Verdeckter Polizeieinsatz bei G20: Undercover im Schwarzen Block

Ein Polizist soll sich unter die „Welcome to Hell“-Demo gemischt haben – vermummt. Doch Vermummung war der Grund, die Demo aufzulösen.

Eine große Gruppe von schwart gekleideten Menschen mit schwarzen Mützen und Sonnenbrillen

Sehen Sie hier irgendwelche sächsischen Polizisten? Foto: Miguel Ferraz

Hamburg taz | Stimmt es, ist es ein Skandal: Sächsische Zivilpolizist*innen sollen undercover bei der G20-“Welcome to Hell“-Demonstration gewesen sein – vermummt im schwarzen Block. Die autonome Großdemonstration am Vorabend des G20-Gipfels in Hamburg war von der Polizei am Losgehen gehindert und auseinander geschlagen worden, weil Teilnehmer*innen der Demo vermummt gewesen waren.

Die Aussage, unter den vermummten Demonstrant*innen seien sächsische Polizist*innen gewesen, kommt von einem beteiligten Beamten selbst: In einem Gerichtsprozess gegen einen G20-Gegner sagte er am Dienstag als Zeuge aus.

Der Anwalt des Angeklagten, Lino Peters, schilderte der taz, er habe den Zeugen gefragt, wo dieser bei der „Welcome to Hell“-Demo eingesetzt gewesen sei. „Als ziviler Tatbeobachter, in der Demo-Gruppe drin, im Bereich der vermummten Personen“, habe der Polizist geantwortet. „Und was hatten Sie an?“, habe Peters gefragt. „Ein Tuch, das ich bis unter die Nase hochgezogen hatte, und ansonsten dunkle Kleidung“, habe die Antwort gelautet.

Der Polizist habe außerdem erklärt, dass er und drei weitere Kollegen sich extra umgezogen hatten – von bürgerlicher Kleidung zum Black-Block-Dress wechselten – ehe sie sich vermummt in den schwarzen Block einreihten. Genau diesen schnellen Kleidungswechsel hatten Polizei, Innenbehörde und Staatsanwaltschaft im Nachgang des G20-Gipfels bei den Demonstrant*innen kritisiert. Die Polizei habe mit so einem Verhalten nicht nicht gerechnet, hatte es geheißen, und der Kleidungswechsel sei kennzeichnend für eine große Entschlossenheit, Straftaten zu begehen.

Die Aufgabe ins Gegenteil verkehrt

Straftaten haben die Polizisten, wenn es denn stimmt, was der sächsische Beamte laut Peters ausgesagt hat, durch die Vermummung ebenfalls begangen. „Hier wird deutlich, wie die Polizei von zwei Seiten zur Eskalation der Lage beigetragen hat“, sagt Peters. „Einerseits behelmt von außen, und andererseits verdeckt, aus der Demo heraus.“

Indem die Polizei Straftaten begehe und so auch andere Leute dazu anstifte, verkehre sie ihre Ur- und Kernaufgabe, Straftaten zu verhindern, ins Gegenteil. Peters geht davon aus, dass neben den vier Polizisten noch weitere Beamt*innen vermummt unter den G20-Gegner*innen waren, und im Zweifel vielleicht auch mal die erste Flasche geworfen haben. „Ich glaube, das hier ist nur die Spitze des Eisbergs“, sagt er.

Auch Christiane Schneider (Linke) geht von weit mehr derartigen Fällen aus. Sie hatte den Verdacht am Donnerstagabend im G20-Sonderausschuss der Bürgerschaft öffentlich gemacht und gefordert, dass der Senat umfassendes Videomaterial zur Aufklärung zur Verfügung stelle. Der Komplex „Welcome to Hell“ war allerdings schon in einer vergangenen Sitzung des Ausschusses verhandelt worden – ohne dass die eingesetzten Zivilpolizisten unter den Demonstrierenden erwähnt wurden.

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD), Polizeieinsatzleiter Hartmut Dudde und Polizeipräsident Ralf Meyer hatten lediglich geschildert, wie sehr die Polizei bemüht gewesen sei, die Demo loslaufen zu lassen – was aufgrund der Vermummung nicht möglich gewesen sei. Vermummung sei nun mal eine Straftat, die die Polizei nicht dulden könne.

„Das geht überhaupt nicht“

„Das ist ein Affront gegenüber dem Ausschuss!“, sagt Schneider der taz. „Da reden wir stundenlang über ‚Welcome to Hell‘ und später kommt raus, dass vermummte Tatbeobachter in der Demo waren.“ Zudem liege der Verdacht nahe, dass die Polizist*innen in provokativer Absicht unterwegs gewesen seien. „Das geht überhaupt nicht.“ Die sächsische Linke Jule Nagel stellte noch am Donnerstagabend eine Kleine Anfrage zum Thema ihre Landesregierung.

Die sächsische Polizei fühlt sich für Anfragen, die den G20-Gipfel betreffen, nicht zuständig und verweist nach Hamburg, wo die Verantwortung für die Einsatzkoordination liege. Die Hamburger Polizei wollte sich am Freitag nicht zum konkreten Vorwurf äußern. Sie sagte aber, es gehöre zu den Aufgaben eines Tatbeobachters, sich unerkannt in seinem Umfeld zu bewegen. „Dazu gehört im Einzelfall ggf. auch eine dem Umfeld angepasste Bekleidung.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.