, dass so etwas nie wieder geschehen darf. Aber ein Tätervolk (das klingt ja auch so als hätte man es in den Genen) gab es in diesem Land direkt nach 1945, heute jedoch nicht mehr!

    • @Teleshopper:

      "Aber ein Tätervolk (das klingt ja auch so als hätte man es in den Genen) gab es in diesem Land direkt nach 1945, heute jedoch nicht mehr!"



      Naja, es geht um Kontinuitäten, um den Umgang mit Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus, der Geschichte Deutschlands. Tätervolk ist wohl auch absolut gesehen zu hochgegriffen, wenn das gesamte "Volk" damit gemeint ist. Gab es doch auch Kommunist*innen und andere Widerständler - wenn auch nicht viele bzw. genug. Ist die mitagiernde und hinnehmende Mehrheitsgesellschaft gemeint, trifft dies schon eher zu. Und, dass in Deutschland seit langer Zeit einiges schief läuft, darauf wurde ja bereits hingewiesen. Anstatt effektiv faschistische Bodensätze (einschließlich der Akteure) und Ideologiefragmente zu bekämpfen, geht es oftmals bloß um Symbolpolitik und das Image, so scheint es mir.

      • @Uranus:

        Diese Missstände die Sie ansprechen, gibt es aber in jedem Land und ist nicht nur ein Deutsches "Problem"

        Finde es übrigens etwas Geschichtskverzerrt, wenn Sie Kommunisten mit Widerstandskämpfer gleichsetzen. Unter den Kommunisten hätte es ebenfalls eine Diktatur gegeben, nur halt unter einem anderen Deckmantel

        • @Hennes:

          Andere Länder haben andere Geschichte, andere Politik. Hier geht es aber um Deutschland, deutsche Politik und deutsche Geschichte. Ihr Whataboutism ist problematisch.



          Deutsche Kommunist*innen sind eine der ersten gewesen, die Nazis verfolgten und in KZs quälten und umbrachten. Aber das interessiert Sie Prokapitalist*in wohl kaum. Übel finde ich es, dass Sie hier in der Tendenz Nazi-Regime mit Kommunismus gleichsetzen.



          In Bezug auf Kontinuitäten ist es interessanter, wie Konservative und Liberale agierten. Da sei z.B. die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz genannt. Und auch heute sind es Leute aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft, die die protofaschistische AFD wählen ...

      • @Uranus:

        Der ganze Duktus der Argumentation mit "Täterland" oder "Tätervolk" übernimmt die Idee genau jener Verbrecher, um deren Untaten es geht, nämlich dass man "Volk" oder "Rasse" oder was auch immer als definierendes Merkmal für die ethische Einordnung des einzelnen Menschen verwenden kann. Wer sich DAgegen wehrt, hat meine Zustimmung.

  • Deutsches Selbstmitleid bezüglich der Bombardierung von Dresden, oder dieser geforderte Schlussstrich von manchen Geschichtsvergessenen empfinde ich als völlig daneben. Ein Großteil der Bevölkerung hat die Nazis unterstützt, war der selben Gesinnung oder hat die Verbrechen stillschweigend mitgetragen. Da gibt es auch nichts zu beschönigen.

    Allerdings habe ich in den letzten Jahren und mit zunehmender Globalisierung, auch ganz neue Thesen aus Opferländern des Nationalsozialismus kennengelernt.



    Rassistische Polen zum Beispiel, die der Meinung waren das Deutschland 2015 zum zweiten Mal Europa zerstört. Erst durch Hitler und dann durch die Aufnahme von muslimischen Geflüchteten.



    Die Ukraine und Russland haben beide unter den Nazis gelitten, also wem jetzt einfach nur zuhören? So einfach ist es leider nicht mit dem zuhören als "Täterland", wenn sich der Rest der Welt nicht mehr in die selben Kategorien einteilen lässt.

    Denn irgendwann muss ich auch in der Lage sein, meinen Antifaschismus selbst zu definieren bzw selbstbewusst genug sein, um eine Gegenposition zu Nonsens wie dem oben erwähnten Beispiel einzunehmen.



    Nicht als Deutscher, sondern als Person die sich mit der Historie der Entstehung des Faschismus und insbesondere des Nationalsozialismus auseinandergesetzt hat.

    Das Selbstbewusstsein und Selbstverständnis der Alliierten die gegen die Nazis gekämpft und gewonnen haben, verträgt sich heute problemlos mit rechten Positionen. Siehe Putins Russland, Le Pen, Brexit, Trump und Co.



    Das sind alles keine Nazis im eigentlichen Sinn und das reicht dann als Begründung in diesen Ländern.

    Natürlich haben wir hier trotzdem ein mittelgroßes Problem mit rechten Strukturen. Gerade die Sorge um eine Aufrüstung der Bundeswehr, die in den letzten Jahren durch allerlei rechtsradikale Machenschaften auffiel und Feindeslisten gesammelt wurden, kann ich absolut nachvollziehen.

  • Der Artikel hat doch einen Anknüpfungspunkt. Ein gebildeter Mann, auch noch vom Fach, belehrt einen Ukrainer (!) bzgl. des II. Weltkriegs über "präsente Kriegserfahrung". Das ist für sich genommen so unfassbar, dass man dazu etwas sagen muss. Und zum Thema "Tätervolk": wer von uns weiß denn wirklich, was seine Familienangehörigen wussten, dachten und taten in der Nazizeit? Da wird es sehr schnell sehr dünn. Ich kann mich gut an eine Unterhaltung am Kaffetisch meiner Eltern vor > 10 Jahren erinnern. Eine Bekannte warf den Klassiker ein "wir haben damals das ja nicht gewusst". Meine Tante, Jahrgang 1923, hat dieses Märchen mit ihrer Erinnerung an die KZ-Häftlinge auf der Alb, die zur Zwangsarbeit getrieben wurden, mal kurz und gründlich zerstört. Zwei Dinge sind erst in den letzten Jahren langsam nach vorne gekommen: Außenlager von KZ ab Sommer 1944 (die waren sprichwörtlich überall) und die "Endzeitverbrechen" an z.B. Deserteuren. Da liegt noch viel unter den Teppichen.



    Und bei all dem bin ich als ü 50 schon seit Jahrzehnten überrascht und dankbar, wie freundlich uns die Welt gesonnen ist - das ist schon sehr erstaunlich.

    • @DrG1969:

      Eventuell meinen Sie auch die sogenannten Arbeitserziehungslager? Explizit will ich die aber nochmal aufführen. Von denen gab es nämlich ca. 200 (!) in Deutschland.[1] Allein in dem Lager in Kiel wurden 600 (!!) Menschen umgebracht.[2] Diesbezüglich gab es minimale Gerichtsprozesse. Eine Aufarbeitung fand erst später statt. So wurde erst 1971 ein Gedenkstein aufgestellt. Ein Arbeitskreis zur Auseinandersetzung und genaueren Forschung gründete sich erst 1983.[3]



      Neben der Verfolgung und Ermordung von Kriminalisierten und "Sozial Schwachen" geht es auch um die Verfolgung von Homosexuellen und Menschen mit Behinderungen. 200.000 (!!!) Menschen mit Behinderungen und "psychisch Kranke" wurden systematisch ermordet.[4]



      Naja, bspw. waren viele Französ*innen lange Zeit verständlicherweise nicht begeistert, deutsche Touris bei sich zu sehen und zu hören. Je weiter das Nazi-Regime zurückliegt und je weiter die Menschen von Deutschland entfernt sind, desto weniger, dürften diese Details über die Deutsche Geschichte wissen.



      [1] de.wikipedia.org/w...itserziehungslager



      [2] de.wikipedia.org/w...ungslager_Nordmark



      [3] www.akens.org/akenss.html



      [4] de.wikipedia.org/wiki/Aktion_T4

    • @DrG1969:

      stimme ich zu. Die Autorin bezieht sich aus aktuellem Anlass m.E. offensichtlich auf den in DE gerne vertretenen Standpunkt, der Ukraine etwas über Kriegserfahrungen erklären zu wollen. Von einer "Sippenhaft" bis ans Ende aller Tage kann keine Rede sein, tatsächlich sind es gerade einmal 2-3 Generationen seit damals. Anders formuliert: Menschen, die ich kenne, waren beteiligt.

  • "Deutschland ist ja ein Täterland. Das ist überhaupt nichts Neues..."



    Ähm ja. Binse.



    Nur so nebenbei, damit ich in der Sortierung aktuell bin: was genau bedeutet das, und welches Land ist keins, gibt es da Abstufungen?



    "Wir sind nicht Aufarbeitungsweltmeister"



    Das würde mich jetzt ernsthaft interessieren: wer ist Weltmeister?

