Fahrrad-Falle in Mitte: Breit ist anders

Vermeintliche Radstreifen in der Linienstraße sind in Wirklichkeit Abstandhalter, um „Dooring“ zu vermeiden. Nicht jeder versteht das.

Ceci n'est pas un Fahrradstreifen: Radeln in der Dooringzone Foto: Claudius Prößer

Nanu? Dass die herkömmlichen Berliner Radstreifen mit Breite geizen, ist wahrlich keine Neuigkeit. Aber diese frisch aufgetragene, blendend weiße gestrichelte Linie in der Linienstraße, was für eine Radspur markiert die denn? Das sind doch höchstens 70 Zentimeter bis zu den parkenden Autos!

In den sozialen Medien werden Fotos von diesem Verkehrs-Skandal geteilt. Wobei recht schnell klar wird: Die Striche begrenzen gar keine Radspur, sondern die Dooring-Zone, also den Bereich, wo öffnende Autotüren jemanden sehr effektiv aus dem Sattel und schlimmstenfalls ins Jenseits befördern können.

Nicht alle verstehen das. Ein Ortstermin belegt: Regelmäßig wird der Gefahrenstreifen für den zu befahrenden Streifen gehalten. „Das ist der neue Sport ‚Door-Surfen‘“, schreibt ein Facebook-User sarkastisch. „Wer überlebt, hat gewonnen.“ Möglich, dass es vor allem Touristen sind, die diesem fatalen Missverständnis unterliegen, aber das macht es nicht besser.

ADFC-Landesverbands-Sprecher Nicolas Linck schlägt ob dieser amtlichen Gefährdung die Hände über dem Kopf zusammen, zumindest hört es sich am Telefon so an. „Das muss unbedingt gelöst werden“, sagt er, verweist aber darauf, dass weitere Markierungen angekündigt waren. „Wir machen uns stark für große Fahrrad-Piktogramme auf der Straße.“

Ein weiterer im Netz erhobener Vorwurf lautet: Die markierte Dooring-Zone sei gewissermaßen ein Freibrief, die Autotür ohne den mittlerweile empfohlenen „holländischen Griff“ aufzureißen. „Wieder einmal wird das Recht des Stärkeren – in diesem Fall des Unachtsamen – in Infrastruktur verewigt“, heißt es.

Linck sieht das anders: Schon jetzt würden Urteile gesprochen, die gedoorten RadlerInnen wegen zu geringem Sicherheitsabstand eine Mitverantwortung gäben. „Die Markierung macht da eigentlich keinen Unterschied mehr, insofern finde ich sie nicht schlecht. Denn Abstand ist enorm wichtig.“

Entwarnung kommt dann vom Straßen- und Grünflächenamt Mitte, das der taz Folgendes mitteilt: Die Fahrrad-Piktogramme kommen – und dazu noch eine breite grüne Linie in der Fahrbahnmitte. Außerdem werden drei Abschnitte der Linienstraße bis Ende kommender Woche in – gegenläufige – Einbahnstraßen umgewandelt. Das soll dem Schleichverkehr besonders durch Taxen entgegenwirken, wenn auf der Torstraße mal wieder Stau herrscht.

„Der Bezirk Mitte wird auswerten, wie die Praxis sich durch die neuen Markierungen verändert“, schreibt das Amt in seiner Antwort auf die taz-Anfrage. „Da es immer noch keinen generellen Leitfaden in Berlin zur Kennzeichnung von Fahrradstraßen gibt, ist Mitte mit dieser Kennzeichnung vorangegangen.“ Auf dieses Manko weist auch der ADFC hin: Angekündigt hat die Verkehrsverwaltung einen solchen Leitfaden schon länger, fertig ist er offenbar immer noch nicht.

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