Nationalismus im Sport: Bald hat sich’s ausgeschwenkt
Bei den Australian Open ist die russische Fahne verboten. Warum will die überhaupt jemand zeigen?
E s gibt welche, die schwenken Fahnen. Und es gibt welche, die verbieten ihnen das. So ist 2023 die Welt eingerichtet. Nach ein paar Jahrzehnten dessen, was man Globalisierung nennt.
Bei den Australian Open in Melbourne wurde in der vergangenen Woche das Zeigen russischer und belarussischer Flaggen verboten. Schon gut, aber wofür stehen Nationalflaggen eigentlich im Profisport? Wenn Sportler sich gemeinsam mit ihren Lieben auf der Tribüne über ihren Sieg freuen wollen, drückt ihnen seit einigen Jahren oft irgendjemand eine Nationalflagge in die Hand. Meist ist es die, die man die richtige nennt. Anekdoten, dass für BRD-Mannschaften die DDR-Flagge gehisst wurde, machen die Sportgeschichte lustig. Dass gerne Slowakei und Slowenien verwechselt werden oder dass bei der Fußball-WM in Katar die französische als die niederländische Fahne ausgegeben wurde, hilft dem Sport, ein großes Kulturphänomen zu bleiben.
Doch je kapitalistischer der Sport, desto alberner die Fahnenschwenkerei. Im Profiboxen gibt es sogar Flagge und Hymne des Landes, aus dem der Ringrichter kommt. Beim Tennis oder im Radsport sind Profis fast ganzjährig auf allen Kontinenten unterwegs. Ihre Wohnungen nehmen sie dort, wo der Flughafen nah und die Steuerfahndung fern ist. Mit Patriotismus hat das nichts zu tun, und auch das beschreibt die Schönheit des Sports ganz gut.
Bei olympischen Sportarten, die vom bloß ideologischen Anschein leben, hier entsende eine Nation ihre Besten in den fairen Kampf der Vaterländer, treten oft Athleten nicht für Staaten an, aus denen sie kommen, sondern für solche, die sie haben wollen. Es gibt die deutsche Judoka Marie Branser, die für die Demokratische Republik Kongo antrat, sich dort schlecht betreut fühlte und für Guinea Afrikameisterin wurde. Ein Einzelfall ist die Frau nicht, und neu ist es auch nicht: Als sich die deutsche Weltklasseskifahrerin Christa Kinshofer in den Achtzigern mit ihrem Verband überwarf, startete sie für die Niederlande. Warum auch nicht? Oder, noch ein bisschen genauer gefragt: Warum überhaupt für ein Land? Ihren Sport übt sie doch auch alleine aus.
Die russische Fahne bei den Australian Open war am Montag geschwenkt worden. Da hatte die im bayerischen Kolbermoor lebende ukrainische Tennisprofi Kateryna Baindl gegen die Russin Kamilla Rachimowa gewonnen. Die ist tatarischer Herkunft, ihr größter Erfolg bislang war ein Sieg im Doppel, den sie mit einer Inderin erreicht hat.
Vermutlich wollten die, die beim Tennis die russische Flagge geschwenkt haben, wirklich nur provozieren. Aber eigentlich sorgt doch die Entwicklung des Sports selbst dafür, dass diese Schwenker lächerlich wirken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben