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Sichere RadinfrastrukturMan möchte schreien „Handelt endlich!“

Unfälle durch aufschwingende Autotüren sind keine Unglücke des Schicksals. Sie sind das Ergebnis einer ignoranten Verkehrspolitik.

Radfahrerinnen in Amsterdam: In den Niederlanden gelten Dooring-Unfälle übrigens als Planungsfehler, nicht als individuelles Pech Foto: Ramon van Flymen/ANP/imago

W anda Perdelwitz wurde nur 41 Jahre alt. Die Schauspielerin starb Anfang dieses Monats, nachdem sie in Hamburg mit dem Fahrrad unterwegs war. Der Beifahrer eines Transporters, das links neben der Radspur hielt, öffnete plötzlich seine Tür. Perdelwitz hatte keine Chance.

Hätte dieser sogenannte Dooring-Unfall verhindert werden können? Ja. Durch einen Helm? Natürlich nicht. Kein Helm dieser Welt hält eine aufschwingende Autotür auf. Genauso wie kein Helm dieser Welt Autofahrer zwingt, die Geschwindigkeitsbegrenzung einzuhalten. Oder Radfahrer mit dem vorgeschriebenen Sicherheitsabstand zu überholen. Dass nach jedem Unfall dieser Art in Interviews und Internetforen reflexhaft die Frage nach dem Helm aufgeworfen wird, macht wütend.

Wut. Ein verdammt starkes Gefühl. „Handelt endlich!“, möchte man schreien.

Ja, der 28-Jährige hätte die Beifahrertür des Transporters nicht einfach öffnen dürfen. Deshalb wird gegen ihn nun auch ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. In der Straßenverkehrsordnung, Paragraf 14, steht schließlich: Wer eine Tür öffnet, muss sicherstellen, dass niemand gefährdet wird.

Ausreden für schlechte Infrastruktur

Wobei in Berlin jüngst ein Taxikunde freigesprochen wurde, der auf die gleiche Weise einen Radfahrer tötete. Der Anwalt des Beklagten fand den Freispruch angemessen: „Es gibt Schicksalsschläge, unvermeidbare Ereignisse, die nicht strafbar sind.“

Schicksal? Das ist doch das, was von einer höheren Macht vorherbestimmt ist, oder?

In den Niederlanden gelten Fahrradunfälle durch offenstehende Autotüren übrigens als Planungsfehler, nicht als individuelles Pech

Verkehrspolitik ist aber eben keine höhere Macht. Ihre Macher sitzen in Parlamenten und Ämtern. Es sind Menschen, die seit Jahren eine Infrastruktur verantworten, die ein unachtsames Türöffnen zur tödlichen Gefahr werden lassen. Bis heute planen sie Radwege, die direkt neben parkenden Autos verlaufen und einer Einladung zum Dooring gleichkommen.

Unsere sogenannte Radwegeinfrastruktur besteht aus Stückwerk: hier ein Abschnitt auf der Fahrbahn, dann einer auf dem Bürgersteig, anschließend ein schmaler „Radfahrstreifen“ zwischen fahrenden und parkenden Autos.

Was auf solchen Wegen passiert, ist kein Schicksal, ist kein Unfall, sondern das Ergebnis schlechter Verkehrspolitik. Noch immer werden unfallvermeidende Infrastrukturmaßnahmen wie Kiezblocks – also Areale ohne Durchgangsverkehr für Autos – oder das kostenneutrale flächendeckende Tempo-30-innerorts zuverlässig blockiert.

Technische Lösungen gibt es schon

Dabei könnte Unfallvermeidung sogar technisch gelöst werden: Kein modernes Auto muss Geschwindigkeitsbegrenzungen überschreiten können. Ebenso gibt es längst „Tote-Winkel-Assistenten“, die warnen, wenn beim Abbiegen oder Türöffnen ein Rad- oder Rollerfahrer in Gefahr ist.

