Ist meine Rente sicher?

Wer heute 35 ist, ist 2060 über 70. Gibt es dann überhaupt noch Geld vom Staat? Was am Rentensystem kaputt ist, wie man es ganz anders denken könnte und was wir dabei von anderen Ländern lernen können

Augen zu – oder lieber ETFs kaufen? Gedanken über die Rente machen sich viele erst, wenn sie näher rückt Foto: Nikita Teryoshin

Von Barbara Dribbusch

Alte Menschen mit Glatze, dickem Bauch und Hexennase, die aussehen wie aus einer Satirezeitschrift, zeigt der Spiegel auf dem Titel. Sie stapeln sich auf den Schultern eines jüngeren Mannes, der bis zur Brust im Wasser steht. Als Zeile darüber: „Renten in Gefahr“ – „Die Last wird zu groß“. Weiter hinten im Heft heißt es im dazugehörigen Text: „Wer trägt die Last im Jahr 2000, wenn immer weniger Arbeitnehmer immer mehr Ruheständler ernähren müssen?“

Klingt vertraut? Die Titelseite stammt aus dem Jahre 1985. Die damals Jungen sind die Ru­he­ständ­le­r:in­nen von heute. Also die Boomerjahrgänge, die angeblich die Rentenkasse aussaugen, die zu lange leben und zu lange Ruhegeld beziehen, das die Jungen einzahlen müssen. Die Sorge vor der „grauen Gefahr“, der Überzahl der Alten, begleitet das deutsche Rentensystem seit Jahrzehnten. Denn es beruht auf einem Generationenvertrag Wer jung ist und arbeitet, finanziert die Rente der Älteren. Jeder Mensch wechselt im Laufe seines Lebens unweigerlich die Rollen, von jung nach alt. Das ist das Besondere an dieser Verteilungsdiskussion. Wer heute 35 Jahre alt ist, wird im Jahre 2060 über 70 sein. Was dann? An welchen Schrauben können wir drehen, damit das System noch – oder sogar besser – funktioniert?

Menschen in Lohn und Brot bringen

Auf 100 Menschen im Erwerbsalter kommen derzeit 37 im Ruhestand. Das ist der sogenannte Altenquotient. Im Jahr 1990 lag er noch bei 24. Kam es so dramatisch, wie der Spiegel-Titel befürchten ließ? Die Antwort lautet: Jein. Es arbeiten heutzutage viel mehr Menschen als noch in den 1980er Jahren, nicht zuletzt viel mehr Frauen. Auch Zugewanderte zahlen ins Rentensystem ein. Das Renteneintritts­alter wurde angehoben – auch das verändert das Verhältnis von Erwerbstätigen zu Ruheständlern.

Trotzdem: Der Staat schießt jedes Jahr mehr Steuermittel zur Rente zu. Und auch der Altenquotient steigt weiter. Für das Jahr 2060 rechnet die Deutsche Rentenversicherung mit 45 Menschen im Ruhestand auf 100 Personen im Erwerbsalter. Wer heute jung ist, wird also später in einer Gesellschaft leben, die noch deutlich älter ist als die heutige. Bleibt das System wie derzeit bestehen, werden dann noch weniger Junge noch mehr Rent­ne­r:in­nen tragen müssen. Allerdings: Vorsicht mit dem Schimpfen auf die Alten. Irgendwann sind wir alle dran.

Das Renteneintrittsalter anheben

Andere Länder in Europa und Asien haben ähnliche Probleme mit der Demografie. Immer mehr Staaten koppeln auf der Suche nach einer Lösung das Alter, ab dem jemand Rente beziehen kann, an die Entwicklung der Lebenserwartung. In Ländern wie Dänemark, Estland, Italien, den Niederlanden oder Schweden werde „das normale Renteneintrittsalter bis zu 70 oder mehr Jahren steigen, wenn sich die steigende Lebenserwartung wie vorausberechnet bewahrheitet und die gesetzlichen Regelungen greifen“, so steht es einem OECD-Report von 2023. Rente ab 70! Der Gedanke, dass heute 35-Jährige zwar brav Beiträge in die Rentenkasse zahlen, aber dann selbst später erst ab 70 in Rente gehen können, weil es in Zukunft zu wenig jüngere Bei­trags­zah­le­r:in­nen gibt, ist für viele ein Albtraum.

Durch dieses Szenario verschärft sich auch ein Gerechtigkeitsproblem: Menschen mit geringen Einkommen leben im Schnitt mehrere Jahre kürzer, beziehen also nach Ruhestandseintritt eine kürzere Zeit Rente als die Gutverdiener. Wer also arm ist und erst mit 70 in Rente gehen kann, hat vom Ruhestand noch weniger als ohnehin schon.

