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Judith Butler und ihr WerkIntellektuell nackt

Die Philosophin Judith Butler hat jüngst mit Relativierungen der Massaker vom 7. Oktober auf sich aufmerksam gemacht. War das überraschend?

Philosophin Judith Butler Foto: Paco Freire/imago

Die Aussagen, die diese US-amerikanische Philosophin in Paris tätigte, waren ja nicht neu, sie hätten nicht schockieren müssen, weil ihre Aversion gegen den aus zionistischen Motiven gegründeten Staat Israel notorisch ist: Dass Judith Butler die Hamas (und die Hisbollah an der Nordgrenze Israels mit ihren iranisch abgesegneten Bomben) für akzeptable Alliierte im globalen Kampf der Linken hält, war schon 2014/15 bei Tagungen und in Statements in Berkeley wie in Mexiko-Stadt bekannt geworden.

Akut neu für Butlers Blick war lediglich, wie sehr sie nachgerade verschwörungsbewusst das Maß der sexuellen Gewalt gegen israelische Frauen (und Männer) und ihre Kinder bagatellisierte. Weiß man’s?, fragte sie in der Runde, die per Snippet auch auf Youtube nachhörbar ist, sie jedenfalls, führte sie aus, würde gern die Dokumente sehen. Um nachzusetzen, dass, selbst wenn es so wäre, dass israelische Frauen massakriert wurden, das Leid von Palästinenserinnen unbenannt bliebe.

Als ob das der Fall wäre! Alle propalästinensische Propaganda (ob wahr oder nicht) setzt seit Mitte Oktober auf Empörung ob der militärischen Folgen der Verfolgung der Hamas in Gaza: Frauen und Kinder seien getötet worden. Der Unterschied war und ist, dass die palästinensischen Täter des 7. Oktober ihre weiblichen Opfer nicht wie Soldatinnen töteten, sondern als Frauen, die in jeder Hinsicht entehrt, entwertet, entmenschlicht wurden – schlachtend.

Die Frage stellen viele: Steht das, was Butler in verstörender Kälte sagte und was rhetorisch an rechte Leugner von Gewalt gegen Frauen erinnerte, für ihre antiisraelische Macke, für ihren vor falschem (weil nichtjüdischem) Publikum ausformulierten innerjüdischen Dialog um die Missratenheit des zionistischen Projekts? Für ihre Vorstellung vom Jüdischen, das nur in der Diaspora, also chronisch in der Minderheitenposition, ein Anrecht auf moralische Entfaltung hat?

Das denkerisch fadenscheinige System Butler

Was ist denn von ihren sonstigen intellektuellen und akademischen Interventionen zu halten, jenseits dessen „Palästina“ und „Global South“, neuerdings auch modisch „Klimawandel“ zu bedeuten haben könnten? Es spricht, eingeschlossen eine schon ein Vierteljahrhundert alte Kritik der renommierten (linksliberalen) Philosophin Martha Nussbaum am denkerisch fadenscheinigen System Butlers, viel dafür, einfach dies zu formulieren: Die Kaiserin der Diskursstände – sie steht nackt da.

Ihr Ruhm fußt auf einem 1990 erschienenen Buch, „Gender Trouble“, zu deutsch: „Das Unbehagen der Geschlechter“. Eine Streitschrift wider einen naturalisierenden Feminismus, der mit den Mitteln philosophischer Zeichenlehre nahelegt, die im Frau-Mann-Schema angelegte Binarität der Wahrnehmungen zu erweitern, überhaupt zu unterscheiden zwischen „Sex“ (das biologische Geschlecht) und „Gender“ (das zur Praxis gebrachte Geschlecht).

Butler zeichnet in dieser Schrift ein Bild, dem zufolge Realitäten von Zuschreibungen leben, erst zum Leben kommen. Dass Frauen konstruiert seien, in manchen späteren Äußerungen behauptet sie gar, die Biologie sei gesellschaftlich – durch Mächte, durch Herrschaft – quasi gebastelt.

Geschlecht sei, alles in allem, eine Performance, eine Vorstellung: im Auge des/der Betrachterin entstehe durch die Darbietung einer Person, textil, gestisch und sprachlich, erst das Geschlechtliche – eine im Übrigen strikte Naturalisierung dessen, was als weiblich und männlich zu verstehen sein könnte, und damit eine Gegenposition zu dem, was einer ihrer angeblichen Hausheiligen, Sigmund Freud, konstituiert hat: Frauen und Männer haben je gleiche Anteile an Männlichem und Weiblichem, nur mit unterschiedlichen biologischen Prägungen. Die einen vermögen Leben zu zeugen, die anderen es zur Welt zu bringen.

Kritikerin einer romantischen Vorstellung von Feminismus

Damit ist bereits die wesentliche Matrix des Butler’schen Lehrgebäudes umrissen, alles, was in den Jahren folgte, waren Variationen. Was aber immer gleich blieb: dass sie sich, als Kritikerin einer romantischen Vorstellung von Feminismus, nie aber um weibliche Wirklichkeiten analytisch kümmerte.

Nicht allein Martha Nussbaum monierte, dass Butlers philosophischer Entwurf um diese Agenda eines politischen Feminismus sich nicht schert: proletarische Frauen und gewerkschaftliche Kämpfe; der Streit zur Vereinbarung von Arbeitszeiten und Kindergartenplätzen; Schwarze oder hispanische Frauen, die bildungspolitisch unernster genommen werden als weiße in den USA; der Kampf um Möglichkeiten des Schwangerschaftsabbruchs (nicht nur) in den USA; die Kämpfe iranischer Frauen gegen­ den Kopftuchzwang; die Bewegung von Lesben und Schwulen gegen das heterosexuelle Heiratsprivileg? All diese Issues haben in Butlers Kosmos kein Gewicht.

Was sie stattdessen liefert, ist ein Kampf um Symboliken. Für das Recht auf die Identität als Nonbinäre des Geschlechtlichen, für Transfluidität, damit im Übrigen in Allianz mit dem medizinisch-pharmakologischen Komplex, der seine chirurgischen und chemischen Manipulationsmöglichkeiten begründet sehen wollte, für Sternchen, Unterstriche und allerlei Sprachinnovationen – als ob das irgendeinem feministischen Anliegen der materiellen Sorte irgendwie aufhelfen könnte.

Es ist insofern kein Wunder, dass Judith Butlers (und mit ihr die vieler anderer Theoretikerinnen*) wachsende Popularität in Academia mit dem Niedergang des Sozialismus, besser: mit der Abwicklung marxistischer Denkweisen an den westlichen Universitäten zu tun hat. In linken Denkschulen ging es um Interessen, um Kämpfe – nicht um Identitäten, es ging schlicht um Klassenkämpfe, nicht jedoch ums Ringen günstigerer Performanzchancen für Mittelschichtskinder.

Adorno-Preis für Subversion und Kritik?

Eigentlich könnte Butler eine Philosophin aus Berkeley sein, die ihre poststrukturalistische Perspektive auf die Dinge der geschlechtlichen und binaritären Welt wirft. Eine unter vielen anderen … aber sie ist die populärste Weltdeuterin im Beruf der Weltdeutenden: Und das hat viel mit der Nachfrage nach ihrem Stoff zu tun, nach dem Ungefähren, das Judith Butler verbreitet, am nachgerade antiweltlichen und antiempirischen Gehalt dessen, was sie kritisierte – zumal als antiisraelische Aktivistin und Stichwortgeberin für terrorsympathisierende Strömungen in der globalen Linken.

Butler bekommt überall Preise, auch eben vor zwölf Jahren den Adorno-Preis der Stadt Frankfurt am Main, deren Jury (bis auf FAZ-Redakteur Jürgen Kaube) für ein Werk, das als auf ernsthaft Profundes nachgelesen kaum betrachtet werden darf, eine Philosophin auszeichnete, die angeblich auf Subversion und Kritik hält – als ob das schon einer Ador­no-Fellowerschaft würdig wäre.

Schon gar nicht deshalb, weil Adorno Tränen und Leid und Schmerz als philosophischen Denkfaden für tauglich gehalten hätte, zumal diese drei inzwischen zentralen Vokabeln aus Butlers Denkfundus nicht als politische Kategorien taugen – sondern nur fürs Mitreden um politisch nur schwer Änderbares.

Kein Impuls ging von Butler aus, der die Welt auch nur einen Deut besser gemacht hätte. Wie Nussbaum, sinngemäß, formulierte: Ihre Ideen führen ins Nichts. Was sie so attraktiv macht, ist eben ihre Weltenferne, ihr exklusives, faktisch antisemitisches, weil Israel dämonisierendes Sprechen über den ­Nahen Osten, den Imperialismus und das gewisse Dies & Das mit Suhrkamp-Appeal.

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58 Kommentare

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  • Unterstellen statt Argumentieren, Klittern statt kritischem Nachvollziehen, bequemliches Herausstellen von Einzelpositionen statt anstrengender gründlicher Analyse -- das ist einer der schlechtesten Artikel, die ich je gelesen habe. Er ist der Bedeutung des Themas unwürdig.

    • 2G
      2422 (Profil gelöscht)
      @mats:

      Sehe ich absolut genauso. Egal wie man zu Judith Butlers so provozierend-irritierendem Blick auf den Nahost-Konflikt steht, bleibt festzuhalten, dass sie zu den weltweit wichtigsten Queer-und Transtheoretikern gehört. Und auch wenn Feddersen es nicht hören will: nein, es sind nicht mehr nur Frauen - wie Feddersen meint - die Kinder austragen, und Männer, die Kinder zeugen (wenn man ihren Beitrag eines kleinen Pfützchens denn unbedingt so nennen will), es geht inzwischen auch andersrum: Kinder gebiert der oder diejenige, "die schwanger werden kann" (Antje Schrupp in "Schwanger werden können"). Das hätte Freud sich nicht träumen lassen und Feddersen kann es noch nicht fassen.

  • Vielen Dank für diesen Artikel. Es tut gut zu lesen, dass der scheinriese Judith Butler jetzt auch endlich in linken kreisen als das beschrieben wird, was sie ist: eine vage, tribalistische Vertreterin der Frankfurter Schule.

