Forderung nach verbilligtem Sprit: Irrational und anachronistisch

Ja, wegen der explodierenden Energiepreise brauchen Ge­ring­ver­die­ne­r:in­nen Unterstützung. Doch ein „Tankrabatt“ ist das falsche Instrument.

Zapfpistole vor einem blauen Fahrzeug.

Zapfpistole in Berlin: Langfristig hilft kein Rabatt und keine Mehrwertsteuersenkung Foto: Thomas Imo/photothek/imago

Es ist bizarr: Russland finanziert den Krieg gegen die Menschen in der Ukraine mit Einnahmen aus Öl-, Gas- und Kohleexporten. Doch statt das größte Energiesparprogramm aller Zeiten aufzulegen, diskutiert die deutsche Politik darüber, wie die steigenden Spritpreise vom Staat aufgefangen werden können. Sofortmaßnahmen zum Spritsparen, wie es ein schnell umsetzbares Tempolimit für Autobahnen wäre, oder autofreie Sonntage? Dass sich die FDP dagegen stemmt, aber den Sprit verbilligen will, zeigt, wie irrational und anachronistisch ihr Verhältnis zum Auto ist.

Dabei ist durchaus richtig: Die Regierung muss etwas unternehmen, damit die explodierenden Energiepreise Ge­ring­ver­die­ne­r:in­nen und auch weite Teile der Mittelschicht nicht ruinieren oder Betriebe zur Geschäftsaufgabe zwingen. Hebammen, Hand­wer­ke­r:in­nen und andere, die auf ihr Fahrzeug angewiesen sind und die die steigenden Preise überfordern, brauchen schnell Unterstützung, etwa Geldzahlungen oder Steueraussetzungen.

Aber eine Spritpreisbremse für alle ist nicht das richtige Instrument. Denn mit ihr wird kein Liter Benzin oder Diesel weniger verbraucht. Und genau darum muss es mit Blick auf Putins Kriegskasse und das Klima gehen.

Mag sein, dass der Staat, wie von Finanzminister Christian Lindner vorgeschlagen, punktuell die Spritpreise dämpfen kann. Auf Dauer wird das aber nicht möglich sein. Die Bür­ge­r:in­nen müssen sich darauf einstellen, dass Energie sehr viel kostbarer wird. Langfristig hilft kein Rabatt und keine Mehrwertsteuersenkung. Alle müssen umsteuern, und es ist Aufgabe der Regierung, die Bür­ge­r:in­nen dabei kräftig zu unterstützen, zum Beispiel mit einem Austauschprogramm für energieintensive Geräte und Heizungen, einer Solardach-Offensive oder Hilfen zur Wärmedämmung von Häusern.

Die Grünen enttäuschen

Wo bleiben die Preissenkungen im ÖPNV und bei der Deutschen Bahn? Wo die großen Kampagnen für Fahrgemeinschaften auf dem Land? Die Welt ist voller guter Ideen und Alternativen zum einsamen Autofahren. Aber die Bundesregierung greift sie nicht auf. Das ist enttäuschend von einer Regierung mit grüner Beteiligung.

Statt das Umsteuern voranzubringen, will die Ampel offenbar auch Be­sit­ze­r:in­nen von Luxuskarossen und diejenigen unterstützen, die 900 Meter zum Bäcker unbedingt mit dem Auto fahren müssen, obwohl sie gut zu Fuß sind oder das Rad nehmen könnten. Das ist das Gegenteil von klug. Aber leider nicht neu. Wie bei der Pend­le­r:in­nen­pau­scha­le und anderen Autosubventionen müssen Menschen mit wenig Geld wieder einmal argumentativ dafür herhalten, dass Wohlhabende ihre Privilegien verteidigen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.