Kleine Renten aufbessern

Bislang gilt die Formel: Je besser der lebenslange Verdienst, desto höher die Rente. Leider ist das auch andersherum wahr, Stichwort Altersarmut. Man könnte also darüber nachdenken, kleine Renten in Zukunft wenigstens aufzustocken. Deutschland steht bei der sogenannten Lohn­ersatz-Rate für Niedrigverdiener auf einem der hinteren Plätze der 38 OECD-Länder. Immerhin gilt hier seit 2021 die „Grundrente“, ein Zuschlag für Niedrigverdiener:innen. Bisher haben allerdings nur 1,1 Millionen Klein­rent­ne­r:in­nen Anspruch auf diese Aufstockung, die im Schnitt auch nur 86 Euro im Monat beträgt.

Ein anderer Weg der Umverteilung bestünde darin, Gut­ver­die­ne­r:in­nen überproportional in das Rentensystem einzahlen zu lassen, wie zum Beispiel in der Schweiz. Das würde die Ungerechtigkeit in der Lebenserwartung zwischen den Einkommensgruppen zumindest rein statistisch etwas abmildern. Menschen in schlecht bezahlten Jobs schaffen es allerdings häufig gar nicht, bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter zu arbeiten. Wenn es hinausgeschoben wird, wird das erst recht zum Problem.

Beamte mit einbeziehen

Wie kommt mehr Geld in die Rentenkasse? Indem mehr Menschen in sie einzahlen. Nicht alle Staats­bür­ge­r:in­nen sind dazu verpflichtet. Beamte zum Beispiel beziehen stattdessen eine Pension, die aus Steuergeldern finanziert wird. Das zu ändern und Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung mit aufzunehmen wird in Deutschland seit Jahren diskutiert. Ob das wirklich mehr Geld in die Rentenkasse spülen würde, ist fraglich, es hinge davon ab, wie die Ansprüche der Staats­die­ne­r:in­nen langfristig ausgestaltet werden. Denn Beamte leben lang und beziehen daher auch lange Jahre Rente.

Aktien kaufen

Nach und nach umstellen auf Verfahren, die unabhängig sind von der Alterung der Bevölkerung – das will der unlängst im Kabinett verabschiedete Entwurf zum Rentenpaket II. Er sieht vor, dass aus Steuermitteln ein Stiftungsfonds, ein sogenanntes Generationenkapital, aufgebaut und am Ak­tienmarkt angelegt werden soll. Die Erträge aus diesem Fonds sollen ab dem Jahre 2036 die Beiträge zur Rente um 0,3 Prozentpunkte dämpfen. Das ist ein überschaubarer Effekt. Die Hoffnung auf den rettenden Einstieg in den Aktien­markt, gerne von der FDP geschürt, ist übertrieben.

Aussteigen

Viele Jüngere befürchten, später nicht mehr viel von der gesetzlichen Rente zu haben, in die sie heute einzahlen. Stattdessen würden sie das Ruhegeld für später aus dem Lohn lieber selbst sparen und anlegen.

Genau das tun viele selbstständige Un­ter­neh­me­r:in­nen schon jetzt. Frei­be­ruf­le­r:in­nen wie Ar­chi­tek­t:in­nen und Ärz­t:in­nen zahlen, ebenso wie Beamte, nicht in die gesetzliche Rentenkasse ein. Stattdessen sind sie über ihre beruflichen Versorgungswerke abgesichert.

Die Bundesregierung will demnächst zwar die Selbstständigen in die Rentenkasse einbeziehen, allerdings will sie dabei diejenigen mit eigener guter Alterssicherung ausnehmen und ebenso Erwerbstätige in berufsständischen Versorgungswerken. Auch das wirft Gerechtigkeitsfragen auf. Wer kann sich dem gesetzlichen Rentensystem entziehen und wer nicht?

Stressberufe besserstellen

Früher in den Ruhestand? In Ländern wie Österreich, Frankreich und vielen anderen gibt es diese Möglichkeit für Menschen in Berufen mit Nachtarbeit, mit hohen körperlichen und nervlichen Belastungen. Polizist:innen, Feuerwehrleute, Krankenpfleger:innen, Bus­fah­re­r:in­nen zählen zu diesen Berufsgruppen.

In Deutschland geht das bislang nicht. Nur wer nahezu komplett arbeitsunfähig ist, kann sich mit einer sogenannten Erwerbsminderungsrente früher zur Ruhe setzen. Theoretisch wäre es denkbar, dass man etwa Mangelberufe wie die Pflege attraktiver macht, indem man den Pflegenden generell eine frühere Austrittsmöglichkeit in den Ruhestand gestattet, ohne entsprechende Rentenkürzungen. Das könnte unerwartete Effekte haben – auch auf die Arbeitswelt vor der Rente.