    Dankbar bin ich auch für den Hinweis, dass sie dem pharma komplex den ideologischen Boden für die Behandlung von präpubertären Kindern geliefert hat. Eine Praxis, die in Großbritannien zurecht verboten wurde

    • @Sybille Bergi:

      "Eine Praxis, die in Großbritannien zurecht verboten wurde"



      Unfug. Die NHS hat verkündet, dass Pubertätsblocker aufgrund momentan unzureichender Evidenz zu gesundheitlichen Folgen in Zukunft nicht mehr im Rahmen der Regelversorgung gezahlt werden. Laufende Behandlungen werden fortgeführt, und neue Behandlungen werden auch weiterhin innerhalb klinischer Studien möglich sein.



      Und die Behauptung, Butler habe "in Allianz mit dem medizinisch-pharmakologischen Komplex" einen Kampf um Symbolik geführt ist kein "Hinweis", sondern Verschwörungsgeraune, dass jenem um den sog. Kulturmarxismus in nichts nachsteht.

  • Dass namhafte Philosophen politische Blindgänger sein können, ist so neu nicht. Siehe Heidegger. - Aber was soll die Überschrift "Intellektuell nackt"?

  • Die Sonne der Erkenntnis muss wahrlich tief stehen, wenn eine Person wie Judith Butler einen langen Schatten werfen kann.

  • Wer hätte anderes erwartet von einer Person, deren gesamtes Werk in einer Parallelwelt zu spielen scheint?

  • Vielen Dank für den Nussbaum Essay. Sehr erhellend.

    • @Friedhelm Böpple:

      Dazu kommt dasst es ein Genuss ist diesen Essay zu lesen.

  • Danke Herr Feddersen für diesen klaren und substantiellen Artikel. Auch wenn die Zustimmung aus dem Kommentarbereich deutlich überragt, beunruhigenderweise immer noch einige in der Lage, die Haltung und Aussagen Butlers zu relativieren. Diesen Personen sei daher folgender Artikel aus der Jüdischen Allgemeinen nahegelegt, in welchem noch intensiver mit der Nähe zwischen linken Philosophen sowie (muslimischen) antisemitischen VerschwörungserzählerInnen auseinandergesetzt wird



    www.juedische-allg...-preis-aberkennen/

  • Ist vielleicht ein Platitüde, aber:



    Hamas und Hisbollah als Bestandteil antiimperialistischer Befreiung?



    Das wird nix.

    • @aujau:

      Neinnein: "Teil der globalen Linken". Vielleicht hält sie genozidale Vernichtungsphantasien und Massaker ja für Klassenkampf mit anderen Mitteln. Oder so.

      Oder vielleicht sollten wir auch einfach nicht so eurozentristisch-werthegemonial unterstellen, dass überall auf de Welt zwischen "einen Konflikt Lösen" und "den Gegner auslöschen" notwendigerweise ein begrifflicher Unterschied gesehen wird. Echt postkolonial ist man, wenn man "Alles Wilde!" zwar denkt, es aber lieber in paternalistischem Wohlwollen (und mit wachem Auge für jede Gelegenheit, zur eigenen Agenda und den eigenen Feindbildern zu schwenken) als eine Art unterdrücktentypischen Automatismus darstellt, der sich moralischer Wertung - namentlich durch Angehörige von Täteridentitäten - effektiv entzieht.

      Sorry, aber das musste mal raus...

      • @Normalo:

        Angehörige von Täteridentitäten... da sagense wat.



        Bei einer feministischen Veranstaltungsreihe "die Entkolonialisierung des Bewusstseins" vor ca 20 Jahren sagte eine Referentin:"Fast alle sind mal Opfer und mal Täter. Für die Beurteilung einer Situation kommt es darauf an, was leichter ist."



        Effektiv entzieht sich vor Allem immer wieder die an Unterdrückungstraditionen interessierte Elite im globalen Süden, welche vom Westen die Mittel zur Unterdrückung gerne bezieht, aber das bisschen Emanzipation und Menschenrechte was es hier gibt, als verdorben und unnatürlich sowie kolonial denunziert. Mit Befreiung bzw. fundierter Kritik am Westen und seiner Unglaubwürdigkeit besonders auch im Bereich Menschenrechte hat das allerdings nichts zu tun.



        Ich habe stark den Eindruck, dass Angehörigkeit von Täteridentität mittlerweile stark globalisiert ist.



        Auch das musste mal raus.

        • @aujau:

          Einmal stark hätte auch gereicht.

  • Irgendwie ist IMHO an der "Denke" mancher Leute etwas ziemlich schief.



    Wenn Zivilisten angegriffen werden, ermordet, verschleppt, Frauen vergewaltigt, etc. pp. und jemand denkt zuerst daran, ob das "Zionisten" sind, oder der Angriff in einem "zionistischen" Land stattfindet, dann ist das einfach völlig daneben



    Wenn Leute sich mit den Mördern, Entführern und Vergewaltigern solidarisieren, dann ist das völlig daneben. Und selbstverständlich ist es ebenfalls völlig daneben, wenn jemand eine Organisation für einen "akzeptablen Bündnispartner" hält, deren Führer Mord, Vergewaltigung und Verschleppung angeordnet haben.

