Allgemeine Corona-Impfpflicht: Schluss mit der unsinnigen Debatte

Ob Impfpflicht oder nicht polarisiert die Gesellschaft. Um die Pandemie wirksam zu bekämpfen, wäre eine Impfpflicht ohnehin untauglich.

eine grüne Petrischale mit aufgezogenen Spritzen

Impfaktion in der Semperoper in Dresden am 07.01.2021 Foto: Robert Michael/dpa

Es ist höchste Zeit, einen unsinnigen Streit zu beenden: Die Debatte über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht schadet der Bekämpfung der Coronapandemie. Sie polarisiert nur die Gesellschaft.

Aus gutem Grund ist es den Be­für­wor­te­r:in­nen bislang nicht gelungen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der schlüssig und rechtssicher aufzeigt, wie mit den Besonderheiten, die Covid-19 von anderen Infektionskrankheiten unterscheidet, umgegangen werden kann. Denn anders als bei Pocken oder Masern gibt es bei der Corona-Impfung nur einen begrenzten Infektionsschutz, der zudem zeitlich überschaubar ist. Und nicht nur infizierte Ungeimpfte sind infektiös. Eine allgemeine Impfpflicht taugt nicht.

Nein, man muss kein Verständnis für Impf­ver­wei­ge­r:in­nen haben. Ihr Verhalten ist schlicht unvernünftig und verantwortungslos. Aber das war es auch schon vor der Bundestagswahl, als der jetzige Bundeskanzler und sein Gesundheitsminister ebenso wie die Mi­nis­ter­prä­si­den­t:in­nen jeglicher politischen Couleur noch unisono jene Impfpflicht, die sie jetzt fordern, definitiv ausgeschlossen haben.

Wer sein Wort gibt und es anschließend bricht, muss dafür überzeugende Argumente liefern. Daran mangelt es jedoch. Und das ist besonders fatal, wenn es um einen so gravierenden Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit geht. In einem Gastbeitrag in der FAZ begründeten Markus Söder und Winfried Kretschmann Ende November ihren Gesinnungswandel damit, dass angesichts der hoch ansteckenden Delta-Variante die Impfquote in Deutschland zu niedrig sei, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. In Ländern wie Spanien oder Portugal mit ihren Impfquoten von 80 oder fast 90 Prozent sei sie hingegen „unter Kontrolle“.

Ein Trugschluss: Inzwischen liegt die Sieben-Tage-Inzidenz in Spanien und Portugal bei jeweils rund 1.700 – ein Rekordwert. Die Omikron-Variante, die nun auch in Deutschland flächendeckend dominant wird, hat das Infektionsgeschehen noch einmal dramatisch verändert. Nicht einmal das Boostern schützt vor der Infektion, wie das Beispiel von Alexander Dobrindt, dem Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe, zeigt.

Das spricht keineswegs gegen die Impfung, sinkt damit doch das Risiko einer schweren Erkrankung deutlich. Viel spricht jedoch dafür, dass der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn nun tatsächlich mit seiner Prognose vom vergangenen Herbst recht behält, am Ende dieses Winters werde jeder und jede in Deutschland „geimpft, genesen oder gestorben“ sein. Was für einen Sinn soll es dann aber noch machen, eine allgemeine Impfpflicht im Frühsommer einzuführen? Und das ist der früheste Zeitpunkt, zu dem sie kommen könnte.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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