In den Niederlanden gelten Dooring-Unfälle übrigens als Planungsfehler, nicht als individuelles Pech. Dort trennt man Rad- und Autoverkehr konsequent und lehrt in den Fahrschulen den „niederländischen Griff“ – also das Autotüröffnen mit der jeweils entfernten Hand, um sich selbst ans Umdrehen zu erinnern.

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In Deutschland sterben derweil jährlich viele Hundert Menschen beim Radfahren oder Zufußgehen, Tausende werden schwer verletzt. Die meisten dieser Unfälle sind Ergebnis eines Systems. Und sie sind nicht nur Zahlen in Statistiken, sondern Menschen, die fehlen – in ihren Familien, in ihrem Beruf, in unserem Leben. Eine neue Verkehrspolitik ist lange überfällig!

Bis dahin bleibt neben der Wut vor allem Trauer und eine Leere, die niemand füllen kann. Mein herzliches Mitgefühl all jenen, die durch einen Verkehrsunfall einen Menschen oder ihre Gesundheit verloren haben.

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Kerstin Finkelstein
Dr. phil, Expertin für Verkehrspolitik und Migration. Studium in Wien, Hamburg und Potsdam. Volontariat beim „Semanario Israelita“ in Buenos Aires. Lebt in Berlin. Fährt Fahrrad. Bücher u.a. „So geht Straße“ (Kinder-Sachbuch, 2024), „Moderne Muslimas. Kindheit – Karriere - Klischees“ (2023), „Black Heroes. Schwarz – Deutsch - Erfolgreich“ (2021), „Straßenkampf. Warum wir eine neue Fahrradpolitik brauchen“ (2020), „Fahr Rad!“ (2017).
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40 Kommentare

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  • Ja. Auto first Verkehrspolitik muss sich ändern, damit Verkehr sicherer wird. Außerdem bin ich für miteinander auf der Straße. Statt gegeneinander. Auch wenn Menschen gedankenlos, mit dem Kopf woanders, Türen aufreißen in die dann Radfahrer:innen fahren und daran sterben können ist für mich (immer Rad) ein mehr Gegeneinander im Verkehr spürbar. Aber vielleicht liegt das Empfinden auch an meinem Alter. Ich möchte gute, sichere Wege für alle. Ich möchte das Gefühl haben, dass Menschen die den Verkehr kennen planen. Ich möchte nie wieder einen unverschuldeten Radunfall. Schlimmste Verletzung bisher: schwerer Bruch im Kniegelenk. Vor zuen Autotüren habe ich instinktiv Respekt und Göttin sei Dank hat mich noch keine Tür erwischt.

  • Soweit bekannt starb Frau Perdelwitz an den Folgen lebensgefährlicher Kopfverletzungen. Fahrradhelme erhöhen die Überlebenswahrscheinkichkeit dramatisch. Ein Freund von mit arbeitet als Unfallchirurug - der fährt keinen Meter ohne seinen Airbaghelm ( keine Ahnung wie die Dinger richtig benannt werden). Das hätte man in dem Artikel vielleicht erwähnen sollen.

  • In aufgehende Autotüren reinzurauschen ist kein Privileg von Radfahrern, Auto-und Motorradfahrer können das auch. Wenn ich an parkenden Autos vorbeifahre, vergewissere ich mich entweder, dass da keiner drin sitzt, oder, wo das wegen Unübersichtlichkeit nicht möglich ist, halte ich Abstand. Auch wenn der andere Schuld ist und mein eigener Schaden gering, mag ich den Ärger nicht haben.



    Alte Motorradfahrerregel: Es hilft dir hinterher kein Stück, wenn Du vorher Vorfahrt gehabt hast. Wenn Du das nicht lernst, wirst Du nicht alt.



    Ohne ein Mindestmaß an Vorsicht sollte mensch sich vom Straßenverkehr fernhalten.

    • @sollndas:

      Was sollndas für ein Vergleich sein?