    Also mal ehrlich, hier sowas wie eine weltweite Rangordnung von Tätern, Aufarbeitern und Opfern - und das auf Landesebene, ohne historische Grenzen - halte ich für eher daneben...

    • @Encantado:

      Das mit der Aufarbeitung ist nun wirklich lächerlich. Fast weltweit hält man die deutsche Aufarbeitung des 2. Weltkrieges für gelungen. Über Japan kann man sowas gerne aussagen; da wissen nicht wenige Jugendliche und junge Erwachsene nicht, dass Japan nicht auf Seite der Alliierten gegen Nazideutschland kämpfte ubd siegte. Von den grausamen Verbrechen braucht man nicht mal anzufangen.

  • 0G
    03998 (Profil gelöscht)

    Da kommen Menschen aus den übelsten Diktaturen der Welt zu uns deren Eltern, Großeltern, Urgroßeltern usw mutmaßlich die schlimmsten Verbrechen begangen haben(Mao, Stalin, Türkei) - wenn man/frau von einer Kollektivschuld ausgeht - wo ist deren Erinnerungskultur, deren Aufarbeitung der Schuld. Aber es fehlt ja nicht nur das, was von den Deutschen verlangt wird, es fehlt auch die aktive Untertützung der Opposition in den Ländern wo diese Diktaturen aktuell noch bestehen. Da wird dann lieber über die bösen Deutschen gejammert - irgendwie traurig das Ganze.

  • Wie soll den dieses Zeigefinger gegen sich selbst erheben aussehen?



    Ist so ein Artikel nicht genau das?



    Vielleicht ist Deutschland nicht Aufarbeitungsweltmeister, aber wer so etwas behauptet könnte sich ja mal die Mühe machen zu sagen an wem wir uns ein Beispiel nehmen sollen. Immerhin wenn 28% einen Schlussstrich wollen, wollen 72% keinen und wenn jemand sagt das man Deutschland immer öfter als Täterland bezeichnen müsse je weiter das 3. Reich in die Vergangenheit rückt sollte die Person vielleicht darauf eingehen ob es vor 50 Jahren mehr oder weniger Schlussstrichbefürworter gab als heute.

    • @Blechgesicht:

      Wie das aussehen soll? Das ist eine Frage, die sich leicht beantworten lässt.



      Angefangen damit, endlich die verschiedenen Opfergruppen anzuerkennen und Entschädigungszahlungen zu leisten. Da weigert sich der deutsche Staat. Als Beispiele seien hier die Massaker von Distomo oder St. Anna di Spazzena genannt.

      Weiter geht's damit, endlich Mal ne Debatte darüber zu führen, welche und wie viele Altnazis in der jungen Bundesrepublik ungestört Karriere machen konnten und hohe Ämter innehatten (man denke da an Leute wie Globke, Filbinger, Schleyer, Kiesinger u.a.)

      Der nächste Punkt wäre ne Aufarbeitung der NS Verstrickungen in den Behörden. Und wie die weiterwirken konnten.

      Und - um ins hier und jetzt zu kommen - rechte Gruppen in Behörden ausheben und die Leute vor die Tür setzen.

      Die Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

      • @Piratenpunk:

        Wie sollen die Debatten den aussehen jeder weiß das jede Menge Nazis, Mitläufer und Profiteure Karriere in der jungen BRD gemacht haben das wird doch von niemandem ernsthaft geleugnet. Nur sind die Tod.



        Was diese Gruppen ausheben angeht. Jedes Land muss dafür Sorge tragen das in ihren Institutionen keine Menschen arbeiten die es umstürzen wollen und wir haben uns halt entschieden das mit rechtsstaatlichen mitteln zu tun. Was dazu führt das Leute nicht im Privatleben überwacht werden oder einfach so auf Verdacht entlassen werden. Da ist es schwer alle Nazis zu erwischen aber andererseits haben sie auch noch nicht unsere Demokratie zerstört.

        • @Blechgesicht:

          Naja....also so richtig viel Motivation bei der Aufklärung der NSU-Verbrechen habe ich von rechtsstaatlicher Seite jetzt nicht bemerken können. Ähnliches gilt für die rechtsradikalen Machenschaften in der Polizei oder der Bundeswehr. Da wurde mal oberflächlich ein bißchen Schadensbegrenzung betrieben.

