9-Euro-Ticket und Lindner: Unfair für Reiche

Viele wünschen sich, dass das 9-Euro-Ticket weitergeführt wird. Finanzminister Lindner nennt das „Gratismentalität“. Er hat es nicht verstanden.

Ein Regionalzug steht am Bahnhof. Das Bild ist von oben aufgenommen worden. Viele Leute sehen vor der Tür, um einzusteigen.

Egal, ob Lindner dann wieder „Gratismentalität“ shamt: Alle einsteigen!

Alles wie gehabt, keine Verlängerung und schnell weg mit dem 9-Euro-Ticket. Nicht nachhaltig, nicht effizient und vor allem – nicht fair sei es, sagt Finanz-Lindner. Auf Twitter nennt er den Wunsch nach dem Ticket „Gratismentalität“. Die soziale Komponente des Tickets klammerte er in bester FDP-Manier aus.

Sollte das 9-Euro-Ticket denn wirklich die Deutsche Bahn effizienter und ökologischer gestalten? Oder vielleicht doch eher Menschen entlasten? Hier muss man genau hinsehen. Parteikollege und Verkehrsminister Volker Wissing hat’s geschafft und den sozialen Erfolg des Tickets anerkannt. Der Modernisierungsschub bei der Bahn ist für ihn nur positive Nebenwirkung.

Vielleicht ist Christian Lindner vor lauter Telefonaten und Hochzeitstrubel entgangen, dass viele Menschen in Deutschland durch die Krise vor finanziellen Herausforderungen stehen. Deren größte Sorge ist nicht die schwarze Null im Bundeshaushalt, sondern die roten Zahlen auf dem Kontoauszug.

Nun müsste man glauben, dass eine SPD-geführte Bundesregierung sich um genau diese Menschen sorgen müsste – und sich nicht von der FDP am Nasenring durch die Manege ziehen lässt. Vor allem das 9-Euro-Ticket ermöglichte es vielen Familien und Pend­le­r:in­nen – auch aus dem ländlichen Raum – nicht nur zur Arbeit, sondern am Wochenende auch an den See zu fahren oder einen Urlaub einzuplanen.

Stattdessen müssen sie sich von Lindner – der in seinem Amt über viele Privilegien verfügt, von denen Normalsterbliche nur träumen können – nun eine Gratismentalität vorwerfen lassen. Gerade sie, die in diesem Land gar nichts geschenkt bekommen – und oft genug von der Politik nicht mitgedacht werden.

Ein dauerhaft günstiges Ticket ist eine finanzpolitische Herausforderung. Genau deswegen kommt ja auch niemand auf die Idee, ein Verkehrsmittel derart steuerlich zu bevorzugen. Sonst gäbe es ja auch kostenlos nutzbare Autobahnen. Oder Vorteile bei Dienstwagen. Wobei – genau das gibt es alles. Aber kann einem Finanzminister ja mal durchrutschen. Besonders, wenn es um Autos und ihre Fah­re­r:in­nen geht.

Man muss definitiv schauen, wo das Geld herkommt. Das wäre eigentlich Lindners Aufgabe. Und nicht Tweets abzusetzen, die die Lebensrealität von so vielen Menschen absichtlich missachten.

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