Verfassungsschutz über Linksextreme: Lasst euch nicht verarschen!
Bayerns Verfassungsschutz veröffentlicht ein Video über autonome Linksextreme. Der Clip wird mehr belächelt als ernstgenommen.
Das Youtube-Profil „Bayern“ mit gut 5.000 Abonnent*innen wirkt auf den ersten Blick wie eine Mischung aus bayerischem Regionalfernsehsender und einem Markus Söder-Fanblog. Hinter dem Profil steckt aber tatsächlich das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz. 2017 hat die Behörde damit angefangen, auch Ratgebervideos zu produzieren. Nach dem Erstlingswerk „10 Tipps für das Verhalten in sozialen Medien“ folgte am Montag ein brandneuer Clip: „10 Tipps, wie du dich nicht verarschen lässt – Dieses Mal von Autonomen Linksextremen“. Der Bayerische Verfassungsschutz reagiert damit nach eigener Aussage auf den Anstieg linksextremistisch motivierter Straftaten im Freistaat um 6,8% im vergangenen Jahr.
In zehn Schritten sollen den Zuschauer*innen vermeintliche Ideologien und Strategien gewaltbereiter Linksextremer nähergebracht werden. Das Video appelliert zunächst daran, mit Verstand für die eigenen Ziele einzutreten und warnt davor, dass autonome Linksextremisten den Rechtsstaat zerstören und eine „vermeintlich (!) herrschaftsfreie Gesellschaft“ aufbauen wollen, in der jedoch „der Schwächste auf der Strecke“ bleiben würde. In dem Video tritt zur Illustration eine vermummte Zeichenfigur auf eine mit „Rechtsstaat“ beschriftete Waage ein, es erfolgt eine rote „CHAOS!“-Meldung. Weiter rät der Bayerische Verfassungsschutz dazu, „was gegen Rechtsextrem“ zu machen, Informationen über Linksextreme kritisch zu hinterfragen und sich nicht zu Straftaten überreden zu lassen.
Das Beschmieren von Wänden „im Schutz der Dunkelheit“ deklariert der Verfassungsschutz als feige und meint, man solle Gesicht zeigen und sich der Diskussion stellen. Für Probleme wie beispielsweise mangelnden Wohnraum und steigende Mieten gäbe es vernünftige Lösungen, daher seien Hausbesetzungen kein legitimes Mittel. Dass in Berlin, wo dieses Thema gerade brandaktuell ist, eine Mehrheit von 53 Prozent und selbst jeder vierte CDU-Anhänger (26 Prozent) Besetzungen für eine legitime Form des Protests hält, ist in Bayern noch nicht angekommen.
Weiterhin rät die Behörde, sich dem Schwarzen Block fernzuhalten und Polizist*innen als „Menschen wie du und ich“ zu behandeln. Menschen wie du und ich sind also Beamt*innen, die seit dem reformierten und vielkritisierten Polizei-Aufgaben-Gesetz in Bayern nun deutlich mehr Befugnisse zur Überwachung und Strafverfolgung von Menschen wie du und ich haben als bisher schon. Im abschließenden zehnten Punkt heißt es dann: „Linksextremisten wollen dich gegen den Staat aufstacheln. (…) Lass dich nicht verarschen.“
Empfohlener externer Inhalt
An der knapp vierminütigen Reise des Bayerischen Verfassungsschutzes in die Welt der „Autonomen Linksextremen“ fällt die vermeintlich moderne und umgangssprachliche Wortwahl auf. Signifikant ist vor allem, wie viele Sprüche der linken Szene im Video reproduziert werden. So sind unter anderem „ACAB“- und „Fuck the System“-Graffitis zu sehen, selbst das Wort „Bullenschwein“ wird verwendet.
Auf Youtube hat das Video bis zum Dienstagmittag nur 28 Likes, aber über 400 Dislikes gesammelt. Auch auf Twitter erntete der Bayerische Verfassungsschutz einen kleinen Shitstorm. Dass sich das Landesamt „ausgerechnet mit Linksextremen“ befasst, wird von vielen User*innen kritisiert. Ein entsprechendes Video über die rechtsextreme Szene in Bayern gibt es noch nicht. Viele linksautonome User*innen können das „Mobilisierungsvideo“ aber auch belächeln: „Es ist eines der schönsten Beiträge für uns“ twittert „Autonome“. Die linke Szene amüsiert sich besonders über die „eiserne Präzision“, mit der das Video sie abbildet.
So ganz ernst nimmt das Video des Bayerischen Verfassungsschutzes also fast niemand. Und ob das Landesamt seine Ziele mit audiovisuellen Mitteln erreichen kann, ist mehr als zweifelhaft. Unterhaltsam ist das Video aber allemal.
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