Bremer Rechtsrocker von „Endstufe“: „Böser Deutscher“ leitet Bioladen
Ein Mitglied der rechtsextremen Band „Endstufe“ leitet einen Bio-Hofladen im Bremer Umland. Nicht mehr lange, erklärt das Unternehmen.
Auf der Website des Familienbetriebs stellt der Rechtsrocker den Laden und das Angebot vor, darunter zahlreiche Produkte „aus eigener Herstellung“: von Fruchtquark und Käse über wechselnde Kuchen und frische Feinkostsalate bis zu Bio-Rindfleisch und Eintöpfen, alles unter dem Motto „Regional einkaufen – wissen wo es herkommt“ und nicht, ohne einzuladen zum „Blick in die Schaukäserei“ oder an die „frische Luft auf unserer Außenterrasse“.
„Uns ist nicht bekannt gewesen, dass Herr Schröer einer Rechtsrockband angehört“, sagt eine Sprecherin des Betriebes. Und erklärt auf Nachfragen, dass er sich auf eine Stellenanzeige hin beworben habe – und sich durch „seine Arbeitsweise“ sowie ein „freundliches Auftreten gegenüber unseren Kunden und den Mitarbeitern für den Job qualifiziert“ habe.
Seine politische Ausrichtung sei bei der Arbeit keineswegs aufgefallen, auch zu den „migrierten Mitarbeitern“ sei er „immer freundlich“ gewesen: In dem Unternehmen seien „über 60 Prozent ausländisch stammende Mitarbeiter“, so die Sprecherin, die darum bittet, den Namen des Betriebs nicht zu erwähnen.
Rechtsrock ist heute ein Sammelbegriff für Musik mit extrem rechten Inhalten, das meint vor allem die Texte: Sie sind antisemitisch und rassistisch, queerfeindlich und sexistisch, nationalistisch und NS-verherrlichend.
Klassischer Rock, Metal- und Punk-Inspiriertes bildeten bis Ende der 1990er-Jahre das wesentliche Musikangebot, um Jugendliche zu rekrutieren. Seither haben sich auch rechtsextreme Varianten anderer Stile entwickelt: Heute gibt es Balladen und Folk, aber auch Techno und Rap mit entsprechenden Inhalten.
Rund 180 rechtsextreme Musikgruppen gibt es Expert_innen zufolge in Deutschland. Im Jahr 2021 erschienen 80 einschlägige CDs.
Es ist ein Betrieb mit Geschichte: 1811 begann hier die Landwirtschaft, 1999 stellte die Familie den Hof auf ökologische Bewirtschaftung um und gründete eine eigene Hofmolkerei. Der Senior-Geschäftsführer weist darauf hin, das der Kauf ihrer Bio-Produkte die ökologische Landwirtschaft, artgerechte Tierhaltung, Nachhaltigkeit und Artenvielfalt fördere.
Der Lilienthaler Betrieb gehört zum Anbauverband Bioland mit insgesamt rund 10.000 Mitgliedsbetrieben aus der Land- und Lebensmittelwirtschaft. „Bioland tritt rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen und anderen diskriminierenden oder menschenverachtenden Verhaltensweisen entschieden entgegen“, heißt es recht deutlich in der Satzung von 2018. Und weiter: „Der Verein tritt Bestrebungen entgegen, welche die ökologische Landwirtschaft mit solch extremem Gedankengut verbinden.“
Indem er Teil der einschlägig immer wieder auffällig gewordenen Band ist, verstößt Schröer gegen die Satzung von Bioland. Musik ist in der rechten Szene seit Langem ein Mittel, um zu politisieren und zu ideologisieren. „Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen“, erklärte unverhohlen der 1993 verstorbene Mitbegründer des Rechtsrock, der Brite Ian Stuart Donaldson. Seine eigene Band „Skrewdriver“ genießt bis heute höchstes Ansehen in der „White Power“-Szene.
Treue Fans hat auch die Band Endstufe: In Bremen-Findorff fand 1981 die erste Besetzung rund um Sänger Brandt zusammen, damals noch unter dem Namen „H20“. 1982 spielte die Band in der Aula ihrer Schule, nach drei Liedern brachen Lehrkräfte den Auftritt ab. Fünf Jahre später, 1987, erschien die ersten Platte unter dem Namen „Endstufe“, „In die Eier“ ist einer ihrer Szenehits.
Die rechtsextreme Eindeutigkeit führte zu Indizierungen und Beschlagnahmungen. Im Song „Skinhead“ singt Brandt: „Von der Arbeit kommst Du nach Haus, ziehst erst mal deine dreckigen Arbeitsstiefel aus, springst in deine Martens rein, denn du bist stolz darauf, ein Deutscher zu sein.“ Und weiter: „Ich bin Skinhead – ist doch klar, Ich find mich einfach wunderbar. Ich kann Kommunismus nicht ertragen und Punkern in die Fresse schlagen, Oi!“
Band mit „Scharnierfunktion“
2013 spielten Endstufe beim Nazi-Festival in Nienhagen, 2021 veröffentlichte die Band das vorerst letzte Album „40 Jahre“. Die Musiker erhielten im vergangenen Jahr zwei Mal Ausreiseverbot. Gitarrist Schröer begann in den 1990er-Jahren seine musikalische Karriere im Endstufe-Umfeld, half aus. Fest zur Band gehört er seit 2006.
Der „ältesten aktiven ‚Skinhead-Band‘“ schreibt der Bremer Verfassungsschutz eine Scharnierfunktion zu zwischen der erklärt unpolitischen und der offen „rechtsextremen Szene“. Unlängst platzte ein Auftritt mit zwei weiteren Bands im schleswig-holsteinischen Neumünster: Die Polizei löste das Konzert um den NPD-Bundesvize Thorsten Heise auf, die Rechtsrockfans widersetzten sich der Räumung in einer Gartenkolonie.
Seit 1871 bereits setzen völkische Kräfte sich auch ein für Heimat-, Natur- und Tierschutz. Da stünde Schröer also in einer langen Tradition. Seit Februar sei er „aus gesundheitlichen Gründen“ nicht dort tätig, sagt die Sprecherin des Biobetriebs – und dass sein Band-Engagement „Konsequenzen“ haben werde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht