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Bundestag bewilligt RüstungsprojekteFürs Militär ist Kohle da

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Der Haushaltsausschuss hat 21 Milliarden Euro schwere Beschaffungsvorhaben für die Bundeswehr bewilligt. Schade, dass von Armut betroffene Kinder keine U-Boote sind.

Ein Mitarbeiter montiert bei Renk in Augsburg das Getriebe für einen Panzer Foto: Stefan Puchner/dpa

E rinnert sich noch jemand an jene legendäre Kindergrundsicherung, mit der SPD, Grüne und FDP laut ihrem Koalitionsvertrag „mehr Kinder aus der Armut holen“ wollten? Eigentlich eine ganz gute Idee, immerhin ist jedes fünfte Kind und je­de:r vierte Jugendliche in Deutschland von Armut betroffen oder armutsgefährdet.

12 Milliarden Euro veranschlagte die grüne Familienministerin Lisa Paus ursprünglich für das nach ihrer eigenen Aussage „zentrale sozialpolitische Projekt dieser Ampelregierung“. Das ließ sie sich dann auf 2,4 Milliarden Euro runterkürzen. Nach dem Ampel-Aus ist von dem hehren Vorhaben schließlich gar nichts mehr übriggeblieben. Dumm gelaufen. Von Armut betroffene Kinder sind halt blöderweise keine U-Boote.

Ist das bloß eine polemische Feststellung? Nein, leider traurige Realität. Auch wenn der derzeitige Bundestag ansonsten nicht mehr viel hinbekommt, zeigt er sich doch weiterhin erstaunlich handlungsfähig und -bereit, wenn es um die militärische Aufrüstung Deutschlands geht. So hat am Mittwoch der Haushaltsausschuss 38 Beschaffungsvorhaben für die Bundeswehr mit einem Gesamtvolumen von 21 Milliarden Euro bewilligt.

Darunter befindet sich auch die Bestellung von vier neuen U-Booten für rund 4,7 Milliarden Euro. Bei allen sonstigen demonstrativen Streitereien: Für das deutsche Militär scheuen SPD, CDU, CSU, FDP und Grüne in trauter Eintracht keine Kosten und Mühen.

Das lässt sich auch an den bisher vorliegenden Bundestagswahlprogrammentwürfen ablesen. Mit Ausnahme der Linken überbieten sich die Parteien darin in ihren Bekundungen, auf welche Höhen sie die deutschen Militärausgaben steigen lassen wollen. Die Union sieht das aktuelle Zwei-Prozent-Ziel der Nato „als Untergrenze“, auch die SPD spricht sich für „mindestens zwei Prozent“ des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus, die Grünen fordern „dauerhaft deutlich mehr als 2 Prozent“ und die FDP will perspektivisch sogar 3 Prozent: „Wenn die Nato höhere Ziele vereinbart, werden wir auch diese erfüllen und noch mehr in unsere Sicherheit investieren.“

Schon die bloße Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels würde nach dem Wegfall des Bundeswehr-„Sondervermögens“ künftig eine zusätzliche jährliche Haushaltsbelastung von mehr als 30 Milliarden Euro bedeuten. 3 Prozent des BIP hieße nach derzeitigem Stand Verteidigungsausgaben in Höhe von rund 120 Milliarden Euro. Davon könnte man noch einige U-Boote mehr kaufen. Für die Bekämpfung von Kinderarmut und ähnlichen „Sozialklimbim“ könnte es jedoch knapp werden. Aber für notleidende Kinder gibt es ja immerhin noch die Spendenaktion „Ein Herz für Kinder“.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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6 Kommentare

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  • Willkommen in der Realität. Ohne Sicherheit ist alles nichts.

  • Anbetracht des Kriegswütigen Putin bedarf es (leider) einer wehrfähigen Armee in Europa und Deutschland. Wenn wir uns nicht verteidigen können, ist auch das beste Kindergeld nichts mehr wert. Deshalb würde ich nicht Wehrfähigkeit und Kinderarmut gegeneinander ausspielen wollen - beides ist wichtig.

    • @Hans Dampf:

      H.D., ich seh das auch so. Wäre besser aufgepasst worden, die vergangenen Jahrzehnte über, längst hätte weltweitmensch erkannt, dass Putin ein eiskalter Egomane mit Gross-Zar-Allüren ist, dem das Leben anderer so viel bedeutet, wie dem Lindner oder dem Musk Menschen-in-Armut. Und es wäre möglich gewesen – z.B. auf die Art mit der Putin‘s Chemiegeneral aus der Welt genommen wurde – all das Grauen und seine sinistren Konsequenzen zu vermeiden.



      (Aber vielleicht kommt ja, spät aber doch, noch ein/e russische/r Hans Georg Elser mit mehr Glück als er.)

      Dass die fehlende Aufmerksamkeit (Intelligenz?) der MachtpolitikerInnen ausserhalb Russlands freilich nun (nicht „nur“) deutsche Kinder ausbaden müssen, ist freilich ein obszönes Stück Realpolitik der Parteienlandschaft mehr.

  • Ich als ehemaliger Wehrdienstverweigerer halte die gute Finanzierung der Bundeswehr mittlerweile für dringend geboten. Das Problem ist eher, dass der Staat nicht seine Möglichkeiten nutzt, wieder Geld in die klammen Kassen zu bekommen, um Sozialstaat und andere Pflichten ebenfalls zu finanzieren. Dafür benötigen wir eine Besteuerung von Erbschaften und Vermögen, anstatt Steuergeschenke an Reiche zu verteilen (z.B. die Streichung des Soli).

    • @Axel Donning:

      "z.B. die Streichung des Soli"



      Der Soli gehört schon deshalb gestrichen, weil er nicht mehr als Soli verwendet wird, sondern nur noch zum Löcher stopfen. Soli sofort abschaffen und durch einen höheren Spitzensteuersatz ersetzen.

  • Ehrlich gesagt bin ich aktuell froh über jeden Euro, der in die Rüstung und damit in unseren militärischen Schutz gesteckt wird. In meinem langen Leben habe ich zur Kenntnis nehmen müssen, dass Naivität in den Abgrund führt, wenn der Andere nicht zufällig genauso naiv und friedlich faul ist wie man selbst. Ein Staat, der soviel Geld für Sozialleistungen ausgibt (und diese werden nich massiv steigen durch die sich anbahnende Massenarbeitslosigkeit, die wir auch schon mehrfach hatten) braucht nicht noch mehr Ruhigstellungsgelder, sondern aktive Bürger, die sich bewegen und nach Ideen suchen um sich selbst und ihre Kinder zu versorgen, auch wenn das für einige heißt, sich nicht so viel leisten zu können. Allerdings werde ich nie verstehen, weshalb bestimmte Kinder im Lande wertvoller sind als andere,siehe Beamtenkindergeld, immerhin monatlich für 4 Kinder ca. 1400 plus Normalo- Kindergeld wohlgemerkt. Und dazu den Ehezuschlag, egal ob man der kleine Beamte oder Professor ist. Da kann man gern mal ran, wird aber wohl nicht passieren.