    Aber der Vorgang und die Reaktionen von Teilen der Linken (so ziemlich in aller Welt) zeigt, was passiert, wenn ideologische Scheuklappen das eigenständige Denken dominieren.



    Und ich würde einiges Geld darauf wetten, dass die Anführer der Hamas auf exakt solche Reaktionen, wie die von Butler gesetzt haben. Ist ziemlich gut dressiert, die Frau Butler. Und nicht nur sie.

  • Somit ist Butler sehr aktuell und geradezu die Vordenkerin der modernen Diskurse, in denen es allein darum geht, die Zustände lediglich symbolisch zu verändern, durch Umbenennungen, aber niemals substantiell.

  • Philosophie = Liebe zu Weisheit, Wahrhaftigkeit, Wissen....

  • Wow, das ich das noch so zu lesen bekomme. Danke, Jan Feddersen, danke, TAZ. Das sind doch mal klare, ernstzunehmende Sätze jenseits von Befindlichkeiten und dem üblichen Schlagwortabtausch. You made my day.

  • Starke Analyse.



    Wohin ihre denkschule führte wurde in der Kongressbefragung zum antisemitismus an an amerikanischen Hochschulen deutlich.



    Die Videos sind derart verstörend, wenn man nur hört meint man es wäre eine baete zschaeppe oder ein anderer verrückter Nazi Mörder.



    Nein, das sind “linke” “gebildete” Frauen, Vorbilder und Lehrerinnen der jungen Generation.

  • Der Artikel bedarf dringend einer gründlichen Redaktion. Ich erfasse zwar den Inhalt und stimme ihm zu, aber grammatikalisch ist er stellenweise absurd.

    “ für ein Werk, das als auf ernsthaft Profundes nachgelesen kaum betrachtet werden darf”

    Nachlesen auf? Hä?

  • “ Was ist denn von ihren sonstigen intellektuellen und akademischen Interventionen zu halten, jenseits dessen „Palästina“ und „Global South“, neuerdings auch modisch „Klimawandel“ zu bedeuten haben könnten?”

    Ich verstehe den Satz nicht. Jenseits dessen? Wessen? “Zu bedeuten haben könnten?”

  • Ach ja, jetzt sind wir so weit! Das "soldatische Töten" ist gut und nur das Schlächterische schlecht.



    "Frauen und Kinder seien getötet worden. Der Unterschied war und ist, dass die palästinensischen Täter des 7. Oktober ihre weiblichen Opfer nicht wie Soldatinnen töteten, sondern als Frauen, die in jeder Hinsicht entehrt, entwertet, entmenschlicht wurden – schlachtend."



    Für mich sind beide Arten MORD.

    • @peppolata:

      Das heisst, auf den Zweiten Weltkrieg bezogen, der britische Bomberpilot steht auf einer Stufe mit dem deutschen Angehörigen einer SS-Einsatzgruppe?

    • @peppolata:

      Ach ja, dann gibt es für sie auch keinen Unterschied zwischen Totschlag und Mord? Nur das Ergebnis zählt?

  • Ich habe das nie wirklich verstanden, warum das so eine Bedeutung haben soll, dass das Geschlecht auch konstruiert ist. Zum Einen gehört das Geschlecht zu den wahrscheinlich eher wenigeren Begriffen, die nicht nur konstruiert sind, sondern auch eine biologische Realität haben. Wie "Gerechtigkeit" etwa, dass hat glaube ich auch eine tiefe evolutionäre Wurzel im Empfinden - von daher auch oft negative Seiten, weil es als Gefühl zu überschießenden Handlungen führt.

    Wie dem auch sei: Frau und Mann sind auch konstruiert - natürlich. Genauso wie Gerechtigkeit und sowieso Demokratie, Menschlichkeit, Menschenwürde, Nation, Volk, Familie, Freunde, Glück, Teilhabe, sozial, Bildung einfach alles ergibt sich durch Konstruktion.

    Es ist gut immer wieder daran zu erinnern, dass es keine absoluten Begriffe gibt. Aber die Konsequenzen sind doch nicht sooooo bedeutend: klar ist alles konstruiert, aber das ändert doch nichts daran, dass Menschen ihr Leben zwischen solchen Begriffen aufspannen und aushandeln.

    Umgekehrt wundert es dann, dass der Brass auf Israel, Zionismus, was auch immer bei Butler so eine absolute Stellung einnimmt - nach welchen Kriterien, die nicht selber auch alle konstruiert wären?

    • @Markus Michaelis:

      "Aber die Konsequenzen sind doch nicht sooooo bedeutend"



      Diesen Satz kann ich nicht nachvollziehen. Frauen werden mishandelt, weggesperrt, im Kindsalter verheiratet, weil Männer meinen, sie seien ihr Eigentum. Trans Menschen werden ermordet, weil cis Menschen meinen, ihr Leben hätte nicht denselben Wert wie ihr eigenes, latina-press.com/n...an-transsexuellen/

  • Vielen Dank, Herr Feddersen. Sie sprechen mir aus der Seele. Ich würde in einem Punkt sogar noch weiter gehen und sagen, die Abwicklung marxistischer Denkweisen findet nicht nur an den Unis statt, sondern zieht sich durch die ganze Gesellschaft. Marx taucht zwar hin und wieder noch als quasi popkulturelle Ikone auf. Doch in einer Zeit, in der Diskurse so sehr von sozialen Medien geprägt sind wie heute, werden aus meiner Sicht häufig lieber unkritisch Ideen wie die hier genannten von Judith Butler schablonenhaft übernommen.

