Volksverhetzende Musik: Razzia gegen Rechtsrock-Szene
Polizeieinsatz in mehreren Bundesländern sowie auf Mallorca: Das Ziel war die Schwächung internationaler rechtsextremer Netzwerke.
Die Zentrale Kriminalinspektion Oldenburg (ZKI) hat nach eigenen Angaben seit Monaten ermittelt. Im Kern gehe es um die Produktion sowie den nationalen und internationalen Vertrieb von strafrechtlich relevanter, volksverhetzender rechtsextremer Musik durch eine bundesweit agierende Tätergruppierung, so Martin Appelbaum, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Celle. Die Betroffenen gehörten „größtenteils der rechtsextremen Szene“ an.
Im thüringischen Fretterode fand bei der langjährigen NPD-Größe Thorsten Heise eine Razzia statt. Die ZKI hält ihm und weiteren Beschuldigten vor, durch den Vertrieb von „volksverhetzender rechtsextremer Musik“ eine „kriminelle Vereinigung“ zu bilden, sagte Appelbaum.
Er dürfte nicht von sich behaupten, mit Rechtsrock einfach nur Geld verdienen zu wollen: Er versteht Musik auch als Mittel der ideologischen Beeinflussung und ist schon länger aktiv in einschlägigen Netzwerken zwischen dem Promoten rechter Bands, dem Betrieb von Labels und der Herstellung von Merchandising. Auch Musikunternehmer K., früher in Lüneburg bei der damaligen NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ aktiv, bekam Besuch von der Polizei. Er betreibt eine Schallplattenfirma in Hamburg.
Einschlägige Songtitel
Heise war früh Kader der verbotenen „Freiheitlichen Arbeiter Partei“, baute später die „Kameradschaft Northeim“ auf und ist heute stellvertretender Bundessprecher von „Die Heimat“ – vormals NPD. Mit dem „Deutschen Warenhaus- & BW-Versand“ ist er in der Szene breit aufgestellt. Immer wieder erfolgten Durchsuchungen und Verurteilungen.
Nach dem Verbot der Hammerskins durch das Bundesinnenministerium am 19. September erwartete Heise offenbar auch für sich staatliche Repression: Er verkündete die Auflösung der von ihm angeführten und beeinflussten „Arischen Bruderschaft“, der „Kameradschaft Northeim“ sowie der „Brigade 12“; diese Netzwerke trugen unter anderem das Neonazi-Festival „Schild und Schwert“.
K. soll im Zuge der Razzia in Haft gekommen sein. Niedersachsen habe einen „Schwerpunkt“ der Ermittlungen gebildet, sagt Appelbaum. Drei Objekte wurden demnach in dem Bundesland durchsucht.
Ein weiterer Betroffener: Jens Hessler, Musiker aus dem Emsland und 1996 Gründer der Band „Stahlgewitter“. Schon deren Songtitel lassen wenig Raum für Interpretation: „ZOG“, zum Beispiel, Szenecode für „Zionist occupied government“, also „zionistisch besetzte Regierung“. Im Text ist dann die Rede von einer „geheimen Macht“, „die die Welt regiert“. Hessler betrieb von der Insel Mallorca aus auch den Internetversand „Das Zeughaus“.
Zielgruppe junge Menschen
Fünf „Stahlgewitter“-Alben stehen auf dem Index. Mitbegründet hat die Band Daniel Giese, der auch Sänger der Band „Gigi & die braunen Stadtmusikanten“ ist. Deren Song „Döner Killer“ auf dem Album „Adolf Hitler lebt!“ verhöhnte einst die Opfer des rechtsextremen Terrornetzwerks NSU.
Dass Rechtsrock weiterhin relevant sei, betonte nach dem Polizeieinsatz Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD): Musik habe für Rechtsextremisten eine identitätsstiftende Funktion und diene dazu, ihre Ideologie zu verbreiten. Vor allem junge Menschen sollten damit rekrutiert werden.
Michael Lühmann, Sprecher der Landtags-Grünen für Innenpolitik und Antifaschismus, sagt: „Rechte Musik war schon immer mehr als nur Ausdruck menschenfeindlicher Gesinnung, sondern spielt bis hinein in rechten Terror eine wichtige Rolle bei Rekrutierung, Stabilisierung und Radikalisierung der extrem rechten Szene.“
Bis Redaktionsschluss gab die Generalstaatsanwaltschaft keine weiteren Informationen zu Festnahmen und Funden bekannt.
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