Mieterin schickt Rechnung an Vonovia: „30 Stunden Arbeit pro Woche“
Zehn Jahre lang muss sich eine Vonovia-Mieterin immer wieder ihre Rechte erstreiten. Jetzt stellt sie dem Konzern diese Arbeitszeit in Rechnung.
Seit zehn Jahren wohnt Leila von der Spree, die einen Künstlernamen verwendet, in einer Wohnung, die zunächst Deutsche Wohnen und jetzt Vonovia gehört. In dieser Zeit musste sie sich so viel mit Mietsachen herumschlagen, neben ihrem eigentlichen Job, dass sie jetzt in einem offenen Brief an die Vonovia-Geschäftsführung diese „erzwungene Dauerarbeit und Selbstverteidigung“ in Rechnung stellt.
taz: Leila von der Spree, Sie verlangen 500.000 Euro Honorar von Vonovia als Entschädigung für die aufgebrachte Zeit, um sich gegen unrechtmäßige Mieterhöhungen und Co zu wehren. Um was mussten Sie sich denn kümmern?
Von der Spree: Schon drei Monate nach meinem Einzug habe ich die ersten Beschwerde-E-Mails schicken müssen. Da ging es um marode Heizungen. Seither gab es unzählige weitere Themen, wie Schimmel, Schädlingsbefall, Verwahrlosung im Hof, falscher Energiekennwert und Mieterhöhungen. Dann muss man die bescheuerte Nebenkostenrechnung überprüfen und durchrechnen, weil die eigentlich immer falsch ist. Das ist unheimlich viel Arbeit und man sitzt da echt viele Stunden dran. Man muss sich da in Themen einarbeiten, mit denen man sich gar nicht auskennt.
Schon drei Monate nach ihrem Einzug in der Vonovia-Wohnung (damals noch Deutsche Wohnen) gab es die ersten Probleme. Trotzdem wohnt Leila von der Spree, 40, auch noch zehn Jahre später dort mit ihren zwei Kindern zur Miete.
taz: Und wie sind Sie auf die konkrete Summe gekommen?
Von der Spree: Ich habe mir von einer KI ausrechnen lassen, wie viel Zeit dabei drauf gegangen ist. Allein in den letzten zwei Jahren waren das pro Woche manchmal mehr als 30 Stunden. Das Ergebnis habe ich dann mit einem Stundenlohn von 100 Euro verrechnet – nichts im Vergleich dazu, was die Vonovia-Anwälte verdienen. So bin ich auf die geforderte Summe gekommen. Parallel lasse ich gerade von einem Rechtsanwalt überprüfen, ob es einen Weg gibt, die Arbeitszeit und die gesundheitlichen Schäden, die wir durch diese Dauerbelastung erleiden, in Rechnung zu stellen.
taz: Sie sprechen davon, dass Ihre Situation für die aller Mieter:innen in Berlin steht. Ihre Situation sei kein Einzelfall, sondern habe System. Was ist das „System-Vonovia“?
Von der Spree: Das, was Vonovia macht, nennt sich kalte, minimale Compliance. Compliance ist praktisch der Verhaltenskodex eines Unternehmens. In diesem Fall heißt das: Vonovia macht so wenig wie möglich für die Mieter, aber betrügt immer mehr. Und es gibt keine politischen und juristischen Mittel dagegen, weil die das so machen, dass sie am Rande der Gesetzgebung arbeiten und nötigenfalls zurückziehen. So wie jetzt in dem Fall der rechtswidrigen Mieterhöhung wegen ÖPNV-Anbindung. Damit wir uns wehren können, müssen wir praktisch gratis Arbeitsstellen ausfüllen, während Vonovia eine ganze Armada hoch bezahlter Rechtsanwälte beschäftigt.
taz: Was wäre sonst passiert?
Von der Spree: Hätten wir nichts getan, wären unsere Mieten doppelt so hoch, unsere Wohnungen wären vergammelt und wir wären, wie so viele andere, längst aus unseren Wohnungen und aus unserem Kiez vertrieben worden. Mittlerweile sehen viele – unabhängig von der politischen Haltung – nur noch eine Lösung: vergesellschaften.
taz: Sie richten sich in ihrem offenen Brief an den scheidenden Vonovia-Geschäftsführer Rolf Buch und den werdenden Luka Mucic. Was würden Sie den beiden gerne mal ins Gesicht sagen?
Von der Spree: Ich würde ihnen sagen, es gibt noch mehr außer Rendite. Es gibt noch ein anderes Leben und das ist unser Leben. Man müsste die Neiddebatte mal umdrehen und fragen: ‚Kann es sein, dass Sie und Ihresgleichen neidisch auf uns sind, weil wir auch ohne Millionen oder Milliarden ein gutes Leben führen können?‘ Vielleicht ist das ein bisschen naiv. Aber ich würde die beiden einfach mal einladen, an unserem normalen Leben teilzunehmen. Ich würde ihnen gerne unsere Situation und unsere Perspektive näher bringen wollen. Und für eine gemeinwohlorientierte Zukunft kämpfen, wo wir alle mitnehmen.
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