          Vielleicht müsste der Schwur aufs Grundgesetz in der Ausbildung von staatlichen Vertretern auf die Ernsthaftigkeit getestet werden, oder gewisse Antidiskriminierungs-Lehrstunden in deren Ausbildung integriert werden?



          Externe Untersuchungen von unabhängigen Behörden wären auch keine schlechte Idee.

          Ideen gibt es schon. Nur der Wille zur Umsetzung ist bisher nicht zu erkennen.

          Der Nazi-Filbinger ist tot, aber der Oettinger hat ihn ja nochmal bei der Bestattung als "Gegner der Nazis" geadelt und entschuldigt. Hängen bleibt dann beim konservativen Teil der Bevölkerung das der Nazi-Richter Filbinger ja so schlimm dann auch nicht war....uns so geht die Story weiter....

          Dann wären dann eben auch noch übrig gebliebene Gesetze aus vergangener Zeit, oder die Strukturierung des Verfassungsschutz beispielsweise.



          Es gibt noch viel zu tun

        • @Blechgesicht:

          Dass das "jeder weiß" halte ich für ein Gerücht. Die wenigsten Menschen wissen überhaupt, wer Globke war, was Schleyer so getrieben hat, außer von RAF getötet zu werden oder dass alte Nazis ins Kanzleramt eingezogen sind.



          Dass es nicht geleugnet wird, heißt nicht, dass es ein breites Bewusstsein oder gar eine Aufarbeitung davon gegeben hätte.

          Dass die vorhandenen Mittel gegenüber Polizist:innen oder den Geheimdiensten nicht ausgeschöpft werden, ist übrigens auch nicht neu.

          • @Piratenpunk:

            Das jeder es weiß stimmt wahrscheinlich nicht aber jeder könnte es wissen. Es ist kein Ding der Unmöglichkeit sich über so etwas zu informieren. Das ist der Punkt auf den ich hinauswollte der grösste Teil der deutschen will eben kein schlustrich es wurden Dinge aufgearbeitet. Das heist eben nicht das der ganze Keks gegessen ist sondern das wir mitten in der Aufarbeitung sind. Es wird immer Leute geben die sagen: "XY war nicht so schlimm" oder "wir sollten einen Schlussstrich ziehen" die gab es auch schon in den 50ern. Genauso wird es immer Leute geben die sagen "wir tun nicht genug gegen Nazis in der Verwaltung". Vor diesem Hintergrund ist es doch nicht richtig zu sagen unsere Gesellschaft würde nichts aufarbeiten.

  • 1G
    164 (Profil gelöscht)

    Meine Eltern, beide jenseits der 80, die als Kindergarten-/Schulkinder in Luftschutzkellern den Bombenkrieg erlebt haben, sind also Täter? Sollen die "den Zeigefinger gegen sich selbst erheben"? Das ist kein wirklich guter Text hier.

    • @164 (Profil gelöscht):

      Dann waren eben die Eltern der Eltern. Ihre deutschen Eltern waren on der Kindheit im Luftschutzkeller, weil deutsche Nazis zuvor einen Krieg begonnen hatten. Bevor die Bomben auf Deutschland fielen, saßen andere Kinder in anderen Ländern in Luftschutzkellern. Viele davon haben nicht überlebt. Um die persönliche Schuld von Schulkindern geht es nicht. Wohl müssen diese Schulkinder im Erwachsenenalter aber lernen, wer das alles angerichtet hat

      • 1G
        164 (Profil gelöscht)
        @Alfonso Albertus:

        Das bestreitet ja niemand. Trotzdem ist hinsichtlich (authentischer) Kriegserfahrung die vorherrschende Perspektive auf Krieg hierzulande vermutlich die aus dem Luftschutzkeller heraus, was die Einlassungen von Welzer/Habermas ganz gut erklärt. Und ich finde "ihr müsst mal ganz still sein als Tätervolk" ist keine gute Replik. Und ich finde der Versuchung, die denen man nicht zustimmt, als Intellektuelle in Anführungsstriche zu setzen, könnten auch ruhig mehr Autoren widerstehen.

        • @164 (Profil gelöscht):

          Das mag die vorherrschende Perspektive derjenigen sein, die zum Kriegsende noch Kinder waren. Neben den guten Hitlerjugend/Bund deutscher Mädels Tagen natürlich. Bei der älteren Generation sieht es dann schon anders aus. Da gab es ein paar Jahre unter Hilter die nicht nur von Luftschutzkellern geprägt waren.

