Ehemann der Grünen-Kanzlerkandidatin: Baerbocks kluger Schachzug
Ein Kanzleringatte als Lobbyist? So weit soll es bei den Grünen nicht kommen. Dabei haben sie kaum noch Berührungsängste mit der Wirtschaft.
I n Sachen politischer Kommunikation sind die Grünen gerade Neid- und Referenzobjekt für die politische Konkurrenz. Keine andere Partei versteht es, sich so glänzend zu inszenieren und selbst Schwächen als Stärken zu verkaufen.
Jüngstes Bravourstück: Im Interview mit der Bild am Sonntag erklärte Annalena Baerbock, dass sich ihr Ehemann für den Fall, dass sie ein Regierungsamt annehme, voll um Kita, Schule, Pausenbrote und den Haushalt kümmern werde. Gerade kümmert sich das grüne Parteimitglied Daniel Holefleisch aber auch noch intensiv um die Interessen seines Arbeitgebers, der Deutschen Post/DHL. Er arbeitet dort als Lobbyist.
Aber ein solcher als Kanzleringatte? Das käme nicht gut, das böte eine Angriffsfläche, gegen die eine Masterarbeit wie Makulatur wirkt. Also schließt die grüne Kanzlerkandidatin diese Flanke rechtzeitig und verpackt es rhetorisch als Akt der Emanzipation und der Umkehr von klassischen Geschlechterrollen.
Und so haben es viele Medien auch transportiert. Sauber gemacht! Dabei gibt es kaum noch Berührungsängste zwischen den Grünen und der Wirtschaft und deren Verbänden. Noch 1993 lehnten die Grünen in ihren parteipolitischen Grundsätzen die Verquickung parlamentarischer Vertretungen mit ökonomischen Sonderinteressen ab.
Rest von Problembewusstsein ist geblieben
Doch gerade in jüngster Zeit wechselten auffallend viele Spitzenpolitiker:innen die Seiten. Nur zwei Beispiele: Den grünen Staatssekretär Volker Ratzmann zog es 2020 aus der baden-württembergischen Landesvertretung ebenfalls zu DHL, seine Frau Kerstin Andreae tauschte Ende 2019 ihr Amt als wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag mit dem der Hauptgeschäftsführerin des Verbands der Energie- und Wasserwirtschaft.
Aber ein Rest von Problembewusstsein ist geblieben, wie Baerbocks Schachzug zeigt. In diesem Punkt unterscheiden sich die Grünen dann doch von der Union, die sich ganz selbstverständlich als verlängerter Arm der Wirtschaft sieht. Mit allen fatalen Konsequenzen.
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