    Dies hat aus meiner Sicht erheblich dazu beigetragen, dass die internationale Rechte so viel Zuspruch bei ärmeren, weniger gebildeten Menschen bekommt. Diese gelten Linken meiner Erfahrung nach heute oft eher als tumber Pöbel, der oft rassistische Ideen mitbringt, häufig männlich/alt/weiß/cis ist und somit eigentlich hochprivilegiert, dies aber in seiner schlecht geheizten Kleinstwohnung eine Stunde von seinem Arbeitsplatz entfernt nicht zu schätzen weiß. Bestenfalls ist die Klasse noch eine von vielen "Diskriminierungsebenen". Das eine reiche, gut gebildete schwarze lesbische Transfrau in aller Regel sehr viel mehr gesellschaftliche Macht hat als ein armer, schlecht gebildeter weißer Heterocismann, galt manchen meiner Gesprächspartner*innen schon als besonders anrüchig.

    • @Agarack:

      "eine reiche, gut gebildete schwarze lesbische Transfrau"



      Sie benutzen ein extremes Bespiel, um Aspekte gegeneinander auszuspielen, die in der Realität nicht voneinander zu trennen sind. Als schwarze lesbische Transfrau haben Sie ein deutlich erhöhtes Armutsrisiko gegenüber der Durchschnittsbevölkerung, vgl. z.B. www.antidiskrimini...ublicationFile&v=3



      Ihr Beispiel ist bewusst konstruiert, um bestimmte gesellschaftliche Ungerechtigkeiten unsichtbar zu machen. Wollen Sie wirklich auf dieser Basis den "echten" Marxismus verteidigen? Wenn dem so ist, kann mir dieser "echte" Marxismus gestohlen bleiben.

  • Butler zu kritisieren für seltsame Identitätssichtweise ist denkbar, damit müsste Feddersen übrigens gleichzeitig sein langjähriges eigenes Hauptthema entwerten.



    Dass sie für den Nahen Osten sich nicht für Netanyahu und die israelische Besatzung und Kriegsführung einspannen lässt, ist aber ihr gutes Recht, ohne mit ihr in allem übereinzustimmen.



    Wer wie anscheinend auch Feddersen Zionismus mit Judentum verwechselt, ist leider auch einer Spielart von Antisem. aufgesessen.

    • @Janix:

      Zwischen "sich für Netanyahu...einspannen" lassen und Hamas und Hisbollah zu Teilen des linken Widerstands der Welt und ein antisemitisches Pogrom/Massaker zu einem legitimen Mittel dessen zu erklären, dazwischen gibt es ja nun noch eine Menge anderer Positionen, die ein Mensch mit Hirn und Herz einnehmen kann.



      Selbstverständlich hat Judith Butler das Recht, Blödsinn zu denken und zu sagen - und selbstverständlich hat Jan Feddersen das Recht, diesen, so wie oben, auseinanderzunehmen.

      Wer Antisemitismus und aktuellen Antizionismus so fein säuberlich trennen



      möchte, ist schon dem Spiel der Antisemtit:innen aufgesessen.

    • @Janix:

      Feddersen war nun wirklich noch nie auf Butler als Wertgeberin angewiesen.

  • Auf die Angriffe die J. Butler aus Anlaß der Verleihung des Th.Adorno Preises hat sie in der ZEIT folgendes geschrieben "Ein paar Worte werden aus dem Zusammenhang gerissen, ihre Bedeutung wird verdreht, und dann etikettiert man ein Individuum oder



    brandmarkt es sogar. Das geht vielen so, die Israel kritisieren – man brandmarkt



    sie als Antisemiten oder gar als Helfershelfer der Nazis; eine Form der



    Anschuldigung, die dazu dienen soll, die beständigsten und giftigsten Formen von



    Stigmatisierung und Dämonisierung zu zementieren". "....."Für all jene unter uns, deren Vorfahren europäische, im Nazivölkermord umgekommene Juden waren (die Familie meiner Großmutter wurde in einem kleinen Dorf südlich von Budapest ausgelöscht), ist es die schmerzlichste Beleidigung und Verletzung, der Komplizenschaft mit dem



    Judenhass oder des jüdischen Selbsthasses bezichtigt zu werden. Und es ist nur



    umso schwerer, den Schmerz einer solchen Anschuldigung auszuhalten, wenn



    man zu bekräftigen versucht, was am Judentum von höchstem Wert für das



    Nachdenken über die zeitgenössische Ethik ist – einschließlich des ethischen



    Verhältnisses zu jenen, denen Grund und Boden und das Recht auf



    Selbstbestimmung vorenthalten werden, zu jenen, die versuchen, die Erinnerung



    an ihre Unterdrückung lebendig zu erhalten, zu jenen, die ein Leben zu leben



    versuchen, das es wert ist und sein muss, betrauert zu werden" ..."ableiten. Angesichts meines geschichtlichen Hintergrunds ist es mir als Jüdin wichtig, mich gegen



    Ungerechtigkeiten auszusprechen und alle Formen von Rassismus zu bekämpfen.