          Mag ja sein das Sie das nicht bestreiten. In vielen Familien war das anders. In einem Teil meiner Familie war das anders und erst meine Generation( die zweite nach dem Krieg) hat ein wirklich kritisches Verhältnis zu der deutschen Geschichte. Ansonsten wurde und wird von den älteren Familienmitgliedern relativiert wo es nur geht. Je schneller eine wirklich kritische und schonungslose Aufarbeitung der eigenen deutschen (Familien) Geschichte stattfindet, desto eher ist man aus der Tätervolk-Nummer raus, würde ich sagen.

          Wo ich Ihnen recht gebe: das die Zuschreibung als Tätervolk kein Argument sein darf um jemanden mundtot zu machen, denn das ist mir zu "völkisch" gedacht. Spätestens die Generation meiner Kinder wächst multikulti auf und hat keinen Bezug mehr zut Tätergeneration.

  • Mal eine Frage: Was würde es denn bringen, wenn sich jetzt jeder Deutsche als Teil eines Tätervolks betrachten würde und das auch an seine Kinder weitergeben würde? Wir sind im Kern böse, wir haben Böses getan, zwar nicht persönlich, aber es klebt noch an uns?

    Man würde wahlweise lernen, damit zu leben, man hat halt keine guten Wurzeln, man ist Deutscher, da ist nichts, worauf man stolz sein oder das man genießen dürfte.



    Oder man würde in ewiger Scham versinken. Das mag dann auf politischer Ebene dazu führen, dass man immer wieder Einsatz zeigen würde, um seine ewige Schuld zu begleichen. Dadurch mag einiges Gutes entstehen.

    Aber was soll es dem einzelnen Menschen bringen, sich als grundböse zu sehen?



    "Die Nazis wurden besiegt" bedeutet natürlich "die damalige Regierung und die Ausführenden (Soldaten, Arbeiterinnen in der Kriegsindustrie, KZ-Mitarbeiter etc.) wurden besiegt.



    Unter denen haben einige sehr bewusst mitgemacht und denen war auch klar, dass sie etwas Unmenschliches tun, andere haben unbedacht mitgemacht, andere widerwillig oder verängstigt, einige haben sich geweigert. Die sind jetzt aber halt alle Teil vom Tätervolk, für immer, unauslöschlich. Wir halt auch, als Nachfahren. Eure Oma ist irgendwann nach Deutschland eingewandert? Pech gehabt, sie ist jetzt Teil des Tätervolks, wie ihr auch.

    Also was soll das Produktives für die Zukunft bringen?

    Weiten wir das aus, fordern wir auch von anderen Ländern, sich mit dem Schlechtesten aus ihrer Geschichte zu identifizieren, für immer?

    Wer bliebe da noch als zukunftsorientiertes Volk, das sein Leben produktiv und mit Freunde auf individueller Ebene gestalten dürfte?

  • Deutschland war ein Täterland. Die heutige Generation sehe ich in diesem Kontext „nur“ in der Verantwortung, die AEMR von 1948 deshalb besonders engagiert umzusetzen sowie einzuhalten. Das klappt zwar leider nicht, da wir nicht mal ein funktionierendes Lieferkettengesetz hinbekommen. Aber laut Amnesty International ist Deutschland beim Thema Menschenrechte wenigstens nicht Schlusslicht, da sind andere Länder wesentlich schlechter, auch die, die keine Täterländer sind bzw. waren! Ergo: Beim Thema Menschenrechte müssen alle in diesem Land noch mehr Engagement aufbringen, auch im Hinblick auf ungemütliche Themen wie Kriegsdienstverweigerung:

    Ausreiseverbot aus Ukraine widerspricht Menschenrechtskonvention

    www.proasyl.de/pre...s-und-der-ukraine/

  • Aufarbeitung fängt mit Fragen an. Ein/e jede/r frage mal die vorhergegangene Generation nach Verstrickungen und Beitrag zu Tätergesesellschaft/ Tätergeschichte im eigenen Hintergrund...

    • @aujau:

      Tätergesellschaften sind in großen Teilen noch nicht einmal in der Lage, ihren eigenen Kindern zuzuhören. Mal nur so am Rande.

