Orchestrierte Israel-Feindschaft: Marokko liegt nicht in Palästina

WM-Außenseiter Marokko muss man einfach mögen – oder etwa nicht? Dass der Freude eine antisemitische Note beigemischt wird, macht die Sache schwierig.

Die Mannschaft Marokkos mit Palästina-Flagge

Palästina spielt mit: Marokkos Mannschaft nach dem Viertelfinaleinzug

Wie könnte man sich nicht freuen, dass Marokko eine der acht besten Fußballmannschaften dieser Erde stellt! Endlich mal ein Team, das nicht aus Europa oder Südamerika kommt! Noch dazu – und jetzt folgt eine Interpretation, die man erstaunlicherweise gegenwärtig selten liest – ein nordafrikanisches Team, das nach und nach eine Kolonialmacht nach der anderen vom Fußballplatz gejagt hat: in der Vorrunde Belgien, im Achtelfinale Spanien; nun wartet mit Portugal eine weitere Nation, die ihren Reichtum ganz wesentlich ihrer kolonialen Vergangenheit verdankt. Als Nächstes könnten Frankreich und die Niederlande fußballerisch dekolonialisiert werden.

Statt dieser, wie ich finde, naheliegenden Interpretation wird der marokkanische Erfolg mit jeder Menge Palästinasymbolik überlagert. Die marokkanische Elf hielt nach dem Sieg über Spanien eine Palästinafahne hoch. Ähnliches taten in der Vorrunde schon tunesische Fans. Und einige Katarer tragen mittlerweile eine „Pro-Palästina“-Binde, als Antwort auf die von ihnen als Zumutung verstandene „One Love“-Binde der Europäer.

Das wirkt zunächst infantil-trotzig: Bäh, wir haben auch unseren Protest! Politisch betrachtet wird aber hier der palästinensisch-israelische Konflikt benutzt, um eine angebliche arabische Einheit zu behaupten. Als säßen Fans aus Maghreb-Staaten im gleichen Boot wie die katarischen Herrscherfamilien! Um Proteste zu unterbinden, die ja nicht zuletzt von palästinensischen Wanderarbeitern in Katar kommen könnten, bauen Herrscherfamilien aus dem Emirat und anderen Regimen hier einen Popanz namens „Palästina-Solidarität“ auf. Nicht grundlos unterstützt Katar schon seit Jahren finanziell den Terror, den die islamistische Hamas gegen Israel betreibt.

Es gibt ein historisches Vorbild für die durchsichtige Pro-Palästina-Propaganda, die die WM so prägt. 1963 fand in Jakarta eine Gegenolympiade statt. Ganefo nannte die sich, „Games of the New Emerging Forces“. Was wirken sollte wie ein sympathisches Aufbegehren der damals sogenannten Dritte-Welt-Staaten, war das Projekt des indonesischen Präsidenten Sukarno. Es richtete sich explizit gegen Israels Teilnahme am Weltsport.

Antirassismus ist weiter nötig, er kann sich etwa in Freude über marokkanische Fußballerfolge ausdrücken. Aber dieser Freude einen antisemitischen Anstrich zu verpassen, das ist der Dreh, mit dem Banden wie das katarische Herrscherhaus ihre Macht sichern wollen.

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Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989

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