      1: Als Motorradfahrer:in hat man deutlich mehr Platz um Abstand zu parkenden Autos zu halten. Vergleichen Sie mal die Breite der Straße mit der des Fahrradwegs.

      2: Im Auto ist man vor körperlichen Schäden geschützt.

      3: Passen die Insassen des Autos deutlich besser auf auf der Seite der Fahrbahn, als bei dem vermeintlichen Fußgängerweg, bei dem schnell übesehen wird, dass es eben ein Fahrradweg ist.

    • @sollndas:

      Das alte Lied, Opfer-Täter-Umkehr. Radfahrer sind selbst Schuld.

  • Ein Fahrradhelm verhindert freilich keine Unfälle, er verhindert aber Kopfverletzungen nachweislich - und nur darum geht es bei ihm.



    Es wäre das gleiche Tempo 100 auf der Autobahn zu fordern und im selben Atemzug Airbags für sinnlos zu erklären.



    Davon ab hat die Autorin absolut recht, der 'deutsche Weg' alle Verkehrsarten in denselben Raum zu drängen klappt nicht und wird auch nicht klappen.



    Eine Begrenzung des Kfz-Verkehrs kann ein mögliches Mittel dagegen sein, allerdings löst das nicht das Problem der Lieferverkehre.



    Supermärkte und der Handel generell können nicht auf Lastenräder verlagert werden, da blieben die Kapazitäten unerfüllt und Großgeräte wie Waschmaschinen und Kühlschränke oder Großmöbel blieben völlig außen vor.



    Auch ist Deutschland nicht einheitlich flach und so eng besiedelt wie die Niederlande.



    Fahrradschnellwege sind daher als generelles Ersatzmodell nicht bundesweit praktikabel.



    Die verkehrstechnische Trennung a la Niederlande sollten daher als universale Lösung ins Auge gefasst werden. Die Platzverhältnisse hierfür haben wir auch in deutschen Innenstädten.



    Generell sollte der 'Kampf gegeneinander' dem 'Verzahnen nebeneinander' der Verkehre gewidmet werden.

    • @Saskia Brehn:

      Gäbe es nur noch Lieferverkehr, Krankenwagen, Feuerwehr und Polizei im motorisierten Straßenverkehr der Innenstadt, wäre das Problem bereits gelöst.

    • @Saskia Brehn:

      Lieferverkehr ist ein kleiner Bruchteil des Problems. Das vorerst ungelöst zu lassen und Konzentration darauf, den Pkw-Verkehr und vor allem den wilden Parkraum einzuschränken, ist problemlos hinnehmbar.

      • @nihilist:

        Parkräume gehören unter die Erde, generell. Neubauten für Anwohner dürften nur noch mit ausreichend dazugehörigen Anwohnerplätzen unter der Erde (oder in den unteren Etagen) genehmigt werden. Auch Einkaufszentren sollten Parkräume unter oder über den Verkaufsflächen anlegen müssen, statt unendlichen Raumverbrauch um die Zentren zugestanden zu bekommen.



        Auch Durchgangsverkehre oder Hauptstraßen gehören unter die Erde - Stockholm macht es so, Boston hat es so, auch Kuala Lumpur hat es, in Japan oder Amsterdam ist der Durchgangsverkehr auf Stelzen gestellt - egal wie, eine getrennte Ebene von Fuß und Rad.

        • @Saskia Brehn:

          Grundsätzlich ein sympathischer Gedanke. Ich denke aber gerade an die Bürokratie in Deutschland und viele ewig dauernden und immer teurer werdenen Bau- und Verkehrsprojekte.