  • Täterland ist vor allem ein sehr, sehr deutsches Wort, es wird eigentlich nur von uns selbst benutzt, nicht irgendwo im Ausland, selbst in Israel ist der Begriff eher unüblich…

    Und: Besser Täter als Opfer, wie Henryk M. Broder mal anmerkte…das war zumindest während die Täter ihre Taten verübten die deutlich angenehmere Position, erst danach wurde es für ein paar ab 1946 in Nürnberg unangenehm…

  • Begriffe wie Täterland oder Tätervolk (Hohmann) und Opferland/Volk offenbaren ein nationalistisches Denken, das Schuld und Verantwortung nicht als etwas Individuelles sieht, sondern als ewig währender Teil eines "Volkscharakters". Damit ist man schon ganz schön nah bei der Ideologie der Nazis



    Natürlich trägt ein erschreckend höher Teil der Deutschen dieser Zeit eine direkte oder indirekte Schuld, aber wer von Täterland redet, der weitet diese Schuld auch auf jede Deutschen aus, die Opfer waren oder spricht ihnen die Zugehörigkeit zu Deutschland ab. Aber auch Juden, Sinti, Roma, Schwule und aus politischen Gründen von den Nazis verfolgte waren Deutsche. Wer das leugnet, spielt das Spiel der Nazis.

    • @Ruediger:

      Auf diesen Gedanken kam ich auch.

  • Sorry, liebe Frau Hirse, damit kommen Sie ein halbes Jahrhundert zu spät.

    Der Krieg ist seit fast 80 Jahren vorbei, und das was Sie beschreiben, hat die Boomer-Generation etwa zwischen 1960 und 1980 ausführlich und sehr gut gemacht. Sie hat revoltiert. Sie hat damals auf die vielen verbliebenen Nazis und deren Mitläufer gezeigt.

    Z. B. wurden von den etwa 200.000 schlimmsten Nazi-Verbrechern, die Aliierten hatten Listen angelegt, nur etwa 5000 verurteilt.

    Das war ein Verbrechen 195.000 der übelsten Nazis nicht in den Knast zu stecken, echte Monster dabei.

    Doch mittlerweile sind wir etwa vier Generationen weiter.

    Leider nehmen die Nazis wieder zu, so auch die Islamisten, so auch die Judenhasser. Ich kann es kaum gkauben was hier passiert.

    Und was meinen Sie was passieren wird, wenn hier die Arbeitslosenquote steigt, und es gibt eine Menge Gründe dafür, dass sie in den nächsten Jahren ziemlich heftig ansteigen könnte.

    Ich würde niemals einen Schlussstrich unter die Beschäftigung mit dem Entstehen des Nationalsozialismus setzen. Das muss sehr genau verstanden werden. En detail. Um daraus zu lernen.

    Auf der anderen Seite bin ich dafür, dass sich ein Land wehren kann.

    Es gibt absolut genug Psychopathen als Regierungschefs rund um die Welt, die bereit wären über Milliarden von Leichen zu gehen und jeden Krieg zu beginnen, sobald die Situation günstig erscheint.

    Man muss sich schützen können.

  • die heutigen Generationen haben nichts mehr mit den Verbrechen der Nazizeit zu tun, was aber nicht bedeutet, dass es heute keinen Rassismus oder keine Nazis mehr gäbe.... was aber nötig wäre, wäre die Verbrechen Deutschlands, nicht immer hinter Floskeln, wie Hitler hat...., die Nazis haben...zu verstecken, nein es war Deutschland unter der damaligen Regierung, es war die deutsche Bevölkerung, die das mitgetragen hat und Deutschland (also wir) und nicht die Nazis wurden besiegt. Nur wenn wir das als Teil von uns anerkennen, ist es möglich zu verstehen, dass es an uns liegt, was geschieht, ob es wieder geschehen könnte.



    Eins kann ich mir aber nicht verkneifen, gehören die Nicht-Biodeutschen, die ja auch Deutsche sind, auch in die Täterkategorie der Autorin? Es sind ja auch Deutsche.

  • Sehr geehrte Frau Hirse,



    Die Täter sind inzwischen fast alle tot! Es gab eine Tätergeneration der Deutschen, die ungefähr zwischen 1890 und 1920 geboren wurden. So ziemlich jeder Deutsche mit Wurzeln hier im Lande hat Täter unter seinen Vorfahren. Das heißt aber eben nicht, dass wir selbst Täter sind oder Taten verleugnen. Oft versteht man erst als Erwachsener, was die Menschen, die man vielleicht sehr geliebt hat, möglicherweise getan haben. Gut und Böse in einer Person! Aber wir sind nicht verantwortlich für das Geschehene, sondern nur für unsere eigenen Taten. Aufarbeitung und Erinnerung: ja! Erbschuld: nein!

  • Der Artikel wäre mit weniger Pathos und nationaler Schablone besser gewesen.

  • "Deutschland hat nicht aufgehört, ein Täterland zu sein, weil es besiegt wurde." - "Deutschland wäre gern was anderes, aber ist ja ein Täterland. Müsste also: den Zeigefinger gegen sich selbst erheben, bevor es ihn in die Welt richtet."

    Ernsthaft? Was soll dieser Text?



    Irgendetwas mitbekommen von den letzten 70 Jahren deutscher Vergangenheits"bewältigung" (freiwillig lief sie ja nicht)? Von der totalen Verdrängung bis zur akribischen Nachverfolgung jedes Nazi-Mitläuferdetails? Aber egal: Deutschland ein Täterland für immer, alle verbleiben in einem verewigten Schuldzusammenhang, und wehe, sie zeigen mit dem Finger auf andere...

    Auch dass Deutschland am 8.Mai "befreit" wurde, war ein langer Lernprozess, nach '45 war das nur Niederlage, Kapitulation und Schande. Dass die Nachfolgegenerationen es als Befreiung ansehen können und wollen, hat nichts mit Selbstviktimisierung zu tun, sondern ist Selbstdistanzierung von den Taten der Nazis, in die noch die Großeltern verstrickt waren.

  • Deutschland (besser seine Einwohner) sollte eher solche vollkommen unnötigen Begriffe wie "Täterland" und "Opferland" ablegen und auch damit aufhören, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen.

  • Absolut richtig! Deswegen ist es unsere Verpflichtung vorbehaltlos hinter Israel zu stehen, ohne wenn und aber.

  • 0G
    03998 (Profil gelöscht)

    Wohl eher inzwischen Urgroßeltern oder Ururgroßeltern. Für manche ist wohl erst gestern geschehen, was eigentlich siebenundsiebzig Jahre her ist. Und da fragt man/frau sich schon warum eigentlich. Die christliche Sichtweise von der Strafe bis ins dritte und vierte Glied und dazu Sippenhaft - scheint mir absolut reaktionär und kontraproduktiv. Da können wir ja auch die Franzosen beschimpfen oder die Dänen, für das was die einstmals angerichtet haben. Wenn so argumentiert wird, dann sind die meisten Länder der Erde Täterland und auch Nachkommen von Tätern. Erinnerungskultur ja - und wir sind wohl fast das einzige Land auf der Welt , das das ernsthaft betreibt.

  • Ein würdiges Gedenken der Opfer ist in jedem Fall geboten. Dazu gehört auch ehrlicher Geschichtsunterricht und vollständige Dokumentation der Verbrechen der Nazis (soweit noch nicht geschehen). Nur so können wir verhindern, dass sich die Geschichte wiederholt. Das Motto "Nie wieder!" müssen wir uns und unseren Kindern dringend beibringen und auch an kommende Generationen weitergeben.

    Aber selbst meine Eltern waren im 2. Weltkrieg als Kleinkinder zu jung, um noch irgendwie als Mittäter in Frage zu kommen. Warum sollten wir uns als übernächste Generation noch die Selbstbezeichnung "Tätervolk" geben? Meines Wissens wird die Schuld der Verbrechen von Eltern oder gar Großeltern nach keinem Rechtsstandard der Welt auf Kinder oder Enkel vererbt.

  • "sogenannte Intellektuelle"



    Nun mag man Harald Welzer, auf den die Autorin hier anspielt, zustimmen oder nicht - es wäre aber wünschenswert, wenn man das begründen könnte, statt auf Diffamierungen und Unterstellungen zu setzen (ein Intellektueller ist er ja zweifellos); die Vorstellung, dass das Gefühl im Recht zu sein eine sachliche Auseinandersetzung ersetzt, ist leider bezeichnet für unsere gegenwärtige Diskussionskultur. Vor diesem Hintergrund kann ich auch an der hier formulierten "Deutschlandkritik" nichts progressives mehr sehen, geht es hier doch im wesentlichen darum, politischem Dissens eine genervtes "Sei doch still" entgegen zu plärren. Das ist dann aber nichts anderes als ein modernisierter Konservatismus, der den sonntäglichen Kirchgang durch den Biosupermarkt ersetzt hat.