Nein von Scholz zu Flugverbotszone: Realpolitik ohne Heldenpose

Kanzler Scholz hat ein direktes Eingreifen in der Ukraine klar ausgeschlossen. Verantwortungslose Gesinnungsethik überlässt er anderen.

Olaf Scholz

Realpolitik im Ukrainekrieg: Kanzler Olaf Scholz Foto: Michele Tantussi/reuters

Der Krieg in der Ukraine wird noch brutaler werden, als er schon ist. Viel spricht dafür, dass russische Raketen auch noch in Wochen und Monaten Wohnblöcke und Krankenhäuser zerstören und Zivilisten töten werden. Muss man da jetzt nicht, nach all dem Zögern, entschlossener durchgreifen? Die polnische Regierung fordert schon seit Längerem eine Nato-Mission in der Ukrai­ne, der ukrainische Präsident Selenski wirbt verzweifelt für die Einrichtung einer Nato-Flugverbotszone.

Auch in Deutschland hat diese Idee Fürsprecher. So fordern etwa der PEN-Präsident Deniz Yücel und der Historiker Karl Schlögel eine Nato-Flugverbotszone. De facto würde das bedeuten, nicht nur russische Jets abzuschießen, sondern auch russische Stellungen in Russland militärisch anzugreifen.

Für eine Nato-Flugverbotszone gibt es ein wichtiges, moralisches Motiv: den Schutz der Zivilbevölkerung. Aber die Folge kann ein Krieg mit der Atommacht Russland sein. Putins Sprecher hat im US-TV-Sender CNN erklärt, dass Russland, wenn es sich ernsthaft angegriffen sieht, Atomwaffen einsetzen kann. Das Interview war nach Putins wolkiger Drohung an den Westen, ihm bloß nicht in die Quere zu kommen, wohl als Beschwichtigung gedacht. Es klingt aber noch bedrohlich genug. Putin bluffe nur, behaupten die Anhänger einer Nato-Intervention. Das Problem dabei ist, dass der Praxistest, ob das stimmt, einen Teil der Menschheit das Leben kosten könnte. Die Ukraine könnte in diesem Fall übrigens das erste Schlachtfeld eines nuklearen Krieges sein.

Einen Kriegseinsatz der Nato in der Ukraine zu fordern folgt einer Gesinnungsethik, die sich verantwortungsfern um mögliche Folgen nicht schert. Dieses buchstäblich gefährliche Denken mag zur Jobbeschreibung von Intellektuellen gehören. Harmlos ist es allerdings nicht. Man erinnere sich an den französischen Publizisten Bernard-Henri Lévy, dem es 2011 gelang, mit dem für Kriegssituationen typischen moralischen Hochdruck die französische Regierung zum Kriegseinsatz in Libyen anzustiften, mit bis heute desaströsen Folgen.

Kanzler Scholz hat jetzt im Bundestag noch einmal klipp und klar gesagt, dass Deutschland und die Nato in der Ukraine nicht eingreifen werden. Der Westen liefert Waffen und Geld, beachtet aber die feinen Linien zwischen Unterstützung und direkter Kriegsbeteiligung. Das ist Realpolitik ohne Heldenpose. Scholz, Biden und Macron folgen einer Verantwortungsethik, die infrage zu stellen die Aufgabe von Intellektuellen sein kann. Mehr aber auch nicht.

Es ist beruhigend zu wissen, dass, falls zum Beispiel eine russische Rakete auf polnischem Gebiet einschlagen sollte, blasse Technokraten vom Schlage Joe Bidens und Olaf Scholz’ und kühle Generäle entscheiden werden, wie man reagiert. Und keine Intellektuellen, die glauben, über einen privilegierten Zugang zur Moral zu verfügen.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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