Antwort auf 551 Fragen zu NGOs: Nimm das, Union
Mit 551 Fragen nahm die Union die linke Zivilgesellschaft ins Visier. Die taz hat die Antwort der Bundesregierung vorliegen.

Der demokratische Verfassungsstaat „lebt von zivilgesellschaftlichem Engagement für ein friedliches und respektvolles Zusammenleben und den Einsatz gegen menschen- und demokratiefeindliche Phänomene“, betont das Bundesfinanzministerium von Jörg Kukies (SPD), das die Antwort formulierte, gleich in einer Vorbemerkung. Eine Aufgabe des Staates sei es, dieses Engagement zu fördern, auch durch Gelder oder Steuerbegünstigungen. Dies geschehe seit Jahrzehnten „in einem parteiübergreifenden Konsens“.
Die Union hatte ihre Anfrage mit „Protesten gegen die CDU“ begründet, die angeblich von gemeinnützigen Vereinen mitorganisiert wurden. Das Ministerium verweist dagegen auf das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, das für eine Demokratie „konstituierend“ sei und auch vor Wahlen „nicht eingeschränkt“ sei. Die Regierung könne hier auch geförderten Gruppen keine Vorgaben für Demonstration machen. Und auch gemeinnützige Gruppen hätten laut eines Erlasses in der Abgabenordnung das Recht, sich politisch außerhalb ihres Satzungszweckes zu äußern, sofern dies „vereinzelt“ geschehe. Heißt: Auch ein Umweltverein darf sich gelegentlich etwa gegen Rassismus positionieren.
Den Vorwurf der Union, dass die NGOs eine „Schattenstruktur“ bildeten, weist das Ministerium deutlich zurück: Dafür gebe es „keine Anhaltspunkte“. Auch sei es nicht Aufgabe der Regierung, „allgemeine Informationen über die Aktivitäten und Kontakte von Organisationen zu sammeln, zu überwachen oder zu bewerten“, auch wenn diese gefördert würden.
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Nicht Aufgabe, offene Infos „anschaulich aufzubereiten“
Zudem gelte der Informationsanspruch des Parlaments nur für Themen, die einen Bezug zum Regierungshandeln hätten – und „ausdrücklich nicht“ für die Beurteilung „steuerlicher Einzelfälle“. Für Fragen der Gemeinnützigkeit seien grundsätzlich die Landesfinanzbehörden zuständig. Informationen zu Finanzen der Initiativen fänden sich auch auf deren Webseiten oder im Lobbyregister. Es sei nicht Aufgabe der Regierung, frei verfügbare Informationen zusammenzutragen und „anschaulich aufzubereiten“.
Laut Auflistung der Regierung wurden zuletzt auch nur 6 der 17 abgefragten Initiativen mit Bundesmitteln gefördert, mit je 208.000 bis zu 2,6 Millionen Euro, für Projekte, Schulungen oder Forschungsvorhaben. Das betrifft Correctiv, die Amadeu Antonio Stiftung, die Umwelthilfe, den BUND, Delta und die Neuen Deutschen Medienmacher.
Entsprechend dürr beantwortet das Ministerium die 551 konkreten Fragen. Ob es Hinweise auf Kampagnen der Omas gegen Rechts, gegen bestimmte Parteien gebe? Dazu gebe es „keine Erkenntnisse“. Ob die Gruppe Demonstrationen mit Geldern unterstütze? „Keine Erkenntnisse.“ Ob Projektmittel außerhalb der gemeinnützigen Zwecke genutzt würden? Das hätten die Landesfinanzbehörden zu klären. So wiederholt sich das für alle 17 Organisationen.
„Nachhilfe in Demokratie“
Die Union reagierte auf die Antwort wortkarg. Eine Fraktionssprecherin erklärte lediglich, dass man die Antwort „sorgfältig auswerten“ werde. Fraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) hatte zuvor noch gemeinnützigen Organisationen gedroht, ihnen Staatsgelder zu streichen, sollten sie sich an „parteipolitischen Aktionen“ gegen die Union beteiligen. SPD, Grüne, Linke und die NGOs hatten diese Ansage und die Bundestagsanfrage als Einschüchterungsversuch scharf kritisiert.
Die gesamte Antwort auf die Anfrage von Friedrich Merz und der Unionsfraktion
.Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, nannte die Antwort der Bundesregierung denn auch „bemerkenswert eindeutig“. Zivilgesellschaftliches Engagement sei „rechtlich abgesichert und demokratiepolitisch erwünscht“. Campact-Geschäftsführer Felix Kolb von Campact sprach von einer „Klatsche“ und „Nachhilfe in Demokratie“ für die Union. Diese müsse ihre Grabenkämpfe jetzt beenden und sich im künftigen Koalitionsvertrag klar zur Zivilgesellschaft bekennen.
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