Al-Qaida-Chef in Afghanistan getötet: „Haben Gerechtigkeit geliefert“
Die USA töten Al-Qaida-Chef Aiman al-Sawahiri per Drohne in Afghanistans Hauptstadt Kabul. Der angeschlagene US-Präsident Biden will Stärke zeigen.
Während seiner sieben Minuten und 25 Sekunden langen Ansprache stand Biden allein auf dem Balkon des blauen Raums im Weißen Haus. Im Hintergrund waren Motorengeräusche und Hupen aus dem abendlichen Berufsverkehr der US-Hauptstadt zu hören und das George Washington Memorial zu sehen.
Damit gab Biden ein anderes Bild als sein Amtsvorgänger ab. Barack Obama hatte seine Osama-bin-Laden-Erfolgsmeldung am 2. Mai 2011 im Inneren des Weißen Hauses gemacht. Er war über einen roten Teppich an das Rednerpult gekommen und hatte neun Minuten und 40 Sekunden lang gesprochen.
Im Gegensatz zu dem damals 50-jährigen energiegeladenen Obama wirkte der 79-jährige Biden am Montagabend angeschlagen. Viele seiner Sätze waren genuschelt. Aber wie Obama machte Biden klar, dass er persönlich für die Sicherheit seiner Landsleute sorge. Wie er sprach er von „Gerechtigkeit“. Und wie er widmete er die Tötung den Angehörigen der Opfer der Attentate vom 11. September 2001. Als habe er eine religiöse Aufgabe erledigt, sprach Biden von der Einlösung eines „heiligen Versprechens an die Nation“ und davon, dass die Tötung eine Maßnahme sei, um den Angehörigen einen Abschluss zu ermöglichen.
Biden hofft auf Popularitätsschub
Biden ist gegenwärtig an Covid erkrankt und befindet sich zum zweiten Mal binnen weniger Tage in Quarantäne. Erst am Samstag hat das Weiße Haus bekannt gegeben, dass er erneut positiv getestet wurde. Die Botschaft von dem Balkon bedeutet auch, dass Biden sich nicht von dem Virus davon abhalten lässt, seine Rolle als Oberster Befehlshaber ernst zu nehmen.
Kurz nachdem Obama im Mai 2011 seine Rede gehalten hatte, versammelten sich Tausende auf dem Vorplatz des Weißen Hauses und feierten bis tief in die Nacht hinein die Tötung bin Ladens in Abottabad in Pakistan. 21 Jahre nach den Anschlägen vom 11. September und auch weil al-Sawahiri in den USA nicht annähernd so bekannt und berüchtigt war wie bin Laden, kam es am Montag auf Washingtons Straßen nicht zu vergleichbaren Szenen. Aber genau wie Obama, der ein Jahr nach seiner antiterroristischen Erfolgsmeldung für eine zweite Amtszeit im Weißen Haus gewählt wurde, kann Biden jetzt auf einen Anstieg seiner zuletzt extrem gesunkenen Popularität hoffen.
Ein Jahr nach dem Abzug der US-Truppen aus Afghanistan soll die Erfolgsmeldung zusätzlich demonstrieren, dass Biden in der Lage ist, US-amerikanische Interessen auf militärische Art in Kabul zu vertreten. „Als ich unsere Militärmission in Afghanistan beendete, habe ich entschieden, dass die USA nach 20 Jahren Krieg nicht mehr Tausende Bodenkräfte brauchen, um Amerika vor Terroristen zu schützen“, erklärte er am Montag, „ich habe versprochen, dass wir weiterhin effiziente antiterroristische Aktionen durchführen. Das haben wir getan“.
Al-Sawahiri war nach Bidens Darstellung „jahrzehntelang der Vordenker von Angriffen gegen Amerikaner“. Der US-Präsident sagte, er sei „tief verwickelt“ in die Anschläge vom 11. September gewesen. Er machte al-Sawahiri auch für den Angriff auf das US-Militärschiff USS Cole im Jahr 2000 und für die Bombenangriffe auf US-Botschaften in Kenia und Tansania 1998 verantwortlich. Und er beschrieb, dass al-Sawahiri noch in den zurückliegenden Wochen seine Anhänger in Videos zu Angriffen gegen die USA und ihre Alliierten aufgerufen habe.
Nach nicht näher genannten Informationen von US-Geheimdiensten soll al-Sawahiri kürzlich zu Angehörigen in der Innenstadt von Kabul gezogen sein. Biden betonte, dass bei der Drohnentötung am Samstag in Kabul kein Angehöriger zu Schaden gekommen sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich