Union und Armin Laschet: Sehenden Auges in die Niederlage
Man kann der Union für ihre Fehlentscheidung, Armin Laschet zu nominieren, nur dankbar sein. Das eröffnet linken Bündnissen ungeahnte Chancen.
N atürlich wäre es komplett irre, vier Wochen vor der Wahl den Kanzlerkandidaten Armin Laschet doch noch gegen Markus Söder auszutauschen, wie es einzelne Abgeordnete der Union erwogen haben. Deutlicher könnte man die eigene Verzweiflung nicht dokumentieren. Auch Söder selbst dürfte keine Lust mehr darauf haben, weil sogar der selbstverliebteste Politiker Deutschlands kaum ernsthaft glauben kann, unter diesen Umständen noch einen glorreichen Sieg einfahren zu können.
Andererseits ist in diesem unkalkulierbaren Wahlkampf nichts unmöglich, und es ist fast genauso irre, weiter an dem Kandidaten Laschet festzuhalten. Wenn kein Wunder mehr geschieht, strebt die Union mit ihm auf die schlimmste Niederlage ihrer Geschichte zu. Bei aller Vorsicht vor Umfragen ist der Trend eindeutig: Alle Zahlen sind für Laschet niederschmetternd – egal, ob es stimmt, dass 70 Prozent der UnionsanhängerInnen für die Einwechslung Söders plädieren, wie das Civey-Institut ermittelt haben will, oder in Wirklichkeit eine nicht ganz so große Mehrheit.
Der fehlende Rückhalt für Laschet und die Panik sind offensichtlich. Kann die Union also tatenlos abwarten, bis am Ende Olaf Scholz im Kanzleramt einzieht? Wahrscheinlich muss sie, weil Laschet nicht aufgibt und Söder nicht mehr will, auch wenn die Union mit ihm vielleicht ein paar Prozentpunkte mehr bekäme.
Gelassen bleiben können da nur die politischen Gegner der Union, weil diese sich im Frühling sehenden Auges für den falschen Kandidaten entschieden hat, der schon damals in allen Beliebtheitswerten himmelweit hinter Söder lag und der durch eigene Trampeltaten immer weiter abstürzt.
Aus linker Sicht kann man der Union für ihre Fehlentscheidung eigentlich nur dankbar sein. Ihre Schwäche eröffnet allen anderen, sogar Rot-Rot-Grün, ungeahnte Chancen. Und auch wenn Laschet trotz allem doch noch knapp gewinnen sollte, wäre die Union geschwächt, und Deutschland bekäme immerhin einen Kanzler, der im tiefsten Herzen liberaler ist als Söder.
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