Aktionen der Letzten Generation: Bitte stören Sie weiter

Die Letzte Generation lässt alle Ordnungsliebhaber mächtig schäumen. Doch die Ak­tivs­t:in­nen sind im Recht – und beweisen viel Mut.

Straßenblockade der Letzten Generation. Autofahrer sind ausgesteigen und stehen ihnen gegebüber. Auch Polizisten sind da

Sich Autofahrern und Polizei ausliefern Foto: dpa

Die Ablehnung der Straßenblockade- und Störaktionen der Klimaschutzgruppe Letzte Generation verbindet ganz unterschiedliche Milieus. Springer-Medien heizen die Stammmtischwut auf die „Ökoextremisten“ an – und legitimieren damit all jene, die lautstark darüber sinnieren, die Ak­ti­vis­t:in­nen einfach zu überfahren. Und Redakteure von Qualitätszeitungen legen mit Attributen wie „strunzdumm“ die Messlatte der Verachtung erstaunlich hoch und räumen dafür auch noch viele Likes unter Nicht-Wutbürger:innen ab.

Das verbindende Element dieser Ablehnung ist der urdeutsche Reflex nach Ruhe und Ordnung, einem Zustand also, den die Ak­ti­vis­t:in­nen angesichts der Dramatik der Klimakrise und der fast schon verstrichenen Zeit, dieser zu begegnen, bewusst entgegentreten. Sympathisch kann man sie allein deshalb finden, weil sie all jene stören, die es sich zu bequem machen. Dabei müssen sie nicht gefällig sein; wer Anpassung und Mäßigung von ihnen fordert, hat den Unterschied zwischen sozialen Bewegungen und der SPD nicht verstanden.

Als meistgehasste Klimaschutzgruppe ist die Letzte Generation derzeit die effektivste. Wo bei Fridays for Future höchstens noch sympathisierend gegähnt wird, bei Extinction Rebellion oder Ende Gelände die Aufregung erschöpft ist, sind sie es, die selbst Fahr­rad­fah­re­r:in­nen in Celle die Zornesröte ins Gesicht treiben.

Und wo Wut ist, ist immerhin Diskurs. Nicht unbedingt das aufgeklärte Gespräch darüber, wie wir möglichst schnell die Emis­sionen reduzieren, aber das Thema wird mit jeder neuen Autobahnblockade neu gesetzt. Genau dafür sind ihre Aktionen wichtig und unbedingt zu verteidigen.

Was ist denn so schlimm? Straßenblockaden – so what? Als ob je­de:r Au­to­fah­re­r:in nicht eh durchschnittlich 40 Stunden jährlich im Stau stecken würde! Und jetzt neu: Mutwillig ausgelöste Feueralarme im Bundestag und weiteren Parlamentsgebäuden. Ja, ein paar alarmierte Rettungswagen, nicht schön, aber doch eher ohne Folgen für Leib und Leben – ganz anders als die versäumte Klimapolitik. Und symbolisch besudelte Kunstwerke sind auch nicht gerade der Untergang der Zivilisation, sondern ein gutes Symbol, um zu zeigen, wie an der Vergangenheit festgehalten und die Zukunft verspielt wird

Es braucht Mut

Mit 30 Ak­tivs­t:in­nen hat die Letzte Generation angefangen, als sie im Januar erstmals Autobahnzufahrten in Berlin blockierten. Seit vergangenen Montag sind sie zurück in der Stadt – zum dritten Mal – und nach eigenen Angaben gibt es inzwischen 500 Mutige, die teils ihre Jobs oder Ausbildung ruhen lassen und in Aktion gehen, die für sie teuer werden. Mut ist es auch, was es braucht, um sich vor wild gewordenen Autofahrer:innen, die immer häufiger vor körperlicher Gewalt nicht zurückschrecken, auf die Straße zu kleben. Schutzlos. So wie es auch die Klimasäue in ihren SUVs sein werden, wenn die Klimakatastrophe vollends hereinbricht.

Was die Letzte Generation fordert, ist eine Selbstverständlichkeit: die Fortführung eines 9-Euro-Tickets zum Preis von neun Euro, also der erfolgreichsten und besten Idee, die die derzeitige Bundesregierung überhaupt hatte. Dazu: die Einführung eines Tempolimits von 100 km/h auf Autobahnen, also die einfachste aller denkbaren Methoden sofort den CO2-Ausstoß zu senken.

Traurig genug, dass es dafür überhaupt Protest braucht. Wo Po­li­ti­ke­r:in­nen und große Teile der Gesellschaft sich weiterhin weigern, einfachste Realitäten anzuerkennen und danach zu handeln, kann man den Ak­tivs­t:in­nen nur zurufen: Bitte stören Sie weiter.

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Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".

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