          Wie gesagt, grundsätzlich sympathisch. ;-)

  • Absolut unfallträchtig sind, für Fahrradfahrer freigegeben Einbahnstraßen durch befahrende in beide Richtungen, unvermittelt kommen einem als Autofahrer beim einfahren einer Einbahnstraße ein oder mehrere Fahrradfahrer auf der eigenen Fahrbahn entgegen. Zudem kombinierte Gehwege, die für Fahrradfahrer zur Mitbenutzung freigegeben werden. Nicht nur, dass Fußgänger von vorne und hinten durch Fahrradfahrer behindert werden, nein - auch dadurch oftmals sich zwischen den Fahrradfahrern befinden [ am besten ist man dabei noch an der Leine von seinen Hund 🐕 ] . Auch wechseln Fahrradfahrer unvermittelt, bei einem Hindernis auf dem Fußweg, unvermittelt auf die Fahrbahn, ohne auf den fließenden PKW Verkehr zu achten, am besten noch dabei die Fahrbahn überqueren und die Autofahrer dabei fix schneiden , gerne gerade in 30er Zonen. Wie gut & wichtig doch Bremsen und Hupen sind...

  • Als Achtzehnjähriger (heute 70++) fuhr ich regelmäßig mit Fahrrad zur Arbeit und zurück nach Haus - ca. 12 km. Flaches Land, ich war dort immer sportlich-flott unterwegs. Auf einem Teilstück des Weges gab es schon damals einen Radweg, der durch einen baumbestandenen Grünstreifen vom Autoverkehr getrennt war.



    Genau dort passierte es, dass mir ein Fahrer, der mit einem Lieferwagen auf ein Betriebsgelände fahren wollte, als Rechtsabbieger die Vorfahrt nahm. Jung und sportlich konnte ich mit der linken Schulter als Airbag die Sache abfangen. Heftige Prellungen, sonst keine Schäden. Der Fahrer des VW-Bulli hat sich mehr erschreckt als ich.



    Viel Glück gehabt. Zwei Meter weiter..?. Auch wegen dieses persönlichen Erlebens berührt mich der Tod von Wanda Perdelwitz sehr.

    • @StarKruser:

      Dito, Déjà-vu, Münster Anfang 80er, Ausfallstraße mit mehrspurigem Verkehr: Gut, dass der Kastenwagen hoch (kein Einknicktrauma durch Stoßfänger oder Kühlerhaube) und das Fahrrad stabil (Mutters altes Miele-Rad) waren.



      Der Fahrer hatte nicht mit einem "nur Geprellten" gerechnet, wahrscheinlich psychischer Insult seinerseits dadurch.



      Er hatte beim Rechtsabbiegen übersehen, dass nur für geradeaus die Ampel auf grün geschaltet war.

  • Ja, genau darum gehts. Es sind meist keine tragischen Unglücke sondern Planungsfehler.



    Auch der ominöse „tote Winkel“, wenn es ihn denn gibt, ist ein Planungsfehler.

  • Den "niederländischen Griff", wie die Autorin ihn nennt, habe ich 1980 während meiner Fahrschulzeit noch gelernt, nur hieß er damals nicht so. Ich wende ihn bis heute an, genauso wie ich vor einem Richtungswechsel den Blinker setze und über die Schulter schaue, etwas, das auch aus der Mode gekommen zu sein scheint.



    Inzwischen fahre ich die meiste Zeit Rad und nur noch sehr selten mit dem Auto und teile die Diagnose der Autorin, dass wir es mit einem Versagen der Verkehrspolitik zu tun haben voll und ganz.



    Autos haben Vorfahrt, immer. Kinder werden sobald sie laufen können darauf hingewiesen, dass sie zu warten hätten, wenn sich ein Auto nähert (ist ja auch überlebenswichtig!), und diese erzwungene "Rücksichtnahme" wird sich ihr ganzes weiteres Leben als Fußgänger*in oder Radfahrer*in hindurch fortsetzen, solange sich an dieser Politik nichts ändert. Und viele Menschen finden das vollkommen normal.

    • @Klabauta:

      Das ist auch absolut vernünftig, darauf eingestellt zu sein, dass sich der Gegenüber, in diesem Fall der Autofahrer, falsch verhalten könnte, anstatt auf die Straße zu laufen, weil man Vorfahrt hat. Das hat tatsächlich auch nichts mit der Politik zu tun. Es gibt Dinge, die sind bereits verboten, z. B. Leute zu überfahren, trotzdem ist es klug, vorsichtig zu sein.

      • @Katharina Reichenhall:

        Grundsätzlich richtig.

        Nur ist es eben dem Umstand der derzeitigen Verkehrsplanung geschuldet, dass wir im Alltag ständig Acht geben müssen.

        PKW und Fußgänger ließen sich durchaus deutlich besser von einander trennen, wenn nur die Prioritäten anderes gesetzt wären.

  • Vielleicht waere Abstand halten und vorrausschauendes Fahren nuetzlich, denn es kann statt dem tueroeffnenden Beifahrer auch ein Kleinkind sein, dass zwischen den Autos auf den Radweg laeuft.

    • @elektrozwerg:

      Verlangen Sie das von Autofahrern auch? Das Kleinkind kann ja zwischen den Autos auch auf die Fahrbahn laufen.

    • @elektrozwerg:

      Wissen Sie wie "breit" an vielen Stellen die "Fahrradstreifen" sind? Wohin soll mensch denn dann ausweichen? Da nützt dann auch vorrausschauendes Fahren nicht. Es ist genau so wie im obigen Artikel beschrieben, es liegt an der immer noch völlig falschen Verkehrspolitik, die den Autoverkehr weiterhin bevorzugt , anstatt endlich dafür zu sorgen, daß sich sowohl Radfahrer, aber auch Fußgänger ungefährdet fortbewegen können.

    • @elektrozwerg:

      Das finde ich jetzt seltsam, wovon hätte die ums Leben gebrachte Radfahrerin den Abstand halten sollen? Von den parkenden Autos also direkt zwischen die fahrenden?

  • schaut euch hier das foto "für schutzengel gebaut" an - denn es zeigt den schmalen radweg, eingezwängt zwischen einer "stadtautobahn" und bahngelände auf der strecke: verbindungsbahn, wo dieser entsetzliche dooring-unfall in hamburg stattfand.



    da bist du als radfahrende/r völlig chancenlos.



    kursfahrradstadt.d...t-hamburg-dooring/



    die einzige möglichkeit, solche unfälle in dieser gegend zu verhindern:



    "...An der Verbindungsbahn, Bundesstraße und der Edmund-Siemers-Allee (müssen) Protected Bikelanes als Sofortmaßnahmen eingerichtet werden, die Dooring- und andere Unfälle mit Kraftfahrzeugen wie gerade geschehen zukünftig ausschließen."



    (ebd.)

  • Jedes Verkehrsopfer ist eines zuviel. Trotzdem:

    "Hätte dieser sogenannte Dooring-Unfall verhindert werden können? Ja. Durch einen Helm? Natürlich nicht. Kein Helm dieser Welt hält eine aufschwingende Autotür auf."

    Das soll wohl nahelegen, daß die bedauernswerte Frau auch mit dem besten Helm der Welt nicht überlebt hätte.

    Wie kommt man zu derartig bodenlosen und faktenfreien Behauptungen? Frau Perdelwitz ist an ihren Kopfverletzungen gestorben, und anscheinend hat sie keinen Helm getragen. Oder doch? Eine eindeutige Information dazu vermisse ich in diesem Text. Sie wäre in diesem Zusammenhang wichtig, hätte aber vielleicht nicht in den Tenor gepasst, daß der Autofahrer immer Schuld hat und die Radfahrerin nie.

    "Genauso wie kein Helm dieser Welt Autofahrer zwingt, die Geschwindigkeitsbegrenzung einzuhalten.": Da hat das eine mit dem anderen absolut nichts zu tun.

    Ansonsten sei daran erinnert, daß jeder Verkehrsteilnehmer, egal ob Fußgänger, Rad oder Autofahrer, auf alle anderen Rücksicht zu nehmen hat.

    Und daß man vor allem nicht nur mit den eigenen, sondern auch mit den Fehlern aller anderen rechnen muss.

    So bedauerlich es ist, Unfälle werden sich nie verhindern lassen.

    • Kerstin Finkelstein , Autorin des Artikels,

      @Josef 123:

      Das habe ich nicht behauptet. Ich habe hingegen auf den Fakt hingewiesen, dass es keine Unfall-verhindernde Helme gibt. Indes gibt es Unfall-verhindernde Infrastruktur.

    • @Josef 123:

      "Ansonsten sei daran erinnert, daß jeder Verkehrsteilnehmer, egal ob Fußgänger, Rad oder Autofahrer, auf alle anderen Rücksicht zu nehmen hat."



      Es war ja wohl der Beifahrer im Auto, der keine Rücksicht genommen hat.

    • @Josef 123:

      Für die Schuldfrage ist der Helm irrelevant. Der Autoinsasse ist dafür verantwortlich, dass er niemanden behindert oder gefährdet, wenn er die Tür öffnet.

  • Ich finde es nicht gut, dass die Nützlichkeit eines Fahrradhelms in diesem Artikel so in Frage gestellt wird.

    • Kerstin Finkelstein , Autorin des Artikels,

      @Horst Sörens:

      Helme können manche Unfallfolgen abmildern. Ich weise hier darauf hin, dass sie indes keine Unfälle verhindern. Eine andere Infrastruktur könnte hingegen viele Unfälle verhindern.

  • Alles hängt mit allem zusammen. Hektik der Transportfahrer bei Akkordbezahlung und Mindestlohn, keine sichere Fahrradinfrastruktur, Geldmangel der Kommunen.... usw. Und dann verliert wie immer der Schwächste.



    Was ist zu tun? Irgendwo ist Verzicht angesagt. Mehr Steuern, weniger Geld für andere Dinge wenn das in den Fahrradwegebau fließt, weniger Platz für Autos, .... man könnte wählen. Verzichten will aber niemand. Daher wird ohne Esprit weitergemurkst. Der Schwächste bleibt gefährdet. Wie überall, oder: Könnte man mit gleichen Mitteln Effekte erzielen? Ja, schon, aber nicht bei unserem Beamtenstaat mit persönlicher Sicherheitsmaximierung. Motto: Wer nix macht, der macht nix falsch! Von der Politikspitze in Berlin bis zu den Provinzbürgermeistern.



    Bin frustriert!

  • Deutschland liebt das, die Schicksalsschläge, die Einzelfälle, die Sachen wo man leider leider nichts machen kann und niemand verantwortlich ist und wir alle immer so weiter machen können wie bisher. In Ewigkeit.

    Oder wie sagen die Ammis so schön: "Thoughts and Prayers".

  • Auf der Fahrbahn fahren, sichtbar fahren. Getrennte, schmale, falsch sortierte Fahrstreifen sind keine Lösung, sondern das Problem.



    Das stehende Auto war zu schnell und hat den Abstand nicht eingehalten. Ein bißchen spät merkt die Politik, dass unsere Radfahrer physiologisch überfordert sind geradeaus nach vorne zu schauen.

  • Ich bin viele Jahre mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren.



    In den letzten 10 Jahren vor der Rente hatte ich in Berlin 11km Arbeitsweg.



    Meine größte Angst war dabei die dooring- Unfälle, weil man sich auf diese überhaupt nicht vorbereiten kann.

    Ich hatte während diesen 10 Jahren mehrere Dooring - Unfälle, wobei ich bei 4 oder 5 Unfällen in die gerade eben geöffnete Tür gerauscht bin, und der Arm der öffnenden Person sozusagen als "Stoßdämpfer" diente, mir also nichts weiter passiert ist.