    Das macht mich nicht zu einer jüdischen Selbsthasserin. Es macht mich zu



    jemandem, der ein Judentum bejahen möchte, das sich nicht mit staatlicher



    Gewalt, sondern mit dem Kampf um soziale Gerechtigkeit auf breiter Basis



    identifiziert." www.zeit.de/2012/36/Judith-Butler



    Oops Fedderson did it again. Warum eigentlich? Um was geht es eigentlich?

  • Ich finde es bedauerlich, dass Kritik an solchen Artikeln nur selten an der Moderation vorbeikommt - dabei gäbe es an genügend Gründe dafür: angefangen bei falschen Zitaten (Butler hat Hamas gerade nicht als "akzeptablen" Allierten bezeichnet, sondern sie nur rein deskriptiv innerhalb der globalen Linken verortet - das sind zwei verschiedene Aussagen!), über den nur halb verstandenen Performanz-Begriff bis hin zu der offenkundig falschen Behauptung, Butlers Werk würde sich in diesem erschöpfen (Butler hat nach Gender Trouble etlich Bücher, auch zu anderen Themen, veröffentlicht!). Dass sie auch zu anderen Themen (oder "issues" wie es hier heisst) Stellung genommen hat, kann man auch wissen, wenn man sich nicht für ihr philosophisches Werk interessiert. Man muss Butler weder als Theoretikerin, noch als Aktivistin zustimmen - aber man sollte sich zumindest mit ihren Positionen befassen, statt sie mit Schmähreden zu übergiessen, auch wenn letzteres wohl dem Zeitgeist entspricht.

    • @O.F.:

      Herzlichen Dank, Sie bringen es aus meiner Sicht auf den Punkt. Auch wenn die Haltung Judith Butlers zum Nahostkonflikt mit meiner an vielen Stellen konfligiert - sie hat im Bereich der Gender Studies wirklich etwas geleistet und zwar deutlich mehr als irgendwelches halbwirres, relalitätsfernes Zeug. Sie als Philosophin im Ganzen wegen ihrer jetzigen Haltung zu diskreditieren ist aus meiner Sicht peinlich, besonders, wenn weder ihre Begriffe noch ihre Zielsetzung (Stichwort Performanz-Begriff) verstanden zu werden scheinen. Man fragt sich, was die Agenda des Verfassers ist, ob es sich einfach trifft, Judith Butlers jetziges Verhalten zu benutzen, um die eigene Animosität gegen ihre wissenschaftliche Tätigkeit und ihre Theorien loswerden zu können.

  • Muss man diese Person noch Philosophin nennen? Das bedeutet schließlich Liebe zur Wahrheit, Erkenntnis, Weisheit.

  • Da kann ich nur zustimmen und möchte mit der mittlerweile auch schon guten alten Jungle World vertreten durch Lars Quadfasel ergänzen:

    "Dass in Sachen Antizionismus der akademische Betrieb der wichtigste Stichwortgeber ist, sollte daher eigentlich niemanden verwundern. Ganz im Gegenteil: Kein Ressentiment bedarf größerer geistiger Verrenkungen als der Hass auf Israel. Plausibel zu machen, warum ausgerechnet ein Regionalkonflikt in Tausenden Kilometern Entfernung, mit im Weltmaßstab vergleichsweise beschei­denen Opferzahlen, das Gemüt derart in Wallung versetzen sollte, gelingt nur geschulten Intellektuellen."

    jungle.world/artik...ehobenen-geschmack

    • @Jim Hawkins:

      Na ja, Jan Feddersen, das ist ein bisschen Holtadipolter, die Skizzierung von Judith Butlers Theorien und Politik und deren In-eins-Setzung; das ist für den unbedarften Leser nicht nachvollziehbar, das wissen Sie sicher auch selbst.

      Ich selber kenne Butlers Bücher nicht, weiß aber, dass sie die Queer-Theorien mit begründet hat. Dass Hisbollah und Hamas keine linken Organisationen sind, darüber brauchen wir sicher nicht zu streiten. Keine Ahnung, ob Butler das geschrieben hat und wenn ja, wie sie das meinte.

      Vor einigen Tagen habe ich selber in einem taz-Kommentar betont, dass die Unterstützung antikolonialen Widerstandes immer in der Unterstützung der jeweils progressivsten Bewegungen in unterdrückten Ländern bestehen muss. Dazu gehört natürlich die Hamas nicht; wenngleich gerade diese Organisation durch Netanjahu als Gegenpol zu zivileren Kräften gestärkt wurde, siehe dazu z.B.:

      www.spiegel.de/aus...-b516-d95774736e80

      Grundsätzlich finde ich es wichtig, säkulare Juden und Jüdinnen in die politische Debatte einzubeziehen und nicht nur nationalistische und klerikale jüdische - oder nichtjüdische - Menschen.

