Union vs. „Letzte Generation“: Fünf Jahre Knast für Blockaden?

Die Aktionen der „Letzten Generation“ gehen weiter und sollen auch Flughäfen treffen. Die Union fordert härtere Strafen – was die Ampel ablehnt.

Personen sitzen mit Transparent auf einer Straße, im Hintergrund fährt ein SUV.

Protest der „Letzten Generation“ am 11. Oktober in Berlin Foto: Christian Mang/reuters

BERLIN taz | Auch am Montag saßen Ak­ti­vis­t:in­nen der „Letzten Generation“ wieder auf dem Asphalt. In München blockierten sie den Stachus, in Berlin mehrere Straßen. Die Union fordert, diese Blockaden nun mit drastischen Strafen von bis zu fünf Jahren Haft zu ahnden – was die Ampel zurückweist.

Die Aktionen der Kli­ma­schüt­ze­r:in­nen hätten sich „zu einem „radikalen und aggressiven Protest gewandelt“, heißt es in einem Antrag der Unionsfraktion, den diese am Donnerstag im Bundestag debattieren will und welcher der taz vorliegt. Der Rechtsstaat müsse darauf eine „konsequente Antwort“ finden, mit „erhöhten Mindeststrafen“.

So fordert die Union, die Straßenblockaden künftig als besonders schweren Fall einer Nötigung zu werten – und mit mindestens drei Monaten bis zu fünf Jahren Haft zu bestrafen. Dies soll gelten, wenn die Ak­ti­vis­t:in­nen billigend in Kauf nähmen, dass Polizei- und Rettungsfahrzeuge blockiert würden oder auch nur eine „große Zahl“ an Verkehrsteilnehmern. Die Blockaden soll dafür als Regelbeispiel in den entsprechenden Paragrafen 240 aufgenommen werden. Bisher gibt es dort nur zwei Regelbeispiele: für Nötigungen von Schwangeren zu Abtreibungen und Missbrauchstaten von Amtsträgern.

Für die Union reicht die Chance einer Gefährdung

Auch der Paragraf des Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr soll künftig für die Blockaden gelten. Das könnte ebenso bis zu fünf Jahre Haft bedeuten. Bisher griff der Paragraf nur, wenn etwa Hindernisse auf Straßen gelegt oder Fahrzeuge manipuliert werden. Die Ak­ti­vis­t:in­nen sollen nun aber bereits bestraft werden, wenn ihre Blockaden nur dazu „geeignet“ sind, Menschenleben zu gefährden – ohne dass dies so kommen muss. Zudem soll die Höchststrafe für die Behinderung von Hilfe leistenden Personen von einem Jahr auf drei Jahre Haft angehoben werden.

Die Union will auch Angriffe auf Kunstwerke stärker ahnden, wie sie die „Letzte Generation“ zuletzt ebenso verübte – wobei wirkliche Schäden ausblieben, weil die Bilder hinter Scheiben geschützt waren. Hier greift der Paragraf der Gemeinschädlichen Sachbeschädigung von Kunstwerken. Die Aktionen sollen künftig als besonders schwerer Fall gewertet werden, mit einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten – bisher ist es eine Geldstrafe. Zudem sollen Kultureinrichtungen des Bundes künftig auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche konsequent geltend machen, wenn Ak­ti­vis­t:in­nen Beschädigungen verursachen.

Zuletzt will die Union auch, dass Aktivist:innen, die sich auf Straßen oder Gemälden festkleben, bei Wiederholungsgefahr in Untersuchungshaft genommen werden können – die Nötigung soll dafür neu in den Stratatenkatalog aufgenommen werden. Auch sollen Kettenbewährungsstrafen grundsätzlich nicht mehr möglich sein.

Ampel wirft Union „blinden Aktionismus“ vor

Die Ampel wies die Forderungen zurück. Der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle warf der Union „blinden Aktionismus“ vor. „Das Strafrecht enthält bereits alle Mittel, um auf mögliche Straftaten durch Aktivisten zu reagieren“, sagte er der taz. Diese müssten bei Aktionen der „Letzten Generation“, die tatsächlich Menschenleben gefährdeten, konsequent zur Anwendung kommen.

Auch der SPD-Innenexperte Uli Grötsch zeigte sich über den Union-Vorstoß genervt: „Täglich grüßt das Murmeltier. Die Verhinderung solcher Taten hat nichts mit der Höhe des Strafmaßes zu tun, sondern mit der Anwendung von Recht.“ Die Aktionen seien eher kontraproduktiv, um Mehrheiten zum Klimaschutz zu erreichen. Wenn aber der Union darauf nichts anderes als Straferhöhungen einfalle, solle sie ihr inhaltliches Profil schärfen oder sich in der Debatte zurückhalten, so Grötsch zur taz.

Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz warf der Union ebenso vor, auf die Blockaden „mit kurzfristigen und kurzsichtigen Gesetzesverschärfungen reagieren zu wollen“. Die Aktionen würden der Sache schaden und gesellschaftliche Akzeptanz verspielen, aber der Rechtsstaat habe längst „alle nötigen Instrumente in der Hand“. Die Union schieße hier „einmal mehr bewusst übers Ziel hinaus“, so von Notz zur taz.

Die „Letzte Generation“ will Aktionen ausweiten

Die Debatte über die „Letzte Generation“ hatte sich zugespitzt, nachdem eine Klebeaktion an einer Berliner Schilderbrücke einen Stau verursachte, der mit einer tödlich verunglücktem Radfahrerin in Verbindung gebracht wurde.

Zuletzt wurden in München einige Blo­ckie­re­r:in­nen für vier Wochen in Sicherungshaft genommen. Ihre Mit­strei­te­r:in­nen am Montag setzten sich deshalb teils in schwarz-weißen Gefangenenkleidung auf die Straße. „Lieber wegsperren als reden“, kündeten ihre Transparente.

Die Festnahmen änderten nichts am Protest, erklärte die „Letzte Generation“-Aktivistin Carla Hinrichs der taz. Die Festgenommenen seien das „Risiko, ins Gefängnis zu kommen, bewusst eingegangen“. Man werde so lange Widerstand leisten, bis die Bundesregierung ein 9-Euro-Ticket und Tempolimit von 100 km/h einführe. Die Gruppe fordert dafür auch ein Gespräch mit der Bundesregierung am 10. November in Berlin.

Auch kündigte die „Letzte Generation“ eine Ausweitung ihrer Proteste an: So könnten als Nächstes auch Flughäfen von Blockaden betroffen sein. Damit würden die Ak­ti­vis­t:in­nen in die Fußstapfen der Klimagruppe „Extinction Rebellion“ und Greenpeace treten, die am Samstag Teile des Flughafens Schiphol in Amsterdam blockierten. Dabei wurde der Start von Privatflugzeugen verhindert, indem sich Blockierende vor Maschinen auf den Boden setzten oder auf Fahrrädern um sie herumfuhren. Wäre die „Letzte Generation“ erfolgreich mit einer solchen Blockade, wäre es die erste in Deutschland.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.