AfD-Verbot kann kommen: Da braucht es weder Gutachten noch Verfassungsschutz
Gastautor Thomas Jung von „AfD Verbot Jetzt“ sieht keine Hindernisse im Angehen eines AfD-Verbotsverfahrens.
A uch im neuen Bundestag setzen Abgeordnete sich für ein Verbot der AfD ein. Die Debatte hat neue Fahrt aufgenommen. Das ist dringend nötig. Doch darin taucht immer wieder ein großer Irrtum auf: Es wird angenommen, für einen Verbotsantrag sei eine Hochstufung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zur „erwiesen rechtsextremistischen Bestrebung“ zwingende Voraussetzung. Das suggerieren Beiträge selbst in denjenigen Medien wie der taz, der Frankfurter Rundschau oder Correctiv, deren Autor*innen sich für ein Verbot aussprechen. Da heißt es etwa, „die Hochstufung gilt als zentrale Voraussetzung für ein neues Verbotsverfahren“.
Doch das ist juristisch falsch. Die Kategorien sind nichts anderes als Verwaltungspraxis. „Gutachten“ hört sich bedeutsam an, aber in der Rechtsprechung ist davon nie die Rede. Es gibt auch keine gesetzliche Vorschrift, die eine Einstufung als „Verdachtsfall“, „gesichert extremistisch“ oder ein Gutachten des Verfassungsschutzes fordert. Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat können nach Paragraf 43 BVerfGG jederzeit einen Antrag auf ein Verbot stellen. Auch das Bundesverfassungsgericht benötigt keine Erkenntnisse des Verfassungsschutzes. Das war bereits beim Verfahren zum Ausschluss der NPD von der Parteienfinanzierung zu sehen, in dem sich das Gericht allein auf öffentlich verfügbare Belege wie Wortbeiträge führender Politiker stützte.
Paragraf 3, Absatz 1 Bundesverfassungsschutzgesetz regelt die Aufgaben der Behörde sehr genau: Sie soll Informationen zu Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sammeln und auswerten. Daneben soll der Verfassungsschutz die Öffentlichkeit über bestimmte Erkenntnisse informieren. Das steht tatsächlich noch aus. Um das Verbotsverfahren einzuleiten, braucht es aber keine Erkenntnisse des Verfassungsschutzes. Das fehlende Gutachten ist juristisch nicht nötig. Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung könnten jederzeit mit öffentlich zugänglichen Informationen ein Verbotsverfahren einleiten.
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