      • @Uns Uwe:

        Sie meint zumindest, dass über das Für und Wider des Terrors der Hamas diskutiert werden soll:

        " But [...] the uprising of October 7th was an act of armed resistance.[...] This was an uprising”

        twitter.com/joseph...764784098822750420

        Ganz am Schluss heißt es dann: "It is an open debate".

        Man kann für Vergewaltigungen, Folterungen, Mord und Geiselnahme sein oder eben dagegen.

    • @Jim Hawkins:

      Sie meinen, Hauptsache bei uns zu Hause ist alles friedlich und idyllisch? Was stören da schon Opfer in tausenden von Kilometer Entfernung, ob Israel-Palästina oder Haiti?

      Soll das eine humanistische Haltung sein, die Lars Quadfasel da in eiskalter Manier von sich gibt?

    • @Jim Hawkins:

      Danke für den interessanten Artikel.

    • @Jim Hawkins:

      In der jungle World sind generell einige interessante Artikel zu den Thema Antisemitismus und generell der propagandistischen Praxis von Antisemiten, nach dem genozidialen Massaker vom 7. Oktober, veröffentlicht worden. Wer auch immer eines der Exemplare die danach erschienen habhaft werden kann, und die Jungle World sonst meidet, kann man nur ans Herz lesen diese auch mal zu lesen.

      Auch bezüglich Tik Tok, da haben sie einen alten jungle.world/artik...encer-gegen-israel und ein aktueller von letzter Woche ist leider hinter paywall jungle.world/artik...her-antisemitismus. Verweist wohl auch auf einen Bericht der Bildungsstätte Anne Frank



      www.bs-anne-frank....die-folgen-im-netz. Evtl. kommt dazu noch bei der Taz was, oder ich habe was übersehen.

    • @Jim Hawkins:

      Die Rechtsextremen, Nationalisten und Annexions- und Großisraelfans, deren Freund ja auch Sie nicht sind (hoffentlich) machen die Gegnerschaft gegen diesen Rechtszionismus ja auch bestens verständlich.

      Um das nachvollziehen zu können braucht es ja nicht mal einen akademischen Abschluss.

      Das man bei solch einfach zu verstehenden Binsen hilflos darauf verfällt, den "akademischen Betrieb" in populistischer Manier on toto als eine Horde von Hamas Fans darzustellen ist angesichts aktueller Äußerungen aus der israelischen Regierung immer besser als eine Masche der Delegitimierung zu erkennen.

      taz.de/Evakuierung...nderdorf/!5998137/

      • @Rudolf Fissner:

        Haben Sie den Artikel gelesen?



        Haben Sie eigentlich zur Kenntnis genommen, dass zwar 2 Mitglieder der Regierung Kritikwürdiges geäußert haben, der Nationale Sicherheitsrat Israels aber eine Aktion GENEHMIGT und AUSGEFÜHRT hat, bei der Dutzende palästinensischer Waisen, sowie mehrere Familien aus Rafah EVAKUIERT wurden?

  • Butler hat sich mal wieder erschreckend antifeministisch geäußert.

    Es ist schon bezeichnen für die erschreckende Voreingenommenheit vieler Femninist_innen, dass sie israel. Frauen und Mädchen (sowie ausländischen Gästinen) jede Solidarität verweigern, abscheulischste Gewaltverbrechen verklären oder sogar anzweifeln (wie war das noch mit "Opfern glauben") und allen Ernstes islamistische Patriarchen zu Freiheitskämpfern verklären.

    "Me too, exept you are a Jew" ist leider all zu wahr.

  • Danke, für den Link zu dem, nach erstmaligen anlesen, interessanten Text von Martha Nussbaum.

  • So ein Beitrag war längst überfälligt. Sehr gut gelungen! Danke!

  • dem so genannten propalästinensichen mainstream kommt man eh nicht bei. der arbeitet stets, wie ja hier auch durch butler geschehen, mit behauptungen und einem stringenten double bind. egal, wie die argumentation läuft, es wird eine gegenbehauptung aufgestellt, die das argument außer kraft setzen will, resp versucht, ad absurdum zu führen, widersprüchlichkeit wird negiert. das ist wie teflon, alles prallt ab. und diese form der argumentation hüllt sich in absolute(n) moralische(n) überlegenheit(swahn).



    am besten, man diskutiert mit solchen menschen gar nicht. so halte ich das zumindest.

  • wow. was für ein Verriss!



    Statt dieses kurzen, aber etwas schwer lesbaren Textes: Wie wäre es mit einem etwas längeren Essay?

    Wenn ich mal kurz meine Wahrnehmung des Artikels rezipieren darf:



    Aufhänger ist Butlers unsägliche Haltung gegenüber dem Gazakrieg. Tatsächlich zeigen zahlreiche Beiträge (gerade in der taz!), dass Israelkritik fundiert möglich ist - und zwar ohne die Barbarei der Hamas zu verharmlosen.



    Der Bogen über Butlers Gender-Konzept ist interessant, weil er Schubladen widerspricht. Oder ist diese Haltung Springer-Konservatismus? Der Seitenschlag auf den Pharmakomplex der willfährig Transidentität pusht mutet eher links querdenkerisch an. Wie gesagt - schön, dass hier keine Schublade bedient wird.



    Nichts desto trotz: das verdient ein paar mehr Worte als in einen Meinungsartikel passen.

    Der Fokus der (vermeintlich) Linken auf Identität, Klassenkampf ist vergessen - ja! Ich schiebe es ja auf die Amerikanisierung jeglichen Diskurses. Welchen Anteil daran hat Butler? Auch hierzu könnte man sicher weit ausholen.

    Unterm Strich würde ich sagen: die radikalen Positionen Butlers sind durchaus Anlass, sie als Ganzes in Frage zu stellen. Gern würde ich darüber ein Buch lesen - von mir aus auch bei Suhrkamp verlegt.

  • Nun kann man über Butlers Philosophie durchaus kritisch diskutieren - das setzt aber den Willen voraus, sich mit ihr inhaltlich auseinander zu setzen; aber genau das versucht der Artikel nicht einmal - ein Argumentationsdefizit, das ein einziger Querverweis auf die ebenfalls nicht unumstrittene Martha Nussbaum nicht wettmachen kann. Endgültig ärgerlich wird es, wenn man falsch zitiert: als "akzeptable Alliierte im globalen Kampf der Linken" hat Butler Hamas und Hisbollah gerade nicht bezeichnet - er wäre ein Minimum eines fairen Umgangs, so etwas zumindest zu überprüfen. Aber leider scheint das der Zeitgeist zu sein: statt eine argumentative Auseinandersetzung zu suchen, wird wüst diffamiert. Ich finde das nicht nur traurig, sondern gefährlich - weil hier ein Feind-Denken um sich greift, das an den Kern einer demokratischen Diskussionskultur rührt.

    • @O.F.:

      Der Satz von Judith Butler lautet im Original: "“Yes, understanding Hamas, Hezbollah as social movements that are progressive, that are on the Left, that are part of a global Left, is extremely important."

      Mal ganz abgesehen davon, dass die Butlers inhaltliche Aussage kompletter Schwachsinn ist: Die Formulierung "part of the global Left" lässt sich durchaus so verstehen, wie Jan Feddersen das getan hat (der im übrigen - Sie legen ja immer großen Wert auf korrekte Wiedergabe - dies nicht als ZITAT ausgegeben hat). Und wie wäre die Aussage denn anders zu verstehen als: Die Hamas steht auf der gleichen Seite wie wir?

      • @Schalamow:

        Der Satz von Judith Butler steht allerdings in einem Zusammenhang - und wenn man den außer acht lässt (auch wenn man nur paraphrasiert, nicht zitiert, ist das sinnentstellend); denn die Aussage ist lediglich eine deskriptive Vorortung zweier Organisationen in einem größeren politischen Spektrum. Das schliesst kritische Distanz nicht aus; Butler fährt nämlich gleich danach fort: " That does not stop us from being critical of certain dimensions of both movements. It doesn’t stop those of us who are interested in non-violent politics from raising the question of whether there are other options besides violence." Übrigens: Sie hat diese Äußerungen (die, wenig formal, aus einem Interview stammen!) auch etlich Male erläutert. Man kann sie natürlich immer noch missverstehen - aber das ist nicht besonders redlich.

        • @O.F.:

          " That does not stop us from being critical of certain dimensions of both movements." Ich weiß nicht, ob man hier kritische Distanz oder unmissverständliche Relativierung diagnostizieren darf.



          „Der Verlust der demografischen Überlegenheit der jüdischen Bevölkerung“, so die Philosophin, „würde mit Sicherheit die Aussichten für die Demokratie in dieser Region verbessern.“ taz.de/60-Geburtst...h-Butler/!5280144/

    • @O.F.:

      Ich würde bei Butler eher nicht über jedes Stöckchen springen, das sie hinterher jedweder Kritik hinhält. Wenn es etwas auszusetzen gibt, habe man sie einfach nur nicht richtig verstanden, aus dem Kontext gerissen etc. etc., jaja. Doch, wir verstehen gut. Wir verstehen, wie man innerhalb eines geisteswissenschaftlichen Duktus sich hinter einer Rhetorik der Uneindeutigkeit verstecken kann, wie man die Punkte, die kritisch überprüft werden könnten und sollten, immer im Medium des Andeutens, nebulösen Implizierens kommuniziert - man kann so genau den Mist verbreiten, für den einen die eigenen Fans natürlich lieben werden, der einem in klarer Sprache aber natürlich um die Ohren fliegen würde. Und so hinterher immer ein Schlupfloch finden, man hätte das ja alles nicht so gemeint und Kritiker sieien allesamt geistlose Kretins. Rinse and Repeat. Hat übrigens öfters schon so funktioniert bei postmodernen Stars - als man Foucault auf die antiaufklärerischen Implikationen seiner Theorien ansprach, gab er sich auf einmal als missverstandenen Kant-Fan und Vertreter der Moderne und niemand verstehe, was er *wirklich* meinte und schreiben wollte. Doch doch, wir verstehen, und die Widersprüche verschwinden mit diesen Mätzchen trotzdem nicht. Das mit dem Wegflutschen und -glitschen klappt nur bei den Fans...

      • @mengers335:

        Danke für den Kommentar! Ganz genauso empfinde ich das auch.