    Bei einem Unfall allerdings hatte ich mindestens 10 Schutzengel, als mir die öffnende Tür mit voller Wucht an die Außenseite des Pedals geknallt wurde, das Auto wackelte, ich wurde etwa einen Meter zur Seite geschleudert, konnte mich aber fangen, und zum Glück war auch niemand weiter auf der Straße. So kam ich bis auf einen blau angelaufenen Zehennagel des kleinen Zehs unbeschadet da raus.

    Es gibt ja bereits viele Beispiele die beweisen, dass man Unfallzahlen radikal senken kann, wie Oslo und Helsinki, aber da in Deutschland Autos mehr zählen als Menschen, werden bei uns weiter Menschen sterben.

  • Vielen Dank für den Artikel. Als Radler in der Großstadt möchte ich oft schreien, weil die gesamte Infrastruktur immer noch auf Autos first ausgelegt ist. Das ist klar eine Frage der Prämissen und Planung bezüglich dieser Prämissen. (Wir haben unseren Reichtum nun mal seit Jahrzenten vor allem mit Autos gewonnen.) Nur bei einem Vorschlag möchte ich widersprechen. Tote-Winkel-Assistenten - Fahrer sind mit den vorhandenen Informationen - und als LKW-Fahrer hast du eine Menge Infos - lange ausgelastet, dazu kommen die Schilderwälder auf unseren Straßen, ... Im laufenden Verkehr sollte der Fahrer den Radler bereist gesehen haben, bevor er abbiegt, an der roten Ampel: Lass die Radler einfach 2m vor den LKW stehen - dann sind sie klar sichtbar. Auch eine Frage der Planung.

    • @Otto Buchmeier:

      Ja, das ist mir seitdem ich aus England zurück nach Dtl gezogen bin seltsam aufgefallen, dass es dort ganz normal ist, dass an Kreuzungen direkt vor der Ampel ein gekennzeichneter Bereich für Fahrräder ist, man ist also direkt dazu angehalten bei Rot als RadfahrerIn an den Autos vorbei nach vorn zu fahren.



      Seit ich zurück in Deutschland bin, komme ich mit an roten Ampeln hier immer nur wie ein unwillkommener Störfaktor vor.

  • Danke. Ja, volle Zustimmung!

  • Als passionierter Radfahrer bin ich erschrocken über Ignoranz und Unwissen, was selbst optimal als solche gekennzeichnete "Radfahrstraßen" angeht. Mehrmals entging ich haarscharf einer Kollision. Volles Tempo dort kann für Radfahrer:innen tödlich sein, mit und ohne Helm, wenn man unter die Räder kommt.



    SUVs und Kleintransporter sind dabei besondere Gefährder, oft wegen des Tempos und mit Fahrzeugführer:innen in Eile, außerdem wahrscheinlich teilweise für die Insassen unübersichtlich.

    • @Martin Rees:

      Die Sachlage zur Erfordernis der Rücksichtnahme: Es gibt Regeln!



      "Was ist eine Fahrradstraße?



      Eine Fahrradstraße ist vorrangig für den Radverkehr bestimmt. Neben Fahrrädern dürfen auch Pedelecs, E-Bikes und E-Scooter genutzt werden. Durch entsprechende Zusatzzeichen wie "Anlieger frei" oder "Kfz frei", können auch Autos und Motorräder in der Fahrradstraße zulässig sein."



      /



      www.swr.de/swraktu...hr-regeln-100.html

  • Leider wird die innerörtliche Radwegeplanung in Deutschland immer von der Perspektive des motorisierten Individualverkehrs dominiert - deshalb haben wir in der Fläche diese erbarmungswürdige, dysfunktionale und teilweise gefährliche Radinfrastruktur. Abhilfe wäre alleine durch eine Angleichung (nicht: Umkehr) der Prioritäten denkbar - dazu ist in den meisten Städten und Gemeinden hierzulande leider (noch) kein politischer Wille erkennbar.

  • Kerstin: Danke!